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01.07.2017, 00:00 Uhr

Gehörbelastungen beim Cabrio Fahren

Zusammenfassung Nach verschiedenen Studien können sich im offenen Cabriolet verhältnismäßig hohe Lärmbelastungen mit Schalldruckpegeln im Bereich von 90 dB(A) und mehr ergeben. Deshalb warnen Ärzte, Krankenkassen und Hörgeräteakustiker vielfach vor der Gehörgefährdung bei längeren Fahrten mit hohen Geschwindigkeiten. Die angegebenen hohen Pegelwerte waren Anlass, die vorliegenden Studien zur Lärmbelastung im Cabrio etwas genauer zu betrachten und die Ergebnisse durch eigene Messungen zu ergänzen. Damit ließ sich zeigen, dass die tatsächlichen Gehörbelastungen im Cabriolet deutlich niedriger ausfallen als vielfach angegeben. Der in der Regel als Grenze für die Gehörgefährdung angenommene Schalldruckpegel von 85 dB(A) wird in den untersuchten Cabriolets bei versenkten Seitenscheiben erst bei Geschwindigkeiten von ca. 120 km/h erreicht. Bei hochgefahrenen Seitenscheiben fällt die Geräuschbelastung um ca. 3 bis 8 dB(A) niedriger aus. Nach eigenen Ergebnissen besteht für Fahrer der betrachteten Cabriolets bei üblichen Geschwindigkeiten keine Gefahr einer Gehörschädigung.

Bild 1 Messobjekt Porsche 911 Cabriolet, Baujahr 1986. Quelle: IFA

Bild 1 Messobjekt Porsche 911 Cabriolet, Baujahr 1986.

Foto: IFA

Bei den ersten Sonnenstrahlen genießen jedes Jahr wieder zahlreiche Cabrio-Fahrer das Gefühl von Freiheit und Fahrtwind mit offenem Verdeck. Ärzte, Krankenkassen und Hörgeräteakustiker warnen jedoch vor der damit für die Insassen verbundenen Lärmbelastung und vor möglichen Gehörschäden. Vielfach werden Schalldruckpegel von mehr als 90 dB(A) genannt. Die angegebenen verhältnismäßig hohen Pegelwerte waren Anlass, die vorliegenden Studien zur Lärmbelastung im Cabrio genauer zu betrachten und die Ergebnisse durch eigene Messungen zu ergänzen.

Meldungen im Internet

Bei Recherchen im Internet erhält man z. B. bei Eingabe der Begriffe „Cabrio“ und „Gehör“ folgende Informationen:

  •  „Neue Studie beweist: Cabrio fahren schädigt das Gehör“,
  •  „Die Forscher sind sicher, dass häufiges Fahren mit offenem Verdeck zu einer dauerhaften Schädigung des Gehörs führt“,
  •  „Schon 80 km/h sind gesundheitsschädlich“,
  •  „Wer ohne Gehörschutz unterwegs ist, kann ganz unerwartet von Hörschäden überrascht werden.“

Dabei werden unvorstellbar hohe Pegel genannt:

  •  „Ein herrliches Gefühl, aber wussten Sie, dass bei Geschwindigkeiten um die 120 km/h Ihre Ohren schon durchschnittlich 100 Dezibel ausgesetzt sind.“
  •  „Wer schneller als 120 km/h fährt, ist in etwa dem gleichen Lärm ausgesetzt, den eine Polizeisirene in einem Meter Entfernung verursacht.“
  •  „Geschwindigkeiten von 80 bis 112 km/h setzen die Ohren einem Lärmpegel aus, der fallweise jenem eines Presslufthammers nahekommt.“

Viele der angesprochenen Meldungen im Internet beziehen sich auf die von Philip Michael et al. in Großbritannien durchgeführte Studie [1], andere verweisen auf eine US-amerikanische Studie von Anthony A. Mikulec et al. [2].

Ergebnisse aus vorliegenden Studien

Studie von P. Michael et al.

Philip Michael und sein Team erfassten die Geräuschbelastungen in sieben unterschiedlichen Cabriolets jeweils außerhalb der Stoßzeiten auf einem bestimmten Autobahnabschnitt. Dabei kamen folgende Fahrzeuge in serienmäßigem Zustand zum Einsatz: Audi A4, Porsche 911, Aston Martin V8 Vantage, Morgan Roadster, Bentley Continental GT, Toyota MR2 und Mazda MX5. Alle Fahrzeuge wurden mit offenem Dach, offenen Seitenfenstern und ohne Windschott bei den Geschwindigkeiten von 50, 60 und 70 mph (entsprechend 80, 96 und 112 km/h) gemessen. Zusätzlich wurden die Schalldruckpegel bei 70 mph bzw. 112 km/h auch mit hochgefahrenen Fenstern und offenem Dach erfasst.

