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Bauwettbewerb 24.11.2021, 10:47 Uhr

Die fünf besten Ingenieurpreis-Bewerber

Fünf Wettbewerbsbeiträge haben es auf die Shortlist des Ingenieurpreises 2022 geschafft: eine Moschee mit dem höchsten Minarett der Welt, ein an ein Uhrwerk erinnerndes Museum, ein historisch bedeutsames Viadukt sowie zwei besondere Brücken.

Die Hochmoselbrücke bildet das Kernstück eines Fernstraßenprojekts, das die Wirtschaftszentren und Nordseehäfen der Benelux-Staaten mit dem Ballungsraum Rhein/Main verbindet. Foto: Klähne Bung

Die Hochmoselbrücke bildet das Kernstück eines Fernstraßenprojekts, das die Wirtschaftszentren und Nordseehäfen der Benelux-Staaten mit dem Ballungsraum Rhein/Main verbindet.

Foto: Klähne Bung

Fünf aus 32 Einreichungen für den diesjährigen Ingenieurbaupreis des Verlags Ernst & Sohn sind nominiert worden. Hier ein Überblick über die Projekte und ihre Beurteilung durch die Jury.

Die Große Moschee von Algier (Djamaâ el Djazaïr, Algerien)

Mit dem Projekt initiierte der algerische Staat den Bau eines neuen nationalen Wahrzeichens. Die Moschee liegt weithin sichtbar in 500 m Entfernung von der Bucht von Algier. Die drittgrößte Moschee der Welt weist eine Bruttogeschossfläche von ca. 400.000 Quadratmeter auf.

Das nach Außen einheitliche Erscheinungsbild der Moschee besteht aus unterschiedlichen, nach Ansicht der Jury geschickt gewählten Tragwerkssystemen. So wurde beispielsweise der hohe, schlanke Turm des Minaretts als duktile Stahlverbundkonstruktion ausgebildet und die Kuppel über dem Gebetssaal als effizientes stählernes Raumfachwerk entworfen.

Eine besondere Herausforderung stellte bei dem von der Krebs+Kiefer GmbH eingereichten Projekt die Beherrschung der Bauzustände bei der Herstellung der Gründung in einer sensiblen Erdbebenzone dar. Dabei seien die hohen ästhetischen Ansprüche mit den technischen Anforderungen in Bezug auf die Erdbebensicherheit auf elegante Weise in Einklang gebracht worden.

Das Minarett mit einem Museum, Forschungseinrichtungen und einer Besucherplattform ist das weltweit höchste und gleichzeitig mit 265 m das höchste Gebäude Afrikas.

Foto: Krebs+Kiefer

Der gesamte Komplex der Großen Moschee von Algier (Djamaâ el Djazaïr) beherbergt ein Kongresszentrum, eine Bibliothek und eine Universität.

Foto: Krebs+Kiefer

Laut Jury sind die hohen ästhetischen Ansprüche der Großen Moschee von Algier mit den technischen Anforderungen in Bezug auf die Erdbebensicherheit auf elegante Weise in Einklang gebracht worden.

Foto: Krebs+Kiefer

Täglich bis zu 120.000 Besucher werden in der Großen Moschee von Algier erwartet.

Foto: Krebs+Kiefer

Musée Atelier Audemars Piguet (Le Brassus, Schweiz)

Das Projekt orientierte sich an der Zielstellung, den Wertekanon der Schweizer Uhrenmanufaktur Audemars Piguet architektonisch adäquat widerzuspiegeln. Der Neubau eines Uhrenmuseums mit Schauwerkstatt bildete den Kern der Aufgabenstellung. Das Gebäude ist hohen Schneelasten sowie saisonal sehr tiefen Temperaturen bis weit unter –20°C ausgesetzt. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz waren wichtige Entwurfsparameter.

Eine Leichtbaukonstruktion bestehend aus einem Stahldach und tragenden Glaswänden als ausschließliche vertikale Tragelemente bildet die oberirdische Tragstruktur des spiralförmigen Uhrenmuseums.

Foto: Audemars Piguet

Die Idee, für die Ausstellung und Manufaktur des Uhrenherstellers eine eigene Identität zu erschaffen, spiegelt sich in der Architektur des Bauwerks wider. Die Geometrie mit gegenläufigen Kreisen simuliert die Unruh eines Uhrwerks. Nach Ansicht der Jury fügt sich das Gebäude durch die transparente Bauweise mit den begrünten Dachflächen ausgesprochen harmonisch in die umgebende Landschaft ein.

Die Dachkonstruktion aus Stahl besteht aus regelmäßig radial angeordneten Querträgern, zwischen Metallkassetten aus Stahl montiert sind. Randprofile entlang der Fassade vervollständigen die Struktur. Im Auge der Spirale gewährleistet ein Stahlrost aus primären Stahlprofilen und kürzeren Sekundärträgern die stützenfreie Überdachung des zentralen Raumes mit 9,40 m Durchmesser.

Die entwickelten lastabtragenden Verglasungen nehmen sowohl die vertikalen als auch die gesamten horizontalen Lasten auf.

Foto: Iwan Baan

Das neuartige Tragwerk nehme sich zurück und sei durch seine aussteifenden, gekrümmten Glaselemente kaum wahrnehmbar, so die Jury. So sei es in dem von der Dr. Lüchinger+Meyer Bauingenieure AG eingereichten Projekt gelungen, die tragende Struktur und raumbildende Fassade miteinander zu verschmelzen.

