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Bauinnovationen mit Marktrelevanz 23.10.2023, 11:00 Uhr

Bauteile mit Zukunft

In den letzten drei Jahren entwickelten verschiedene Baudisziplinen Innovationen für die neue Unit Step 2 im Forschungs- und Innovationsgebäude Nest in Dübendorf, Schweiz. Voraussetzung für die Innovationen war ein hohes Markenpotenzial und durchgängige Nachhaltigkeit. Jetzt kommen sie zum ersten Mal in einem Bauprojekt zum Einsatz.

Für das Nest der Empa entsteht eine neue Unit "Step2". Foto: Digital Building Technologies – ETH Zürich

Für das Nest der Empa entsteht eine neue Unit "Step2".

Foto: Digital Building Technologies – ETH Zürich

Der Innovationsprozess im Bauwesen muss beschleunigt werden. Dies ist ein Ziel von Nest, dem Forschungs- und Innovationsgebäude von Empa und Eawag in Dübendorf bei Zürich. Regelmäßig entstehen neue Gebäudemodule, sogenannte Units, in denen Innovationen für das Bauwesen eingebaut werden und dann auch betrieben werden. Dabei wird das Gebäude mit seinen Units und Innovationen nicht einfach nur betrieben, sondern richtig genutzt, als Büros oder Wohnungen. Damit haben die Partner der Projekte, die aus Forschung und Industrie kommen, die Möglichkeit, ihre Innovationen in realer Umgebung zu testen, auszuprobieren, erhalten Rückmeldungen und können sie weiter entwickeln. Nächstes Frühjahr wird voraussichtlich die nächste Unit Step 2 fertiggestellt sein.

Gemeinsam marktfähige Lösungen entwickeln

„Schon in den allerersten Gesprächen zu Step2 wurde als Hauptziel festgelegt, dass wir nur bauen werden, was nachhaltig ist und in der Baubranche auch tatsächlich eine Zukunft haben wird», erklärt Enrico Marchesi. Marchesi ist Innovation Manager bei Nest und von der Empa Projektverantwortlicher. BASF-Mitinitiant Andreas Hafner ergänzt: „Aus diesem Grund haben wir jede Innovation genauestens auf ihre Marktrelevanz überprüft.“ Der „Co-Creation“-Ansatz wurde, zum Erreichen des Ziels, konsequent verfolgt. Dabei wurden die Innovationen gemeinschaftlich entwickelt. „Wir sind überzeugt davon, dass wahre marktfähige Innovation nur entstehen kann, wenn Akteure entlang der gesamten Wertschöpfung auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Als fester Bestandteil der Schweizer Forschungs- und Innovationsgemeinschaft ist es uns deshalb ein großes Anliegen, gemeinsam mit unseren Partnern schon früh zukunftsträchtige Lösungen zu erkennen, die wirtschaftliches Potenzial aufweisen – und mit unserem Know-how dazu beizutragen, dass diese Innovationen in die Realität umgesetzt werden“, sagt Olivier Enger, Senior Innovation Manager bei BASF. Das Unternehmen hat als Hauptpartner für Step 2 Know-how, nachhaltige Materialien und sein Netzwerk mit eingebracht. Dadurch war es möglich, dass innerhalb der dreijährigen Planungsphase die Projektpartner aus den unterschiedlichen Disziplinen Neuheiten entwickeln. „Ich freue mich enorm, dass wir nun die gemeinsam erarbeiteten Lösungen in ein reales Gebäude überführen können“, sagt der leitende Architekt Silvan Oesterle vom Architekturbüro ROK.

Die Elemente der STEP2-Decke wurden im Werk der Stahlton Bauteile AG vorgefertigt und auf der Baustelle zusammengesetzt.