Die Geräuschbelastungen wurden jeweils mit einem integrierenden Schallpegelmesser der Klasse 2 (Cirrus CR 262) am rechten Ohr des Fahrers (der Straße zugewandtes Ohr – GB!) als A-bewerteter äquivalenter Dauerschallpegel LAeq über die Dauer von einer Minute aufgenommen. Das Mikrofon war mit einem Windschirm versehen. Jede Messung wurde dreimal durchgeführt und dann gemittelt.

Unter den gegebenen Messbedingungen (sieben Fahrzeuge, drei Geschwindigkeiten) wurden äquivalente Dauerschallpegel LAeq von 82 bis 92 dB gemessen. Unterschiede ergaben sich vor allem aus der Anzahl der in dem entsprechenden Messabschnitt passierten Fahrzeuge. Der Fahrzeugtyp hatte dagegen nur einen geringen Einfluss auf die Ergebnisse, d. h. im kleinen japanischen Mazda MX5 ergaben sich nahezu dieselben Geräusch­pegel wie im großen britischen Bentley Continental GT. Die Mittelung der für alle Fahrzeuge mit heruntergefahrenen Fenstern gewonnenen Messwerte ergab äquivalente Dauerschall­pegel LAeq von 87,4 dB (bei 80 km/), 87,8 dB (bei 96 km/h) und 89,1 dB (bei 112 km/h). Mit hochgefahrenen Fenstern wurde bei der Geschwindigkeit von 112 km/h im Mittel eine Pegelminderung von etwa 5 dB gemessen. Auf der Grundlage der gewonnenen Ergebnisse wird gefolgert, dass für die Passagiere im Cabrio zumindest bei Fahrten mit heruntergefahrenen Fenstern und längerer Dauer die Gefahr einer Gehörschädigung besteht.

Studie von Mikulec et al.

Im Rahmen der von Mikulec et al. [2] durchgeführten Unter­suchung wurden fünf Cabriolets – Saturn Sky Turbo (Baujahr 2009), Nissan 350 Z (Baujahr 2004), Porsche 911 (Baujahr 2001), Saab Aero (Baujahr 2005) und Ford Mustang (Baujahr 2005) auf dem Highway bei Geschwindigkeiten von 89 km/h (55 mph), 105 km/h (65 mph) und 121km/h (75 mph) gemessen. Alle Fahrzeuge wurden sowohl mit geschlossenem Dach als auch offen mit heruntergefahrenen Fenstern untersucht.

Die Geräuschbelastung wurde mit einem Schallpegelmesser der Klasse 2 (Quest 210) am linken Ohr des Fahrers gemessen. Zum Einsatz eines Windschirms wurden keine Angaben gemacht. Dabei wurden in Takten von 3 s jeweils die Maximal­pegel erfasst und über acht bis zehn Takte gemittelt – ent­sprechend einer Messdauer von 24 bis 30 s. Leider gibt es in der Publikation keinen Hinweis darauf, ob es sich um A-bewertete Pegel handelt und in welcher Zeitbewertung („Fast“ oder „Slow“) der Maximalpegel bestimmt wurde und wie die Maximalpegel gemittelt wurden (energetisch oder arithmetisch). Man darf wohl davon ausgehen, dass hier die A-Bewertung eingesetzt wurde, weil die Ergebnisse für linear bewertete Pegel (Lin- oder Z-Bewertung) weit höher ausfallen müssten. Nach der gegebenen Beschreibung wurde als Messgröße jedenfalls nicht der für die Beurteilung der Gehörgefährdung maßgebende äquivalente Dauerschall­pegel LAeq bestimmt, sondern möglicherweise der mittlere Takt-Maximalpegel LAFTeq mit einer Taktzeit von 3 s. Die so ermittelten Ergebnisse müssen bei schwankenden Geräuschbelastungen immer höher ausfallen als die entsprechenden äquivalenten Dauerschall­pegel. Basierend auf den eigenen Messungen ergibt sich zwischen den beiden Messgrößen LAeq und LAFTeq eine Differenz von ca. 2 bis 3 dB (je nach Pegelschwankung).

Die in der Tabelle für die offenen Cabriolets mit versenkten Seitenfenstern zusammengestellten Messergebnisse sollten damit also um ca. 2 bis 3 dB(A) zu hoch ausfallen.

Von Mikulec et al. [2] für fünf Cabriolets bei offenem Dach und versenkten Seitenfenstern gemessene mittlere Takt-Maximalpegel mit einer Taktzeit von 3 s. Quelle: IFA

Von Mikulec et al. [2] für fünf Cabriolets bei offenem Dach und versenkten Seitenfenstern gemessene mittlere Takt-Maximalpegel mit einer Taktzeit von 3 s.

