Ingenieurstudium 07.05.2018, 07:40 Uhr

Für Ingenieure hat der Bergbau noch eine Zukunft

Der Bergbau ist tot? Falsch. Er lebt. Und wie. Die Technische Hochschule Bochum kann die große Nachfrage trotz steigender Absolventenzahlen nicht decken.

Zwei Männer in weißen Kitteln im Labor

Wer Ressourcengewinnung und –weiterverarbeitung managen will, ist im Master „Mineral Resource and Process Engineering“ an der TH Georg Agricola in Bochum (THGA) gut aufgehoben.

Foto: THGA/Volker Wiciok

Der Bergbau boomt und das mitten im Ruhrgebiet. Ausgerechnet in dem Jahr, in dem mit der Schließung der Zeche Prosper Haniel in Bottrop der subventionierte Steinkohlenbergbau in Deutschland zu Ende geht, meldet die Technische Hochschule Georg Agricola in Bochum (THGA) einen neuen Rekord

Zu wenige Fachkräfte trotz hoher Absolventenzahlen

An der ehemaligen Steigerschule in Bochum sind aktuell 2.500 Studierende eingeschrieben. So viele wie nie zuvor. „Die Entwicklung ist zwar sehr erfreulich, aber damit sind wir fast an der Grenze unserer Kapazität angelangt“, sagt Jürgen Kretschmann, Präsident der THGA. Die im Jahr 1816 gegründete Hochschule sei nur für etwa 1.800 Studierende ausgelegt.

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Dennoch: Die Nachfrage der Unternehmen und Behörden übersteigt die Zahl der Absolventen bei Weitem. Jährlich fehlen mehrere tausend Fachkräfte. 2017 gab es deutschlandweit etwa 5,52 Mio. Beschäftigte im Bergbau und im verarbeitenden Gewerbe, rund 400.000 mehr als zehn Jahre zuvor. Für die Studierenden hat dieser Mangel seine positive Seite. „Fast jeder unserer Abgänger bekommt sofort einen Job, viele brauchen nur eine Bewerbung zu schreiben“, so Kretschmann.

Den Nachwehen des Bergbaus verschrieben

Neben der THGA kann auch die TU Bergakademie Freiberg auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Seit 1765 wurden dort Steiger ausgebildet und auch hier wurde das Portfolio erweitert. Mit den Ingenieur-, Natur-, Geo-, Material- und Wirtschaftswissenschaften vereint die Hochschule alle Bereiche der modernen Rohstoffforschung im Grundlagenbereich und der anwendungsorientierten Forschung. Mehr als 4.600 Studierende erhalten in 65 Studiengängen eine wissenschaftlich fundierte und praxisorientierte Ausbildung. Vor allem die Fächer Spezialtiefbau sowie Geotechnik und Bergbau erinnern noch an die Gründerzeit.

Die wenigsten Absolventen der beiden Hochschulen werden allerdings dort arbeiten, wo Generationen über Jahrzehnte ihre Arbeitszeit verbrachten: unter Tage. Heute steht der Nachbergbau auf dem Ausbildungsplan. Dabei stehen vor allem Umweltaspekte und Nachhaltigkeit im Vordergrund, wie die Nutzung ehemaliger Gelände und Halden im Rahmen der Energiewende mit Windkraftanlagen oder Solarparks, oder die kontrollierte Behandlung von Grubenwasser und Grubengas. Auch die Überwachung „nachbergbaulicher“ Auswirkungen mit modernen Monitoringsystemen wie Satellitentechnik oder speziellen Tiefseesonden steht auf der Agenda.

Neue Abschlüsse in der traditionellen Bergakademie

Das Studienangebot der Hochschule zeugt davon, wie sich die Branche und die damit verbundenen Berufsbilder über Jahrzehnte verändert haben. Studierende erwerben ihren Bachelor oder Master in Fächern wie Nachbergbaun Rohstoffingenieur, Verfahrenstechnik, Geoingenieurwesen, Elektrotechnik, Maschinenbau und Technische Betriebswirtschaft. „80 % der Rohstoffstudierenden befassen sich mit dem Bereich Steine und Erden, also mit der Gewinnung von Festgesteinen, Kiesen und Sanden sowie Natursteinen, Tonrohstoffen und Spezialsanden“, sagt Albert Daniels, Professor für Rohstoffgewinnung an der THGA. Zudem seien Themen wie Arbeitsschutz, Sicherheit, Qualitätsmanagement und Logistik national wie international immer stärker gefragt.

