Professor ChatGPT? 03.12.2025, 14:30 Uhr

Uni-Prüfungen im KI-Zeitalter: Zeit für einen Neustart

Im Zeitalter von KI müssen Lehrende und Hochschulen abwägen, ob Aufsätze und Hausarbeiten in Zukunft noch eine angemessene Prüfungsform sind.

Generative KI verändert Lernprozesse an Hochschulen und stellt traditionelle Bewertungsformen infrage.

Generative KI verändert Lernprozesse an Hochschulen und stellt traditionelle Bewertungsformen infrage.

Foto: Moodboard/Smarterpix

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) unter Studierenden ist mittlerweile die Norm. Seit dem Launch von ChatGPT Ende 2022 ist es daher für Lehrende eine ständige Herausforderung, KI als effektive Hilfe fürs Lernen zu betrachten, gleichzeitig aber auch Risiken für die Fairness von Bewertungen zu minimieren.

Im Februar 2025 ergab eine Umfrage des Nature Magazins unter mehr als 1000 Vollzeitstudierenden im Vereinigten Königreich, dass 92 % KI in irgendeiner Form nutzen. Im Jahr 2024 waren es noch 66 %.

88 % der Studierenden gaben an, dass bei akademischen Arbeiten generative KI nutzen, letztes Jahr waren es noch 53 %.

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Generative KI – Was ist das eigentlich?

Generative KI ist eine Form der KI, die aus riesigen Datensätzen Texte, Bilder und Codes erstellen kann. Dem gegenüber steht die diskriminative KI, die auf Basis von gesammelten Daten Vorhersagen treffen oder Entscheidungen fällen kann, ohne neue Inhalte zu generieren.

KI nimmt Aufgaben ab, aber wann ist es zu viel?

Lesen oder programmieren – bei solchen grundlegenden Tätigkeiten ist die KI weiterhin besser als der Mensch. Gerade deshalb machen sich Expertinnen und Experten zunehmend Sorgen, wie sich die KI auf das Lernverhalten auswirkt.

So wird beispielsweise der Wert herkömmlicher Aufsätze und anderer schriftlicher Leistungsbewertungen zunehmend hinterfragt. KI kann mittlerweile Texte produzieren, die oft die Qualität der meisten studentischen Arbeiten übertreffen.

Weitere Bedenken betreffen eine übermäßige Abhängigkeit von Chatbots und deren mögliche Auswirkungen:

  • Oberflächliches Lernen
  • Geringere Möglichkeiten zur Selbstreflexion
  • Verlust der Eigeninitiative von Studierenden

So besteht die Gefahr, dass Studierende von aktiven Lernenden zu passiven Nutzerinnen und Nutzern von Technologie werden.

Universitäten versuchen Studenten zu entlarven

Die Universitäten haben daraufhin mit Tools reagiert, mit denen sie versuchen, die Nutzung generativer KI durch Studierende aufzudecken. Beispielsweise wurden so kurzfristige Lösungen etabliert, wie der Einsatz von „Stresstests“ bei schriftlichen Prüfungen oder deren Ersatz durch mündliche Prüfungen. Weitere Formen waren der Einsatz von reflektierenden Formaten, wie Portfolios und Tagebücher, sowie klare Richtlinien, in welchen Fällen KI genutzt werden darf und in welchen nicht.

Diese Maßnahmen sind zwar hilfreich, ihre Wirksamkeit jedoch begrenzt.

Schreiben ist Denken – oder auch nicht

Einer der Grundpfeiler der modernen Bildung ist die Prämisse „Schreiben ist Denken“. Schreiben ist ein nichtlinearer Prozess, der die intellektuelle Entwicklung des Menschen stimuliert:

  • Authentisches Engagement
  • Kritisches Denken
  • Problemlösungskompetenz

Wenn KI jedoch genutzt wird, um Texte zu verfassen oder zu generieren, ist es beinahe unmöglich zu wissen, inwieweit das Endergebnis das eigene Verständnis und kritische Denken einer Studentin oder eines Studenten widerspiegelt. Diese Unsicherheit untergräbt die Verwendung des Schreibens als Nachweis für das Lernen.

Andere Bewertungsformen müssen her

Eine Möglichkeit, kritisches Denken zu fördern, besteht darin, Studierende und Dozierende strukturierte Gespräche führen zu lassen. Dafür eignet sich beispielsweise die sogenannte sokratische Fragetechnik: Es ist eine Form der Befragung, die dabei hilft, komplexe Ideen zu durchdenken und die Gültigkeit von Informationen zu beurteilen.

Eine zeitgemäße Version des in der griechischen Antike verwendeten diskursbasierten Ansatzes, bekannt als konversationsbasierte Bewertung, wird seit mehreren Jahrzehnten in der Grund-, Sekundar- und Hochschulbildung eingesetzt. So wird beispielsweise AutoTutor, entwickelt an der Universität von Memphis in Tennessee, zum Unterrichten von Fächern wie Newton’scher Physik verwendet, während gleichzeitig die Computerkenntnisse und das kritische Denken verbessert werden.