Foto: IFA

Andererseits kann man annehmen, dass die Verkehrsdichte weit geringer war als auf den meisten deutschen Autobahnen und die Ergebnisse dadurch weniger durch die Geräusche von überholenden schnelleren Fahrzeugen beeinflusst wurden.

Interessanterweise zeigen sich bei den Messungen von Mikulec et al. [2] im Gegensatz zu den Messungen von Michael et al. [1] wesentlich größere Unterschiede zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen. So werden bei der Geschwindigkeit von 121 km/h für den Saab, den Ford Mustang und den Porsche Schalldruckpegel von rund 85 dB(A) gemessen, während die Messwerte für den Nissan mit ca. 95 dB(A) und für den Saturn Sky mit ca. 99 dB deutlich höher ausfallen. Der höchste Wert ergibt sich für den Saturn Sky, der in Europa mit einigen Modifikationen als Opel Speedster angeboten wurde. Der mit einer relativ kurzen Messdauer aufgenommene mittlere Maximalpegel von 99 dB(A) wurde offenbar in vielen Beiträgen zum Lärm im Cabrio übernommen, um damit vor der Gehörgefährdung im Cabrio zu warnen.

Die für die fünf Fahrzeuge gewonnenen Ergebnisse werden von Mikulec et al. [2] gemittelt, sodass sich für die Geschwindigkeiten von 89 km/h, 105 km/h und 121 km/h Lärmbelastungen von 85,3 dB(A), 88,4 dB(A) und 89,9 dB(A) ergeben. Ohne die großen fahrzeugspezifischen Unterschiede von bis zu 14 dB zu berücksichtigen, wird gefolgert, dass die Fahrer von Cabriolets einem erhöhten Gehörschadensrisiko ausgesetzt sind und bei Geschwindigkeiten ab 85 km/h nur mit geschlossenem Dach oder mit Gehörschutz fahren sollten.

Eigene Untersuchung

Für die eigenen Lärmmessungen standen ein älteres Porsche-Cabriolet (911, Baujahr 1986, ca. 230 PS, siehe Bild 1) und ein modernes viersitziges Cabriolet von Opel (Cascada, Baujahr 2017, 200 PS, siehe Bild 2) zur Verfügung.

Bild 1 Messobjekt Porsche 911 Cabriolet, Baujahr 1986. Quelle: IFA

Bild 1 Messobjekt Porsche 911 Cabriolet, Baujahr 1986.

Foto: IFA

 

Bild 2 Messobjekt Opel Cascada, Baujahr 2017. Quelle: IFA

Bild 2 Messobjekt Opel Cascada, Baujahr 2017.

Foto: IFA

Bei dem Porsche handelt es sich um ein klassisches Cabriolet mit relativ steiler Windschutzscheibe, das einen freien Blick nach oben ermöglicht. Das Verdeck liegt im geöffneten Zustand auf der Karosserie auf. Der Opel weist dagegen die heute vielfach übliche Bauform mit einer relativ flachen, weit über den Innenraum gezogenen Frontscheibe auf. Das Verdeck verschwindet beim Öffnen im Kofferraum.

Um die Geräuschbelastung parallel an beiden Ohren zu er­fassen, wurden zwei Präzisions-Schallpegelmesser entsprechend der Klasse 1 nach DIN EN 61672-1 [3] eingesetzt (Norsonic, Typ 140), die auch jeweils das Frequenzspektrum und den Schalldruckpegel über der Zeit aufzeichneten (Auflösung: 50 ms). Die Mikrofone wurden mithilfe eines Gurtsystems in ca. 10 cm Abstand zu den Ohren befestigt, wie es Bild 3 zeigt.

Bild 3 Gurtsystem zur Befestigung von zwei Mikrofonen am Kopf des Fahrers (mit Lederhaube). Quelle: IFA

Bild 3 Gurtsystem zur Befestigung von zwei Mikrofonen am Kopf des Fahrers (mit Lederhaube).

Foto: IFA

Um Fehler durch Windeinflüsse zu vermeiden, wurden die Mikrofone jeweils mit Windschirmen von ca. 8 cm Durchmesser versehen. Die Schallpegelmesser waren jeweils durch die Schallpegelmesser-Prüfstelle des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) geprüft worden und wurden vor und nach jeder Messreihe kalibriert.

