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Grüne Wärme + Eventlocation 12.08.2022, 10:15 Uhr

Betondecke für die Riesen-Thermoskanne in Heidelberg

Der „Energie- und Zukunftsspeicher“ (Zukunftsspeicher? – ja, so heißt er tatsächlich!) schultert nicht nur in schwindelerregender Höhe eine Eventlocation, sondern ist ein Meilenstein in der Energiekonzeption 2030 für Heidelberg. Den Beton bis zu den Deckenplatten zu fördern, war eine Herausforderung.

Der Wärmespeicher funktioniert wie eine überdimensionale Thermoskanne und lagert Wasser aus dem Fernwärmenetz ein, das bei Bedarf wieder ins Netz eingespeist wird. Foto: HeidelbergCement / Christian Buck

Der Wärmespeicher funktioniert wie eine überdimensionale Thermoskanne und lagert Wasser aus dem Fernwärmenetz ein, das bei Bedarf wieder ins Netz eingespeist wird.

Foto: HeidelbergCement / Christian Buck

Die Stadtwerke Heidelberg realisieren im Rahmen des Energiekonzepts 2030 mit ihrem neuen Wärmespeicher ein Energieversorgungssystem, das erneuerbare Energien flexibler und damit stärker nutzen kann. Um Lastspitzen abzufangen, wird heißes Wasser aus dem Fernwärmenetz bei geringer Nachfrage in dem wärmeisolierten Bauwerk eingelagert und bei Bedarf wieder eingespeist. Der Wärmespeicher – eine Art gigantische Thermoskanne – ging zur Heizperiode 2021/22 in Betrieb und wird mit der Eröffnung der Event-Location Ende des ersten Halbjahres 2023 fertiggestellt sein.

Das 55 Meter hohe Bauwerk im Heidelberger Stadtteil Pfaffengrund ist allerdings mehr als ein Energiespeicher. Auf schwindelerregender Höhe entstehen eine Gastronomie mit einer Aussichtsterrasse, die einen weiten Blick über die Rheinebene und in den kleinen Odenwald bietet. Die zwei kreisrunden Plattformen, getragen durch eine beeindruckende Stahlkonstruktion, wurden mit Beton realisiert, der zum Einbau der Decke auf 55 Meter Höhe gepumpt werden musste.

Platz für 200 Personen auf 55 Meter Höhe

Der Speicher in der Farbe Fernblau, schon von weitem zu sehen, imponiert neben der Größe auch durch seine Architektur und schickt sich dabei an – neben Schloss sowie Alter Brücke – ein weiteres Wahrzeichen von Heidelberg zu werden. In nächster Zeit entsteht noch die filigrane Gebäudehülle über dem Speichergebäude: Ein Netz aus vielen kleinen Plättchen, die sich nach Wind und Sonne ausrichten und damit zum Symbol für Flexibilität und Energiefluss werden sollen.

Das Highlight für die Besucher werden die zuoberst aufgesetzten Plattformen sein. Eine auskragende Metallkonstruktion trägt zwei Ebenen mit einem Durchmesser von circa 25 Meter. Die untere Ebene bietet Raum für ein öffentliches Bistro sowie eine Eventlocation für bis zu 200 Personen, die obere Plattform wird die Aussichtsterrasse. Erreichen kann man die Plattformen über zwei Aufzüge.

Auf schwindelerregender Höhe entstehen eine Gastronomie mit einer Aussichtsterrasse.

Foto: HeidelbergCement / Christian Buck

Beton für die Deckenplatten benötigt 75 Meter Förderlänge

Während später die horizontalen Ansichten der Plattformen ein Wechselspiel von Konstruktion und Transparenz aus den Werkstoffen Metall und Glas sein werden, wurde die Herstellung der beiden Deckenplatten mit Beton geplant. Aufgrund der besonderen Baustellensituation mit einer nicht alltäglichen Arbeitshöhe von 55 Meter stand von Beginn an die Frage im Raum: Wie kommt der Beton in diese Höhe? Heidelberger Betonpumpen Simonis (siehe Kasten) stellte das Fahrzeug (M61) mit einer Reichweite von 55 Meter. Um die oberste Betondecke zu erreichen, musste die Betonpumpe nahezu vertikal aufgerichtet werden.

Für diese Betonage fiel die Wahl auf den leicht verarbeitbaren Easycrete F von Heidelberger Beton (siehe Kasten) in einer objektspezifischen Rezeptur, mit dem sich der Höhenunterschied überwinden ließ. Für das Betonieren auf der Decke waren weitere circa 20 Meter Schlauch notwendig, sodass sich insgesamt eine Förderlänge von etwa 75 Meter ergab.

Das Bauwerk weist eine Höhe von 55 Meter und einen Durchmesser von 25 Meter auf.

Foto: HeidelbergCement / Christian Buck

Riesen-Thermoskanne als Wärmepuffer

Der Wärmespeicher verwendet als Speichertechnik ein atmosphärischen Zweizonenspeicher: In der unteren Zone mit einem Volumen von 12.800 Kubikmeter wird heißes Wasser bis maximal 115 °C gespeichert. Der obere Teil des Speichers ist mit etwas kälterem Wasser befüllt. So entsteht der nötige Druck, damit sich das Heizwasser auch bei über 100 °C einlagern lässt – anstelle zu verdampfen. Den Speicher vollkommen zu leeren oder maximal zu befüllen dauert 17 Stunden.

„Der Wärmespeicher ist ein Meilenstein in unserem Energiekonzept. Er ist ein Puffer im System und ermöglicht es zudem, umgewandelte Wärme aus Wind und Sonnenstrom dort einzulagern“, resümiert Heiko Faulhammer, technischer Geschäftsführer der Stadtwerke Heidelberg Umwelt. „So nähern wir uns Schritt für Schritt dem Ziel, bis 2030 weitgehend grüne, CO2-freie Wärme zu erzeugen.“

Der Energie- und „Zukunftsspeicher“

Für dieses Konzept und seine Umsetzung wurde der Speicher nach Angaben der Stadtwerke Heidelberg von der Internationalen Bauausstellung (IBA) Heidelberg ausgezeichnet. Den offiziellen Namen „Energie- und Zukunftsspeicher“ hat der Energie-Geschäftsführer Michael Teigeler der Stadtwerke geprägt. Auf den Einwand, dass die Zukunft wohl kaum irgendwo gespeichert werden könne, teilte das Unternehmen mit, dass damit in zweifacher Hinsicht auf eine Zukunftsorientierung Bezug genommen werde:

  • Einerseits handle es sich um ein zukunftsgerichtetes Energiesystem, das verstärkt mit dezentralen Anlagen, Speichern und Sektorenkopplung funktioniere. So kann in dem Speicher auch Fernwärmewasser eingespeist werden, das bei hoher Verfügbarkeit von Wind- und Sonnenstrom über ein Power-to-Heat-Anlage erzeugt wird. Damit ermöglicht er eine bessere Integration der erneuerbaren Energien in das Energiesystem.
  • Andererseits gehe es um eine zukunftsgerichtete Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, die nicht nur bei der Konzeption der Anlage eingebunden, sondern auch vor der erstmaligen Befüllung des Speichers mit Wasser zu den Tagen der offenen Baustelle eingeladen waren – 5000 Menschen haben das Angebot nach Angaben der Stadtwerke Heidelberg angenommen.

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Von HeidelbergCement Group, Stadtwerke Heidelberg / Karlhorst Klotz