Aktuell berät die Hochschule das Land Brasilien bei der Vermarktung seltener Erden oder hilft bei der Sanierung der bedeutenden U-Bein-Bridge in Myanmar – der längsten, nur aus Teakholz gebauten Brücke der Welt. „Keine Autobahn und kein Fußballstadion kann ohne das Wissen um Rohstoffe gebaut werden, das wir vermitteln“, sagt Daniels. Die Schlagworte Industrie 1.0 bis 4.0 stehen auch an der THGA für die Entwicklung von der Industrialisierung über die automatische Produktion und Mikroelektronik bis hin zur Digitalisierung.

Viele Ingenieure studieren inzwischen neben dem Beruf

Mit dem Wintersemester 2017/18 ging der deutschlandweit einzigartige Masterstudiengang „Mineral Resource and Process Engineering“ an der THGA an den Start. Der praxisnahe Studiengang rund um Ressourcengewinnung und -weiterverarbeitung kann sowohl in Vollzeit als auch in einem berufsbegleitenden Teilzeitstudium absolviert werden. Insgesamt haben sich zum Start 53 Studierende für den Studiengang eingeschrieben. Ein weiterer Rekord. Neben ingenieurwissenschaftlichen Inhalten widmet sich das Studium dem Management. „Da der Bedarf national wie international riesig ist, findet der Unterricht in diesem Masterstudiengang auf Englisch und Deutsch statt“, sagt Kretschmann.

Der Wandel in der Ausbildung lässt sich sehr gut anhand des stetigen Niedergangs des subventionierten Steinkohlebergbaus seit den 1950er-Jahren ablesen. 1960 gab es noch 909 Schüler, am Ende des Jahrzehnts waren es noch 381. Und die wenigsten davon wurden für den klassischen Bergbau ausgebildet. „Die überwiegende Mehrheit entschied sich für Elektrotechnik oder Maschinenbau“, so Kretschmann. Wenig später hat die THGA ihr Portfolio erweitert. Aus der „Ingenieurschule für Bergwesen“ wurde die „Fachhochschule Bergbau“ und später die THGA. Anfang der 90er-Jahre wurde die Gewinnung von Steine- und Erdenrohstoffen in den Fokus der Bergbauaktivitäten gestellt.

60 % der Studierenden sind die ersten Akademiker in der Familie – nicht wenige Väter oder Großväter haben unter Tage gearbeitet. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass das Studium auch berufsbegleitend absolviert werden kann. Mehr als die Hälfte entscheidet sich mittlerweile für dieses Modell, vor zwei Jahrzehnten waren es noch rund 20 %.

Integration nach innen und außen – der Europa-Ingenieur

Der Bergbau hatte immer schon eine enorme Anziehungskraft, was auch dazu führte, dass Ende des 19. Jahrhunderts Hunderttausende aus allen Teilen Deutschlands und Europas ins Ruhrgebiet kamen. 6 % der Studierenden sind Flüchtlinge, 40 % haben Vorfahren, die nicht in Deutschland geboren sind. „Diese enorme Integrationsleistung ist auch heute noch eine Verpflichtung für uns“, so Kretschmann.

Gerade in Zeiten, in denen der Nationalismus in Europa auf dem Vormarsch ist, wolle man sich bewusst international aufstellen. „Erfolgreiche Ingenieure brauchen in Zukunft gute Fremdsprachenkenntnisse, sie müssen noch stärker interkulturell geschult werden“, so Kretschmann.

Schon vor zehn Jahren hatte die THGA sämtliche Diplom-Studiengänge auf ein gestuftes Bachelor- und Masterangebot umgestellt. Sie folgte der bundesweiten Entwicklung im Rahmen des europäischen Bologna-Prozesses. Mittlerweile können Masterabsolventen den „Europa-Ingenieur“ (EUR ING) absolvieren, wenn sie einem Ingenieurverband angehören, der im Deutschen Verband Technisch-Wissenschaftlicher Vereine (DVT) organisiert ist.

Ein weiterer Hinweis darauf, dass der Blick nach vorne mindestens genauso wichtig ist wie der Blick in den Rückspiegel.

 

Dieser Artikel erschien im Magazin Ingenieurkarriere, einer Sonderpublikation der VDI nachrichten. Laden Sie sich das komplette Magazin kostenfrei herunter.

Ein Beitrag von:

  • Holger Pauler

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