Die Geräuschmessungen wurden vorwiegend auf einer Autobahn im Raum Siebengebirge und Westerwald bei Geschwindigkeiten von 60, 80, 100, 120, 140 und 160 km/h durchgeführt (Geschwindigkeitsmessung über GPS). Da hier in der Regel eine relativ hohe Verkehrsdichte herrschte, wurde man bei Geschwindigkeiten unter 100 km/h ständig überholt. Dabei wirkten sich insbesondere die Überholvorgänge durch Lastkraft­wagen (vor allem Reifengeräusche) pegelerhöhend auf das Messergebnis aus. Bei höheren Geschwindigkeiten ergaben sich zusätzliche Geräuscheinwirkungen durch die überholten Fahr­zeuge. Die Geräuschbelastung wurde jeweils mindestens zweimal über die Dauer von ca. 60 s als A-bewerteter äquivalenter Dauerschallpegel LAeq erfasst. Im mittleren Geschwindigkeits­bereich von 80 bis 120 km/h wurden jeweils vier Messungen über 60 s durchgeführt.

Beide Fahrzeuge wurden mit offenem Dach und ohne Windschott sowohl mit herunter- als auch mit hochgefahrenen Seitenscheiben untersucht. Für den Porsche wurden zusätzlich einige Messungen mit Windschott sowie im geschlossenen Zustand durchgeführt.

Bei heruntergefahrenen Seitenscheiben macht sich die Geräuscheinwirkung vom benachbarten Straßenverkehr (z. B. Reifengeräusche der Lkw) in stärkerem Maße bemerkbar. Dabei ergeben sich jeweils am linken, d. h. der Straße zugewandten Ohr, um ca. 3 bis 4 dB(A) höhere Pegel als am rechten Ohr. Werden die Seitenscheiben hochgefahren, fällt die linksseitige Belastung nur noch ca. 1 dB(A) höher aus als am rechten Ohr. Da offenbar für das linke Ohr eine etwas größere Gefährdung besteht, werden hier nur die Ergebnisse für dieses Ohr dargestellt.

Bild 4 zeigt die bei einer Autobahnfahrt im offenen Opel (Fenster unten) am linken Ohr bei Geschwindigkeiten von 80 und 120 km/h über der Zeit aufgezeichneten A-bewerteten Pegel (LAF im 50-ms-Raster).

Bild 4 Pegelschriebe für offenen Opel Cascada (Fenster unten) bei Autobahnfahrt mit den Geschwindigkeiten von 80 und 120 km/h (jeweils am linken Ohr gemessen). Quelle: IFA

Bild 4 Pegelschriebe für offenen Opel Cascada (Fenster unten) bei Autobahnfahrt mit den Geschwindigkeiten von 80 und 120 km/h (jeweils am linken Ohr gemessen).

Foto: IFA

Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde jeweils beispielhaft ein Abschnitt von 30 s Dauer ausgewählt. Bei der Geschwindigkeit von 80 km/h liegt das vom eigenen Fahrzeug verursachte Geräusch (Grundgeräusch, vor allem durch Luftturbulenzen) beim Opel deutlich unter 80 dB(A) (siehe Anfang des Pegelschriebs). Andere Fahrzeuge erzeugen in der Vorbeifahrt Pegel von 85 dB(A) und mehr, sodass sich bei längerer Messdauer ein Mittelwert LAeq von rund 83 dB(A) ergibt. Bei der Geschwindigkeit von 120 km/h liegt das Grundgeräusch im Opel Cascada bei rund 82 dB(A). Durch die Geräusche der anderen Fahrzeuge mit Pegeln von 88 bis 90 dB(A) ergibt sich ein Mittelwert LAeq von rund 85 dB(A).

Die für die beiden untersuchten Cabriolets am linken Ohr ermittelten äquivalenten Dauerschallpegel LAeq sind in Bild 5 in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit zusammengestellt.

Bild 5 Ermittelte Geräuschbelastungen (linkes Ohr) für die beiden untersuchten offenen Cabriolets (Porsche 911, Bj. 1986 und Opel Cascada, Bj. 2017) jeweils mit heruntergefahrenen und hoch­gefahrenen Seitenscheiben. Quelle: IFA

Bild 5 Ermittelte Geräuschbelastungen (linkes Ohr) für die beiden untersuchten offenen Cabriolets (Porsche 911, Bj. 1986 und Opel Cascada, Bj. 2017) jeweils mit heruntergefahrenen und hoch­gefahrenen Seitenscheiben.