Saaneviadukt und Doppelspurausbau (Gümmenen, Schweiz)

Der zwischen um 1901 erbaute Saaneviadukt ist einer der bedeutendsten Eisenbahnviadukte der Schweiz. Seine Erneuerung überzeugte die Jury durch den „respektvollen und subtilen Umgang“ mit dem Bestandstragwerk.

Mit der Vorgabe, die Bausubstanz möglichst ungeschmälert zu erhalten, wurde der 120 Jahre alte Saaneviadukt erneuert und auf Doppelspur ausgebaut.

Foto: Fürst Laffranchi

Die neuen Tragelemente fügen sich unaufgeregt in das Bild des Gesamtbauwerks ein. Durch den weitgehenden Erhalt der Originalsubstanz leiste das Projekt einen Beitrag zur Nachhaltigkeit und zum Denkmalschutz. Angesichts des Ausbaus von Einzel- auf Doppelspur und den damit verbundenen höheren Lasten sei der geringe Eingriff in die Natursteinkonstruktion bemerkenswert.

Die neuen Tragelemente des Saaneviadukts fügen sich unaufgeregt in das Bild des Gesamtbauwerks ein.

Foto: Fürst Laffranchi

Die bestehende alte Stahlfachwerkbrücke wurde durch eine neuzeitig interpretierte und dennoch klassische Lösung ersetzt. Die Jury würdigte bei dem von der Fürst Laffranchi Bauingenieure GmbH eingereichten Projekt den Umgang mit dem Viadukt und zeigte sich beeindruckt von der Selbstverständlichkeit der komplexen und anspruchsvollen Umbaumaßnahme.

Hochmoselbrücke bei Zeltingen-Rachtig (Hochmoselübergang „B50 neu“, Deutschland)

Die Hochmoselbrücke ist eine der größten Stahlbrücken in Deutschland und spannt sich in einer Höhe von ca. 160 Metern über das Moseltal. Ihr als Deckbrücke ausgelegtes Tragwerk ist rund 1.702 m lang. Der einteilige Überbau ist eine über elf Felder durchlaufende stählerne Balkenbrücke mit einzelligem Kastenquerschnitt und orthotroper Fahrbahnplatte.

Die Felder verfügen über Stützweiten von 104 bis zu rund 210 Meter. Auf einer Gesamtbreite von 29 Meter werden zwei zweispurige Richtungsfahrbahnen mit Standspur und beidseitig angeordneten Kappen überführt. Der Überbau ruht auf zwei kastenförmigen Widerlagern und zehn tiefgegründeten Pfeilern.

Die Jury würdigte die anspruchsvolle Arbeit bei dem von der Klähne Bung Beratende Ingenieure im Bauwesen GmbH eingereichten Projekt, die sich durch eine enge Abstimmung zwischen Gründung, Pylonen und Überbau auszeichne. Die einseitige Vormontage und der Einschub ohne Hilfsstützen reduzieren den Eingriff in die Landschaft. Die Hochmoselbrücke ist eine der größten Talbrücken Deutschlands, die sich nach Überzeugung der Jury elegant in die Mosel-Kulturlandschaft einbettet.

Die Felder der Hochmoselbrücke verfügen über Stützweiten von 104 bis zu rund 210 Meter.

Foto: Klähne Bung

Das als Deckbrücke ausgelegte Tragwerk der Hochmoselbrücke ist rund 1.702,35 Meter lang.

Foto: Klähne Bung

Auf einer Gesamtbreite von 29 Meter werden zwei zweispurige Richtungsfahrbahnen mit Standspur und beidseitig angeordneten Kappen überführt.

Foto: Klähne Bung

Stuttgarter Holzbrücke an der Birkelspitze (Weinstadt im Remstal, Deutschland)

Die Holzbrücke an der Birkelspitze beeindruckte die Jury damit, wie das Bauwerk in Form und Materialität auf die örtlichen Randbedingungen reagiert. Der beidseitig eingespannte Holz-Beton-Verbundbalken ermögliche eine schlanke integrale Geh- und Radwegbrücke; die Seilnetz-Geländerausfachung erzeuge Transparenz.

Das Haupttragwerk aus Leimholzträgern werde durch die trageffiziente und dauerhafte Fahrbahn aus carbonfaserbewehrten Betonfertigteilen geschützt. Der Überbauträger werde mittels einer einfachen, originellen und robusten Fügung mit den Stahlbeton-Widerlagern verbunden. Insgesamt, so die Meinung der Jury, verdeutlicht das von Schaffitzel Holzindustrie GmbH + Co. KG eingereichte Brückenprojekt einen ganzheitlich-innovativen Ansatz, der einen schlüssigen Weg zum ressourceneffizienten Bauen anbietet.

Die Neuentwicklung ist die erste integrale, also lager- und fugenlose Brücke.

Foto: Schaffitzel Holzindustrie

Träger und Widerlager sind monolithisch miteinander verbunden.

Foto: Schaffitzel Holzindustrie

Eingeklebte Gewindestangen aus Betonstahl, die mit entsprechender Übergreifungslänge in die Bewehrung des Widerlagers eingebunden sind, übertragen die Biegezug- und Normalkräfte zwischen Holzüber- und Stahlbetonunterbau.

Foto: Schaffitzel Holzindustrie

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