Es bezieht Studierende in natürliche Sprachkonversationen ein und nutzt computergestützte Techniken, um ihr Verständnis zu beurteilen. Dabei werden Faktoren wie Genauigkeit, Wortwahl und die für eine Antwort benötigte Zeit analysiert. Allerdings verfügen solche Systeme in der Regel nur über begrenzte Konversationsfähigkeiten und stützen sich nach wie vor hauptsächlich auf einfache Textanalysen und die Erkennung bestimmter Wörter und Ausdrücke.

KI-Einsatz als Unterstützung im Lernumfeld

Hier kann die Integration von KI eine entscheidende Rolle spielen. KI kann einen offenen, kontextsensitiven Dialog auf eine viel realistischere Weise führen als aktuelle konversationsbasierte Bewertungsmethoden. KI-Tools können Folgefragen stellen, maßgeschneiderte Hinweise geben und sich in Echtzeit an den Wissensstand eines Studierenden anpassen, wodurch sie eine flexible und personalisierte Lernunterstützung bieten.

KI hat daher nicht nur negative Auswirkungen auf das Lernverhalten von Studierenden, sondern auch durchaus Chancen. So können Fragen beispielsweise automatisiert beantworten werden. Auch durch Gespräche mit KI-Systemen können die Studierenden lernen. Der Dialog könnte auch als Form der Bewertung genutzt werden, wodurch ein dynamischer und personalisierter Prozess entsteht.

„Besonders spannend finde ich, dass der Umgang mit KI eng mit der Fähigkeit verbunden ist, gute Fragen zu stellen – eine der wichtigsten Kompetenzen, die man während eines Studiums erlernt. Das gilt nicht nur für Studierende, sondern auch in vielen Berufen. Der Prozess, effektiv mit KI zu arbeiten, erfordert daher nicht nur technisches Verständnis, sondern auch die Fähigkeit, präzise und durchdachte Fragen zu formulieren“, so Kamal Bhattacharya, Prorektor an der IU Internationalen Hochschule in einem Interview mit VDI Nachrichten.

Kontinuierliche Bewertung als weitere Maßnahme

Eine kontinuierliche Bewertung kann ebenfalls eine wirksame Alternative sein. In vielen akademischen Bereichen ist es dringend erforderlich, Abschlussprüfungen durch eine Reihe miteinander verbundener Bewertungen zu ersetzen, die ein umfassendes Bild des Lernfortschritts der Studierenden vermitteln.

Die kontinuierliche Bewertung ist in der medizinischen Ausbildung bereits gut etabliert. Beispielsweise werden Medizinstudierende während ihrer klinischen Praktika kontinuierlich von ihren Betreuerinnen und Betreuern bewertet, die ihr klinisches Urteilsvermögen, ihre Teamfähigkeit und ihre Kommunikation mit Patienten beobachten.

Diese Beobachtungen, kombiniert mit schriftlichen Reflexionen und Bewertungen durch Kommilitonen, ergeben ein ganzheitliches Bild der Kompetenz der Studierenden im Laufe der Zeit. In anderen Fachbereichen sind solche Modelle jedoch nach wie vor selten, vor allem wegen der damit verbundenen höheren Arbeitsbelastung für die Lehrenden.

Höherwertige Fähigkeiten schätzen

Universitäten müssen möglicherweise auch ihren Fokus auf die Entwicklung höherer und zwischenmenschlicher Fähigkeiten der Studierenden verlagern, wie Kreativität, Zusammenarbeit und Empathie. Dies sind Bereiche, in denen menschliche Stärken nach wie vor deutlich und wertvoll sind.

Anstelle herkömmlicher schriftlicher Prüfungen könnten die Studierenden beispielsweise gemeinsam einen Nachhaltigkeitsplan für ihre Universität entwerfen, einen Prototyp für ein Produkt entwickeln oder ein reales politisches Problem analysieren. Im Gegensatz zu den heutigen Gruppenprojekten könnten die Studierenden dazu ermutigt werden, während des gesamten Prozesses KI-Tools zu nutzen, um Ideen zu sammeln, Daten zu analysieren oder ihre Präsentationen zu strukturieren, wobei die KI-Plattform als von der Universität autorisierter Partner im Lernprozess fungiert.

Ein Beitrag von:

  • Anastasia Pukhovich

    Anastasia Pukhovich ist Volontärin beim VDI Verlag. Ihre Tätigkeit beim Max-Planck-Institut für Nachhaltige Materialien weckte ihr Interesse an allen Themen rund um Chemie und Umwelt, welche sie auch journalistisch verfolgt.

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