Foto: IFA

Die Kurven lassen jeweils einen Anstieg des Pegels mit der Geschwindigkeit erkennen. Insbesondere die Ergebnisse im unteren Geschwindigkeitsbereich bis etwa 100 km/h hängen in starkem Maße von der Verkehrsdichte ab. Die über die Messdauer von ca. 1 min ermittelten Werte konnten hier um bis zu 3 dB(A) differieren. Bei höheren Geschwindigkeiten nimmt die Belastung durch die vom eigenen Fahrzeug erzeugten Windgeräusche zu, sodass die Verkehrsdichte einen geringeren Einfluss hat. Die Motorgeräusche sind bei den lauten Windgeräuschen im oberen Geschwindigkeitsbereich kaum noch hörbar und haben keinen Einfluss auf das Messergebnis.

Mit heruntergefahrenen Seitenscheiben liegen die beiden untersuchten Fahrzeuge nahezu auf demselben Niveau. Der vielfach als Grenze für die Gehörgefährdung angesetzte Wert von 85 dB(A) wird bei Geschwindigkeiten von ca. 120 km/h erreicht. Durch ein Hochfahren der Seitenscheiben lässt sich die Geräuschbelastung jedoch reduzieren, da damit die Geräusche der anderen Fahrzeuge abgeschirmt und die Turbulenzen am seit­lichen Rahmen der Frontscheibe vermieden werden. Für den Opel ist diese Maßnahme besonders wirksam, möglicherweise aufgrund der stark geneigten Scheibe, die erst kurz vor dem Kopf des Fahrers endet. Der Fahrer wird so sehr effektiv vor Wind und Turbulenzen geschützt. Im Geschwindigkeitsbereich von 100 bis 120 km/h lässt sich beim Opel durch ein Hochfahren der Scheiben eine Pegelminderung von ca. 7 bis 8 dB(A) erreichen, sodass die Geräuschbelastung deutlich unter 80 dB(A) bleibt. Beim Porsche bewirkt das Hochfahren der Scheiben eine Pegelminderung von ca. 3 dB(A). Dadurch reduziert sich die Geräuschbelastung im Geschwindigkeitsbereich bis 120 km/h auf Pegel unter 85 dB(A). Durch ein Windschott lassen sich im Porsche zwar die Turbulenzen wesentlich reduzieren, auf die Geräuschbelastung hat dies jedoch keinen nennenswerten Einfluss.

Auf Landstraßen kann man jeweils mit etwas niedrigeren Geräuschbelastungen rechnen als in Bild 5 dargestellt, weil die Geräuscheinwirkung durch andere Fahrzeuge aufgrund weniger Überholvorgänge niedriger ausfällt als auf einer stark befahrenen Autobahn. Stichprobenmessungen mit dem Porsche er­gaben im Geschwindigkeitsbereich bis 100 km/h um ca. 2 dB(A) niedrigere Pegel. Bei Landstraßenfahrten im Geschwindigkeitsbereich bis ca. 90 km/h wurden mit heruntergefahrenen Scheiben Pegel von ca. 79 bis 80 dB(A) und bei hochgefahrenen Scheiben Pegel von 75 bis 76 dB(A) gemessen. Für die Fahrt mit geschlossenem Dach sollten sich bei allen Cabrios deutlich niedrigere Pegel ergeben. Selbst im rund 30 Jahre alten Porsche wird der Schalldruckpegel von 85 dB(A) erst bei Geschwindig­keiten oberhalb von 180 km/h erreicht.

Die Geräuschbelastung durch die Luftturbulenzen im Cabrio ist jeweils ausgesprochen tieffrequent. Die vielfach zur Beschreibung der Frequenzcharakteristik gebildete Differenz zwischen dem C-bewerteten Pegel und dem A-bewerteten Pegel ergibt hier Werte zwischen 15 und 20 dB. Bild 6 zeigt die im Porsche bei der Geschwindigkeit von 120 km/h aufgenommenen Terzband-Geräuschspektren für das geschlossene Fahrzeug (grün) sowie für die Fahrt mit offenen Verdeck bei hochgefahrenen Fenstern (blau) und heruntergefahrenen Fenstern (rot).

Bild 6 Terzband-Frequenzspektrum für Porsche 911 Cabrio (Baujahr 1986) bei geschlossenem Dach und bei offenem Dach mit hochgefahrenen sowie versenkten Seitenscheiben (Geschwindigkeit: 120 km/h). Quelle: IFA

Bild 6 Terzband-Frequenzspektrum für Porsche 911 Cabrio (Baujahr 1986) bei geschlossenem Dach und bei offenem Dach mit hochgefahrenen sowie versenkten Seitenscheiben (Geschwindigkeit: 120 km/h).

Foto: IFA

Die höchsten Terzbandpegel liegen bei Frequenzen unterhalb von 100 Hz. Durch das Öffnen des Dachs und der Seitenfenster ergibt sich vor allem bei Frequenzen oberhalb von ca. 200 Hz ein deutlicher Pegelanstieg.

