Halbzeitbilanz zum Chancen-Aufenthaltsrecht 08.04.2025, 16:30 Uhr

Arbeitskräftemangel: Mehrzahl der Migranten möchte arbeiten und bleiben

Eine aktuelle Studie zeigt, dass Anreize zur Integration, wie adäquate Deutschkenntnisse und Zugang zum Arbeitsmarkt, von Migranten gern angenommen werden. Vor allem, wenn damit die Chance auf ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht verbunden ist.

Blick von oben auf eine Gruppe Menschen, die um einen Tisch herumstehen, mit Papieren und Laptop darauf und diskutieren über Aufgaben und Ergebnisse.

Das Chancen-Aufenhaltsrecht ist ein Instrument, um Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren und ihnen so eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu ermöglichen.

Foto: panthermedia.net / TarasMalyarevich

Ende 2022 wurde das Chancen-Aufenthaltsrecht eingeführt. Ein sperriges Wort. Was verbirgt sich genau dahinter? Es gibt Menschen, die in Deutschland ununterbrochen geduldet sind oder mit einer Aufenthaltserlaubnis hier leben. Ab einem Zeitraum von mindestens fünf Jahren erhalten sie mit diesem Chancen-Aufenthaltsrecht die Möglichkeit auf eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. Dafür müssen sie über 18 Monaten praktisch einen „Aufenthalt auf Probe“ nachweisen. Dazu gehört: sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu bekennen, ausreichend Deutschkenntnisse zu erwerben, sich durch einen Job selbstständig um die Sicherung des Lebensunterhaltes zu kümmern und die eigene Identität zu klären. Zentrales Element ist vor allem, Migranten in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

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Das Forschungszentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) hat nun eine erste Zwischenbilanz gezogen und die Ergebnisse in der Kurzanalyse „Zwischen Duldung und Bleiberecht“ vorgestellt. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie viele der potenziell Berechtigten das Angebot bereits genutzt haben und welche Effekte die Regelung bisher zeigt. Das Chancen-Aufenthaltsrecht, das noch bis Ende 2025 gilt, soll Anreize für Integration und Identitätsklärung schaffen und die Zahl der Langzeitgeduldeten verringern.

Chancen-Aufenthaltsrecht entfaltet Wirkung: Anreiz zur Identitätsklärung

Die Ergebnisse der Kurzanalyse deuten auf ein großes Interesse am Chancen-Aufenthaltsrecht hin. Mehr als die Hälfte der rund 137.000 potenziell Berechtigten, die sich zum 31. Oktober 2022 seit mindestens fünf Jahren mit einer Duldung in Deutschland aufhielten, haben die neue Regelung in den ersten eineinhalb Jahren in Anspruch genommen. Insgesamt profitierten bisher etwa 76.000 Menschen vom „Aufenthalt auf Probe“. Bemerkenswert ist, dass Geschlecht, Alter, Familienstand und Herkunftsland keinen signifikanten Einfluss auf den Zugang zum Chancen-Aufenthaltsrecht zu haben scheinen. Dies lässt darauf schließen, dass bei der Erteilung keine strukturellen Hindernisse für bestimmte Personengruppen bestehen.

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Auffallend ist, dass das Chancen-Aufenthaltsrecht überproportional häufig von Personen mit einer Duldung aufgrund ungeklärter Identität (nach § 60b AufenthG) genutzt wird. Parallel stellten die Forschenden fest, dass mehr Identitäten von Geduldeten geklärt werden konnten, die sich um das Chancen-Aufenthaltsrecht bewarben. Viele Geduldete scheuen aus Furcht vor einer Abschiebung die aktive Beschaffung dieser Dokumente, was zu einer aufenthaltsrechtlich unsicheren Situation führt. Das Chancen-Aufenthaltsrecht ermöglicht es, die Identität aus einem vorübergehenden rechtmäßigen Status heraus zu klären und schafft somit Anreize für diesen wichtigen Schritt.

Eine Brücke in den rechtmäßigen Aufenthalt – das Chancen-Aufenthaltsrecht

Ein weiteres Ergebnis der Analyse: Das Chancen-Aufenthaltsrecht erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Langzeitgeduldete zumindest einen befristeten Aufenthaltstitel erhalten. Ob das Chancen-Aufenthaltsrecht auch langfristig zu einer Verstetigung des Aufenthalts beiträgt, lässt sich anhand der bisherigen Daten noch nicht abschließend beurteilen. Bisher wechselten 15 Prozent der Personen mit Chancen-Aufenthalt in einen anderen Aufenthaltstitel, während 2,5 Prozent wieder in die Duldung zurückfielen. Belastbare Erkenntnisse über die langfristigen Auswirkungen werden frühestens nach Ablauf der Regelung Ende 2025 erwartet.

„Das Chancen-Aufenthaltsrecht fungiert als Brücke in einen rechtmäßigen Aufenthalt für gut integrierte Geduldete“, bilanziert Anne-Kathrin Carwehl, wissenschaftliche Mitarbeiterin am BAMF-FZ, die mit Laura Peitz zusammen maßgeblich an der Studie gearbeitet hat. Es stellt ein in Deutschland bisher einzigartiges Instrument dar, um die Zahl der Langzeitgeduldeten zu verringern. Erfüllen die Betroffenen die Voraussetzungen nicht, fallen sie nach Ablauf des Chancen-Aufenthalts zurück in die Duldung. Angesichts der Bedeutung dieser Regelung und des bisherigen Mangels an empirischen Erkenntnissen dazu sind die Ergebnisse der BAMF-Kurzanalyse von besonderer Relevanz für die Gestaltung zukünftiger migrationspolitischer Maßnahmen und den weiteren Umgang mit langjährig geduldeten Personen.

Erkenntnisse aus dem Ausländerzentralregister für das Chancen-Aufenthaltsrecht

Die Datengrundlage der Kurzanalyse bilden anonymisierte Auszüge aus dem Ausländerzentralregister (AZR), einem behördlichen Register, das aufenthalts- und asylrechtlich relevante Informationen von ausländischen Staatsangehörigen mit einem Aufenthalt von mehr als drei Monaten in Deutschland erfasst. Dazu gehören Informationen aller Personen, denen bis zum 9. September 2024 ein Chancen-Aufenthalt gewährt wurde, sowie derjenigen Geduldeten, die am 31. Oktober 2022 mindestens vier Jahre in Deutschland waren. Letztere dienen teilweise als Vergleichsgruppe, da sie die Voraussetzungen für das Chancen-Aufenthaltsrecht aufgrund einer zu kurzen Aufenthaltsdauer nicht erfüllen.

Ein Beitrag von:

  • Nina Draese

    Nina Draese hat unter anderem für die dpa gearbeitet, die Presseabteilung von BMW, für die Autozeitung und den MAV-Verlag. Sie ist selbstständige Journalistin und gehört zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Automobil, Energie, Klima, KI, Technik, Umwelt.

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