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Sanierung 18.03.2022, 17:58 Uhr

Textilbeton für den Mariendom in Neviges

Die Wallfahrtskirche „Maria, Königin des Friedens“ hat schon bei ihrer Fertigstellung Architekturgeschichte geschrieben. Nun wurde zur Abdichtung der zerklüfteten Dachkonstruktion ein neuartiges Instandsetzungskonzept mit Carbon-bewehrtem Spritzmörtel entwickelt, das es ermöglicht, die ursprüngliche Sichtbetonoptik zu erhalten.

Die fertiggestellten Betondachflächen an der obersten Pyramide des sogenannten Mariendoms in Neviges, die sich ca. 40 Meter über dem Altarbereich erhebt. Gut zu erkennen die eingearbeitete Schalbrettstrukturoberfläche. Foto: Rita Jacobs

Die fertiggestellten Betondachflächen an der obersten Pyramide des sogenannten Mariendoms in Neviges, die sich ca. 40 Meter über dem Altarbereich erhebt. Gut zu erkennen die eingearbeitete Schalbrettstrukturoberfläche.

Foto: Rita Jacobs

Das 1968 fertiggestellte Bauwerk gilt heute als eines der wichtigsten Beispiele für die Epoche des Brutalismus und als Hauptwerk des Pritzker-Preisträgers Prof. Gottfried Böhm, dessen Sohn nun für die Sanierung der Dachflächen zuständig ist. Schon bald nach der Fertigstellung traten erste Undichtigkeiten auf. Sowohl über Risse in den Kehlen der sich schneidenden Dachflächen, am Übergang von den Wand- zu den Dachflächen als auch über die Arbeitsfugen drang Wasser ins Innere der Kirche. Eine 1983 angebrachte Beschichtung auf Epoxidharz-Basis brachte nur vorübergehend Besserung.

Vor Beginn der Sanierung: Die 1968 fertiggestellte Wallfahrtskirche „Maria, Königin des Friedens“ in Neviges gilt heute als eines der wichtigsten Beispiele für die Epoche des Brutalismus und als Hauptwerk des Architekten und Pritzker-Preisträgers Prof. Gottfried Böhm.

Foto: Erzbistum Köln / Martin Struck

Daher wird nun ein neues, von Prof. Dipl.-Ing. Architekt Peter Böhm entwickeltes und in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen geprüftes Konzept zur Behebung der Undichtigkeiten realisiert. Vorgesehen ist die flächige Applikation einer mit zweilagigem Carbontextil bewehrten Spritzmörtelschicht von 28 mm, auf die eine zusätzliche äußere Mörteldeckschicht mit Hydrophobierung aufgetragen wird. Die gesamte Dicke des Schutzsystem-Aufbaus beträgt dann 35 mm.

Textilbewehrte Schutzschicht

Die textilbewehrte Schutzschicht soll Rissbewegungen aus dem Untergrund aufnehmen und zwar so, dass die in der Fläche vorhandenen und sich bewegenden Risse in der Spritzmörtelschicht in viele feine (daher nicht wasserdurchlässige und entsprechend unschädliche) Risse umgewandelt werden, durch die kein Wasser mehr in das Bauwerk eindringen kann. Laut gutachterlicher Stellungnahme des Aachener Ingenieurbüros Raupach Bruns Wolf GmbH zur „grundsätzlichen Eignung von Textilbeton für die Instandsetzung des Daches des Mariendoms auf Basis von Laborversuchen“ können so in der bewehrten Spritzmörtelschicht Rissbreiten von unter 0,1 Millimeter realisiert werden, die „aus technischer Sicht als wasserdicht“ betrachtet werden können.

Der Entwicklung dieses Konzeptes liegen Kenntnisse aus der Instandsetzung von zwei Dachbereichen des Aachener Domes sowie von Wasserbauwerken und allgemeine Erfahrungswerte über den Baustoff Textilbeton zugrunde, die auf die spezifischen Gegebenheiten der Dachfläche am Mariendom in Neviges abgestimmt wurden.

Der Mörtelauftrag erfolgt im Trockenspritzverfahren mit einem kunststoffvergüteten SPCC-Mörtel.

Foto: Rita Jacobs

Partner bei der Planung, Ausführung und Überwachung von Betoninstandsetzungen war die Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken e. V. (BGib).

Die Mörtelschutzschicht wird lagenweise auf dem vorbereiteten und ausreichend vorgenässten Untergrund hergestellt.

Mörtelauftrag erfolgt im Trockenspritzverfahren

Der Mörtelauftrag erfolgt im Trockenspritzverfahren mit einem kunststoffmodifizierten SPCC-Mörtel. Dabei wird mit einer ersten 10 Millimeter dicken Schicht zunächst eine Vorbereitungsebene geschaffen. In die noch frische Schicht wird das vorbereitete Textilgewebe direkt eingelegt, ausgerichtet und durch leichtes Andrücken fixiert.

Grate und Kehlen der polygonalen Dachkonstruktion wurden mit speziell auf die jeweilige Winkelform angepassten Carbonformteilen ausgeführt.

Foto: Rita Jacobs

Zudem ist zumindest in aufgrund der Geometrie kritischen Bereichen wie Kehlen oder bei Graten eine Verdübelung zur Fixierung notwendig. Anschließend wird auf diese erste Bewehrungslage frisch in frisch eine zweite, ebenfalls 10 Millimeter dicke Mörtelschicht mit Carbonbewehrung aufgebracht, die anschließend mit einer 8 Millimeter dicken Einbettlage abgedeckt wird.

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Von BGib / Karlhorst Klotz