Vergleich der Ergebnisse der verschiedenen Studien

Der Vergleich der eigenen Messergebnisse mit den Ergebnissen von Michael et al. [1] und Mikulec et al. [2] kann sich auf den in diesen Studien betrachteten Geschwindigkeitsbereich von 80 bis 120 km/h beschränken. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden dazu die eigenen Ergebnisse für die beiden untersuchten Fahrzeuge gemittelt. Die Messwerte bei heruntergefahrenen Seitenscheiben liegen ohnehin relativ dicht zusammen und er­geben für diese Geschwindigkeiten Mittelwerte von 82,5 bis 85,5 dB(A). Bei hochgefahrenen Scheiben wurden zwischen den beiden Fahrzeugen etwas größere Unterschiede von bis zu 5 dB(A) festgestellt. Bei Mittelung ergeben sich für den Geschwindigkeitsbereich von 80 bis 120 km/h Schalldruckpegel von 78,0 bis 80,6 dB(A).

In Bild 7 sind die eigenen Messergebnisse den Ergebnissen von Michael et al. [1] und von Mikulec et al. [2] gegenübergestellt.

Bild 7 Gegenüberstellung der Ergebnisse zur Geräuschexposition im Cabrio aus eigenen Messungen (sowohl mit versenkten als auch hochgefahrenen Seitenscheiben) sowie aus den Studien von Michael et al. [1] und Mikulec et al. [2] (jeweils mit versenkten Seitenscheiben, Werte z. T. interpoliert). Quelle: IFA

Bild 7 Gegenüberstellung der Ergebnisse zur Geräuschexposition im Cabrio aus eigenen Messungen (sowohl mit versenkten als auch hochgefahrenen Seitenscheiben) sowie aus den Studien von Michael et al. [1] und Mikulec et al. [2] (jeweils mit versenkten Seitenscheiben, Werte z. T. interpoliert).

Foto: IFA

Da Michael et al. bei Geschwindigkeiten von 80, 96 und 112 km/h und Mikulec et al. bei 89, 105 und 121 km/h gemessen haben, wurden deren Ergebnisse zur Anpassung an die Skalierung der Geschwindigkeitsachse interpoliert.

Von Michael et al. [1] werden für die sieben untersuchten Cabriolets mit heruntergefahrenen Seitenscheiben Mittelwerte von 87,4 bis 89,1 dB(A) angegeben, die damit rund 4 bis 5 dB(A) über den eigenen Messwerten liegen. Gewisse Abweichungen können sich aus der Konstruktion des Cabrios, der Verkehrsdichte, der Art der anderen Fahrzeuge auf der Straße und aus Schallreflexionen an Gebäuden, in Unterführungen oder unter Brücken ergeben. Von Einfluss auf das Ergebnis ist evtl. auch der eingesetzte Schallpegelmesser, der Windschirm sowie die Positionierung, Fixierung und Ausrichtung des Mikrofons. Dies alles kann aber die festgestellten großen Abweichungen zu den eigenen Messwerten kaum erklären. Allein die für die relativ geringe Geschwindigkeit von 80 km/h ermittelte, unverhältnismäßig hohe Geräuschbelastung von 87,4 dB(A) gibt Anlass, an den von Michael et al. gewonnenen Ergebnissen zu zweifeln.

Bei den von Mikulec et al. [2] an fünf Fahrzeugen jeweils mit heruntergefahrenen Seitenscheiben durchgeführten Messungen fallen zwei Fahrzeuge mit deutlich höheren Pegeln aus dem Rahmen, der Saturn Sky und der Nissan 350Z (siehe Tabelle). Deshalb ist es sinnvoll, abweichend von der in dem Bericht durchgeführten Auswertung, die Ergebnisse für diese Fahrzeuge als eine eigene Gruppe „laute Cabrios“ separat zu betrachten. Für diese beiden Fahrzeuge ergeben sich bei den Geschwindigkeiten von 89, 105, und 121 km/h Mittelwerte von 89,6 dB(A), 93,6 dB(A) und 97,0 dB(A) (siehe Bild 7). Die von Mikulec et al. im Porsche, Saab und Ford Mustang gemessenen Schalldruckpegel liegen dagegen auf einem deutlich niedrigeren Niveau und sollen hier als Fahrzeuggruppe „normale Cabrios“ betrachtet werden. Für diese Fahr­zeuge errechnen sich bei den Geschwindigkeiten von 89, 105, und 121 km/h mittlere Schalldruckpegel von 82,6 dB(A), 84,9 dB(A) und 85,1 dB(A). Diese Werte stimmen erstaunlicherweise auf ca. 0,5 dB(A) mit den eigenen Ergebnissen für die Fahrt mit abgesenkten Scheiben überein. Für die beiden untersuchten „lauten Cabrios“ ergeben sich im Vergleich dazu bei Mittelung um bis zu ca. 12 dB(A) höhere Pegel.