Foto: ROK Architekten

Deckensystem mit Ressourcenschonung

Die neue Unit ist zweigeschossig aufgebaut. Im ersten Stock wurde eine neuartige Rippen-Filigrandecke verbaut. Sie wurde gemeinsam von ROK, dem Ingenieurbüro WaltGalmarini AG und der Stahlton Bauteile AG entwickelt. Zwischen acht und 14 Metern Spannweiten soll die Decke ermöglichen. Dadurch kann sie gut im Büro- und Hochhausbau eingesetzt werden. Im Werk von Stahlton wurden die 3D-gedruckten Schalungen als einzelne Elemente vorfabriziert. Die Schalungen für die Decken-Elemente sind zu 100 Prozent mineralisch und damit kreislauffähig. Vom Werk erfolgte der Transport der Elemente zum Nest und der Einbau in der Unit. Verglichen mit herkömmlichen Beton-Flachdecken konnte durch eine digitale Planung und dem 3D-Druck der Materialaufwand um 50 Prozent gesunken werden. Das beinhaltet auch eine Senkung der CO2-Emissionen. Die Nachhaltigkeit konnte weiter gesteigert werden, indem zirkulärer Beton von der zirkulit AG zum Einsatz kam. Dieser unterschreitet den Mindestzementgehalt und er speichert im Werk CO2. Damit die Akustik in den Räumen mit der Decke richtig wirkt, wurden 3D-gedruckte Boxen mit Absorberschaum Cavipor von BASF einsetzt. Durch sie ist eine gute Raumakustik trotz schallharter Oberfläche möglich.

Die Betontreppe wurde als einzelnes Element durch das Treppenauge eingefädelt. Sie verbindet die zwei Etagen der Unit.

Foto: Empa

Komplex geformte Betontreppe

Über die Treppe Cadenza aus Beton gelangt man in das zweite Stockwerk der Unit. Diese wurde von dem Team ROK, dem Lehrstuhl „Digital Building Technologies“ der ETH Zürich, der BASF-Tochtergesellschaft BASF Forward AM, dem 3D-Druckunternehmen New Digital Craft, dem Betonfertigteile-Hersteller SW Umwelttechnik, der WaltGalmarini AG und dem Empa-Spin-off „re-fer“ entwickelt. Das Planerteam nutzte auch hier das Potenzial von computergestütztem Design und 3D-Druck. Komplexere Formen wurden durch 3D-gedruckte Schalungen ermöglicht. Die Reduktion des Materialaufwands konnte auch bei der Treppe reduziert werden, indem die Schalungen mehrfach verwendet wurden. An der Empa wurden die Treppenstufen zusammengesetzt. Zur Fixierung wurde die Vorspanntechnik von „re-fer“ genutzt. Da die einzelnen Stufen aufeinander gefädelt wurden, können diese beim Rückbau demontiert und wiederverwendet werden. In der Unit Step 2 wurde die Treppe als ein Bauteil eingebaut.

Fassade, die sich mitentwickelt

Auch bei der Gebäudehülle wurden für Step 2 Innovationen eingesetzt. Dabei unterstützte die Aepli Metallbau AG. Ziel war es, unter anderem, durch minimalen Aufwand unterschiedliche Einbauten zu testen. Dadurch kann der Nest-Partner neue Technologien und Materialien austesten. Zusätzlich kommt die Closed-Cavity-Fassade des Unternehmens zur Anwendung. Bei dieser wird auf eine mechanische Konditionierung des Elementzwischenraums verzichtet.

Zusammenspiel von Energieeffizienz und Behaglichkeit

Ein Energie- und Behaglichkeitskonzept wurde vom Unternehmen WaltGalmarini AG erstellt. Das Ziel ist das optimale Zusammenspiel der unterschiedlichen Komponenten in der neuen Unit. Dazu gehören etwa automatisierte Fassadenklappen, thermisch aktivierte Masse oder auch hochwärmedämmende Verglasungen. Das Lichtkonzept von Bartenbach soll für zusätzliche Behaglichkeit sorgen.

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Von Empa / Heike van Ooyen