Weiterbildung 27.10.2025, 14:00 Uhr

Re-Skilling: Wie KI das Lernen im Unternehmen neu definiert

Künstliche Intelligenz verändert nicht nur Arbeitsprozesse, sie markiert eine komplett neue Ära der Arbeitswelt. Wer im Arbeitsleben bestehen will, muss lernen, anders zu lernen. Darüber diskutierten Expertinnen und Experten bei einem Roundtable zum Thema „KI in der Arbeitswelt“. Ihr gemeinsames Fazit: Up-skilling reicht nicht mehr aus, wir brauchen gefördertes Re-skilling

KI verändert die Arbeitswelt. Experten fordern neue Lernmodelle, Re-Skilling und ein Weiterbildungs-BAföG für die Zukunft der Arbeit.

Foto: Smarterpix/designer491

KI verändert die Arbeitswelt. Experten fordern neue Lernmodelle, Re-Skilling und ein Weiterbildungs-BAföG für die Zukunft der Arbeit.

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„Die Geschwindigkeit, Intensität und Breite dieses Wandels sind beispiellos“, sagt die Professorin, Zukunftsforscherin und Expertin für KI Yasmin Weiß.

Die Angst vor Arbeitsplatzverlust durch KI ist weit verbreitet. Studien zufolge werden bis 2027 weltweit rund 83 Millionen Jobs verschwinden, gleichzeitig entstehen etwa 69 Millionen neue. Doch das eigentliche Problem liegt laut Weiß woanders: „Es geht nicht um die Zahl der wegfallenden Stellen, sondern um die Qualifikationslücke“, erklärt sie. „Diejenigen, deren Profile durch KI entwertet werden, sind oft nicht die, die über die Kompetenzen für neue Rollen verfügen.“

Die Diskrepanz zwischen dem, was Menschen können, und dem, was neue Technologien erfordern, ist das eigentliche Risiko für Wirtschaft und Gesellschaft.

Von der linearen Karriere zur Mosaiklaufbahn

Für Weiß ist Re-Skilling weit mehr als klassische Weiterbildung – es bedeutet einen tiefgreifenden Wandel der beruflichen Identität.

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„Wir müssen lernen, unsere berufliche Identität mehrfach im Leben zu verändern. Klassisch lineare Karrieren gehören der Vergangenheit an“, sagt sie.

Zukünftige Laufbahnen bestehen aus vielen Bausteinen. Mosaikkarrieren, wie Weiß sie nennt. Entscheidend ist nicht mehr der Titel, sondern die Kompetenzen und die Fähigkeit zur Anpassung. „Wir brauchen Menschen, die das Lernen gelernt haben – schnell, individuell und kontinuierlich“, betont sie.

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KI kann diesen Prozess sogar erleichtern. Weiß experimentiert mit sogenannten „Talking Textbooks“. KI-gestützten digitalen Lehrbüchern, mit denen Lernende interagieren, Fragen stellen und Inhalte individuell vertiefen können. „Lernen wird dadurch dynamisch, aktuell und dialogisch“, so Weiß.

Laut einer aktuellen Stellenanzeigenanalyse von Cisco verlangen bereits 78 % aller IT-Stellen in Deutschland KI-Kompetenzen. Und das betrifft längst nicht mehr nur Tech-Jobs: Auch Marketing, Produktion, Verwaltung und Handwerk benötigen ein Grundverständnis von KI-Systemen.

„KI-Kompetenzen sind kein Nischenthema mehr“, sagt Christian Korff, Mitglied der Geschäftsleitung bei Cisco Deutschland.
„Bis 2030 wird KI-Kompetenz eine Grundvoraussetzung sein – so selbstverständlich wie heute Computerkenntnisse.“

Re-Skilling als Gemeinschaftsaufgabe

Auch Korff sieht Re-Skilling als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. „Unternehmen, Staat, Bildungssystem und Lernende selbst tragen gemeinsam Verantwortung. Re-Skilling funktioniert nur, wenn alle Ebenen zusammenarbeiten.“

Cisco engagiert sich im AI Workforce Consortium, das Lernplattformen, Trainings und Curricula entwickelt, um KI-Wissen breit zu verankern. Doch Korff betont: Re-Skilling funktioniert nur mit den richtigen Strukturen. „Wir müssen Strukturen schaffen, die lebenslanges Lernen ermöglichen – nicht als einmaliges Projekt, sondern als festen Bestandteil der Unternehmenskultur“.