Aufgrund der in der Studie von Mikulec et al. gewählten Einstellung des Schallpegelmessers auf den mittleren Takt-Maximalpegel sollten die Messwerte eigentlich um jeweils 2 bis 3 dB(A) höher ausfallen als die eigenen Messwerte. Möglicherweise lag die Geräuschbelastung aufgrund der freien Straßen in den USA und der wenigen Überholvorgänge aber tatsächlich entsprechend niedriger als bei den Messungen auf deutschen Autobahnen mit hoher Verkehrsdichte. Wie bereits anhand der Pegelschriebe (Bild 4) erläutert, hat die Verkehrsdichte einen wesentlichen Einfluss auf die Geräuschbelastung. Bei einer relativ ruhigen Verkehrssituation können sich deshalb bei der gewählten Einstellung des Schallpegelmessers auf Takt-Maximalpegel LAFTm,3s vermutlich nahezu die gleichen Messwerte ergeben wie bei Ermittlung des äquivalenten Dauerschallpegels LAeq auf vielbefahrenen deutschen Autobahnen.

Die eigenen Messergebnisse werden im Übrigen durch einige von Dr. Beat Hohmann von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) für ein Peugeot Cabriolet 207CC durchgeführte Messungen unterstützt. Dieses Fahrzeug weist wie der Opel eine stark geneigte Frontscheibe auf. Nach einem von Hohmann zur Verfügung gestellten Schallmessprotokoll wurden bei den Versuchsfahrten mit hochgefahrenen Seitenscheiben bei der Geschwindigkeit von 100 km/h im Vergleich zu den eigenen Messungen (Mittelwert) ein um 1,1 dB(A) niedrigerer Wert und bei 120 km/h ein um 1,4 dB(A) höherer Wert ermittelt. Bei abgesenkten Seitenscheiben ergab sich bei 100 km/h eine Übereinstimmung mit den eigenen Ergebnissen auf 0,1 dB(A) und bei 120 km/h mit einem Pegel von 90 dB(A) ein um 4,5 dB(A) höherer Wert. Die Abweichungen von den eigenen Messergebnissen lassen sich durch die unterschiedlichen Fahrzeugtypen und Straßenverhältnisse erklären. Hohmann weist zusätzlich darauf hin, dass sich in einem Tunnel durch die starken Schallreflexionen deutlich höhere Geräuschbelastungen ergeben können.

Beurteilung des Gehörschadensrisikos durch Lärm im Cabrio

Bei Lärmbelastungen mit hohen Schalldruckpegeln von 85 dB(A) und mehr kann es zu einer vorübergehenden Vertäubung des Gehörs kommen. Der Betroffene hat dabei das Gefühl, seine Ohren seien verstopft. Gönnt man dem Gehör danach eine Ruhepause, kann es sich jedoch wieder erholen. Falls das Gehör aber über viele Jahre nahezu täglich über Stunden mit Lärm belastet ist und keine ausreichende Zeit für eine Gehörerholung besteht, kann sich ein bleibender Gehörschaden ent­wickeln. Als Maß zur Beurteilung der Gehörgefährdung dient der Tages-Lärmexpositionspegel, der sich aus der über den ganzen Tag gemittelten Geräuschimmission bezogen auf die Zeitdauer von acht Stunden ergibt. Nach der Richtlinie VDI 2058-2 [4] besteht die Gefahr für die Entstehung eines Gehörschadens bei langjährigen Belastungen mit Lärmexpositionspegeln ab 85 dB(A). Das entspricht z. B. einer täglichen Lärmbelastung von 85 dB(A) über acht Stunden, einer Lärmbelastung von 88 dB(A) über vier Stunden oder einer Lärmbelastung von 91 dB(A) über zwei Stunden [5].

Nach den hier für die Fahrt im Cabrio gewonnenen Messergebnissen wird der Pegel von 85 dB(A) bei Fahrt mit heruntergelassenen Fenstern erst im Geschwindigkeitsbereich von 120 km/h erreicht. Da ein großer Teil der Cabrio-Fahrer die meiste Zeit mit hochgefahrenen Seitenfenstern unterwegs ist, kann man für sie mit ca. 3 bis 8 dB(A) niedrigeren Pegeln rechnen. Dann wird der Pegel von 85 dB(A) erst bei Geschwindigkeiten von rund 140 km/h erreicht. Eine für die Ohren kritische Belastung würde sich aber erst dann ergeben, wenn man sich jahrelang diesem Pegel an fünf Tagen in der Woche über jeweils acht Stunden aussetzt (Tagesdosis: 85 dB(A) x 8 Stunden).

Aufgrund eigener Beobachtungen sind die Fahrer von Cabrios auf der Autobahn mit offenem Verdeck in der Regel relativ langsam unterwegs, kaum schneller als 120 km/h. Bei höheren Geschwindigkeiten wird es einfach ungemütlich und man kann sich nicht mehr vernünftig unterhalten. Zudem wird man ohnehin häufiger durch Geschwindigkeitsbeschränkungen, Baustellen und die hohe Verkehrsdichte verlangsamt. Im Übrigen bevorzugen die meisten Cabrio-Fahrer ein entspanntes Fahren auf kleineren Sträßchen und in schöner Landschaft. Dabei liegt die Geschwindigkeit eher im Bereich bis etwa 80 km/h, sodass man von Geräuschbelastungen unterhalb von 80 dB(A) ausgehen kann. Wer bei günstigen Verkehrsbedingungen mit dem Cabrio ganz schnell ans Ziel kommen will, wird auf der Autobahn ohnehin das Verdeck schließen und ist dann etwa mit derselben Geräuschbelastung unterwegs wie in einem geschlossenen Pkw.

Nach den Ergebnissen von Mikulec et al. [2] ist jedoch nicht auszuschließen, dass sich bei einzelnen Cabriolets höhere Geräuschbelastungen für die Passagiere ergeben. So wurden in der entsprechenden Studie bei 120 km/h für zwei Fahrzeuge mittlere Takt-Maximalpegel von ca. 95 bzw. 99 dB(A) gemessen. Im Einzelfall kann es deshalb sinnvoll sein, die Geräuschbelastung durch eine einfache Lärmmessung, z. B. bei 100 und 120 km/h, zu überprüfen, falls ein Fahrer die Geräuschbelastung in seinem Cabriolet als sehr laut empfindet oder Probleme mit der Verständigung hat. Werden dabei tatsächlich die von Mikulec et al. angegebenen Pegel im Bereich von 95 dB(A) und mehr gemessen, empfiehlt es sich, den kritischen Geschwindigkeitsbereich zu meiden oder Gehörschutzstöpsel zu tragen. Die Hersteller der entsprechenden Fahrzeuge sollten sich dann Gedanken machen, was die Ursache für diese hohen Pegel ist (z. B. Resonanzen), und geeignete Maßnahmen zur Geräuschminderung entwickeln.

Schlussfolgerung

Die durchgeführte Untersuchung hat gezeigt, dass die tatsächlichen Gehörbelastungen im Cabriolet deutlich niedriger aus­fallen als vielfach angegeben. Der in der Regel als Grenze für die Gehörgefährdung genannte Schalldruckpegel von 85 dB(A) wird in den untersuchten Cabriolets selbst bei voll versenkten Seitenscheiben erst bei Geschwindigkeiten von ca. 120 km/h erreicht. Bei hochgefahrenen Seitenscheiben reduziert sich die Geräuschbelastung um ca. 3 bis 8 dB(A). Gestützt auf diese Ergebnisse, kann man davon ausgehen, dass für die Fahrer keine Gefahr einer Gehörschädigung besteht, wenn sie nicht täglich viele Stunden lang bei offenem Dach mit extrem hohen Geschwindigkeiten auf Autobahnen unterwegs sind.

 

 

 

Literatur

[1] Michael, P.; Opie, N.; Smith, M.: Noise exposure and convertible cars. Otolaryngol. Head Neck Surg. 143 (2010) Nr. 2, S. 219-222.

[2] Mikulec A. A.; Lukens, S. B.; Jackson, L. E.; Deyoung, M. N.: Noise exposure in convertible automobiles. J. Laryngol. Otol. 125 (2011) Nr. 2, S. 121-125.

[3] DIN EN 61672-1: Elektroakustik – Schallpegelmesser – Teil 1: Anforderungen. Berlin: Beuth Verlag 2013.

[4] VDI 2058 Blatt 2: Beurteilung von Lärm hinsichtlich Gehörgefährdung. Berlin: Beuth Verlag 1988, bzw. Entwurf Februar 2017.

[5] Maue, J. H.: 0 Dezibel + 0 Dezibel = 3 Dezibel – Einführung in die Grundbegriffe und die quantitative Erfassung des Lärms. 9. erw. Aufl. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2009.

 

 

Von Dr. Jürgen H. Maue

Dr. Jürgen H. Maue, ehemals Referatsleiter „Lärm“ im Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung – IFA, Sankt Augustin.