Besonderes Augenmerk legt er auf die Ausbildung der Ausbilder: ‚Teach the Teacher‘ muss zum Leitmotiv werden. „Wenn Lehrkräfte und Ausbilder selbst nicht geschult sind, können sie keine neuen Kompetenzen vermitteln.“

Weiterbildung als Grundrecht: das neue „Weiterbildungs-BAföG“

Yasmin Weiß geht noch einen Schritt weiter. Sie schlägt ein staatlich gefördertes Weiterbildungs-BAföG vor, analog zum bekannten Studenten-BAföG. Damit sollen Berufstätige finanziell unterstützt werden, wenn sie sich in neuen Berufsfeldern qualifizieren wollen.

„Wir müssen Weiterbildung völlig neu denken – nicht als Ausnahme, sondern als Dauerzustand“, betont sie.

Konkret könnte das Modell ähnlich funktionieren wie das klassische BAföG: Der Staat übernimmt einen Teil der Kosten für zertifizierte Weiterbildungen oder Micro-Degrees, ein anderer Teil könnte über zinsfreie Darlehen oder steuerliche Anreize geregelt werden.
Ziel sei, Weiterbildung nicht länger vom Einkommen oder vom Arbeitgeber abhängig zu machen. Weiß macht diesbezüglich deutlich: „Wir dürfen lebenslanges Lernen nicht nur predigen – wir müssen es ermöglichen. Wer sich beruflich neu aufstellen will, darf nicht an den Kosten scheitern.

Der Bildungs-Tanker muss schneller werden

Einig sind sich beide Experten darin, dass das deutsche Bildungssystem zu träge auf technologische Umbrüche reagiert. „Bis 2030 werden wir den großen Tanker Bildungssystem nicht vollständig herumreißen können“, warnt Weiß.

Ihr Lösungsvorschlag: Micro-Degrees und Micro-Certificates. Das sind kompakte, praxisorientierte Lernmodule, die gezielt Kompetenzen in Zukunftsfeldern wie Cybersecurity, Datenanalyse oder Agentic AI vermitteln sollen. Diese Formate lassen sich schneller aktualisieren als traditionelle Studiengänge und schließen eine zentrale Lücke zwischen akademischer Bildung und beruflicher Praxis.

Korff wiederum betont die Bedeutung der dualen Ausbildung, sieht aber erheblichen Anpassungsbedarf:

„Kein Handwerksberuf wird künftig ohne KI auskommen. Selbst Dachdecker oder Heizungsbauer brauchen ein Grundverständnis von KI-Technologien.“

Das erfordere Investitionen in neue Lernumgebungen und die Integration digitaler Kompetenzen in jede Ausbildungsordnung.

Vom Abschlussdenken zum Skill-Denken

Beide Experten fordern einen kulturellen Wandel: weg vom Fokus auf Abschlüsse, hin zu einem Skill-basierten Bildungssystem. „Es zählt nicht mehr, ob jemand einen bestimmten Studiengang absolviert hat – sondern ob er die notwendigen Fähigkeiten mitbringt“, sagt Weiß.

Auch Unternehmen müssen umdenken. Anstatt nach Zeugnissen zu rekrutieren, sollten sie nach Fähigkeitsprofilen suchen, die sich flexibel an neue Anforderungen anpassen lassen.

Korff bringt es auf den Punkt: „Wir müssen die Angst davor ablegen, etwas ganz anderes zu machen. Nur wer bereit ist, sich neu zu erfinden, bleibt in der KI-Wirtschaft wettbewerbsfähig.“

Im Rahmen der VDI-Initiative „Zukunft Deutschland 2050“ laden wir zur Expertenrunde zum Thema Re-skilling in Darmstadt ein. Hier bringen wir Fachleute aus Industrie, Wissenschaft und Politik zusammen, um gemeinsam Strategien für berufliche Weiterbildung und Qualifizierung zu entwickeln. Durch den Austausch unterschiedlicher Perspektiven wollen wir praxisnahe Lösungen erarbeiten, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fit für die Herausforderungen der digitalen und technologischen Transformation machen.

Re-Skilling

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Ein Beitrag von:

  • Tim Stockhausen

    Tim Stockhausen ist Volontär beim VDI Verlag. 2024 schloss er sein Studium der visuellen Technikkommunikation an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ab. Seine journalistischen Interessen gelten insbesondere Künstlicher Intelligenz, Mobilität, Raumfahrt und digitalen Welten.

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