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Gerüstbau 18.10.2021, 07:53 Uhr

Hängegerüst in Millimeterarbeit vom Kölner Dom gehoben

Die Sicht auf die Westfassade des Kölner Doms mit seinen zwei rund 157 Meter hohen Türmen ist wieder frei, nachdem dort in einer spektakulären Aktion die letzten Gerüstteile vom Nordturm entfernt wurden.

Großeinsatz: Ein in rund 105 Metern Höhe an der Nordwestecke des Nordturms hängendes Gerüst musste vom Kölner Dom gehoben werden. Foto: Wasel/Hagedorn

Großeinsatz: Ein in rund 105 Metern Höhe an der Nordwestecke des Nordturms hängendes Gerüst musste vom Kölner Dom gehoben werden.

Foto: Wasel/Hagedorn

Das am 7. Oktober entfernte Gerüst bestand ursprünglich aus drei Teilen und wog in Summe rund 30 Tonnen. Bereits in den Sommermonaten hatten die Gerüstbauer der Dombauhütte mehr als 20 Tonnen Material aus dem Gerüst ausgebaut und sein Gewicht so auf 10 Tonnen reduziert.

Bis Ende September war das aus leichten Aluminium-Elementen zusammengesetzte Gerüst bis auf die beiden großen seitlichen Gerüstpfeiler und die obere Plattform vollständig entkernt worden. Da deren Abbau vor Ort einen unverhältnismäßig hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand bedeutet hätte, wurden diese Teile des Gerüsts in drei Stücken vom Turm abgenommen.

Fingerspitzengefühl gefragt

Das 30 Meter hohe Gerüst hing in rund 105 Metern an der Nordwestecke des Nordturms des Kölner Domes und war mit Kettenzügen am Maßwerkhelm des Turmes verankert. Nachdem die Seile und Bolzen, die zum Aufhängen des Gerüsts nötig waren, entfernt wurden, schwebte die Stahlkonstruktion frei in der Luft.

Rund fünf Zentimeter betrug nun der Abstand zwischen Baugerüst und Dom. Aus der Entfernung von 65 Metern musste der Kran millimetergenau fahren, um nichts zu beschädigen.

Alles lief jedoch wie geplant. Dombaumeister Peter Füssenich zeigt sich erleichtert über die gelungene Aktion und dankte neben den beteiligten Unternehmen auch dem Dompatron Petrus, der sich offenbar für einen windstillen Vormittag verwendet hatte.

Der Kranführer legte die Stahlkonstruktion am Ende auf der Domplatte ab, wo sie mithilfe eines weiteren Krans auf die Seite gekippt, auf spezielle Rollwagen gelegt und auf den Roncalliplatz transportiert wurde, wo es Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Dombauhütte im Laufe der kommenden Wochen in seine Einzelteile zerlegen. In ähnlicher Form ist dies bereits 2006 und 2013 bei den früheren Hängegerüsten geschehen.

Absturz eines 3-Meter-Elements als Auslöser für die Restaurierung

Bei dem Gerüst, mit dessen Aufbau im März 2011 begonnen wurde, handelte es sich um das dritte Hängegerüst am Nordturm. Auslöser für den Beginn der Restaurierungsarbeiten war ein Steinschlag während eines schweren Sturmes am 24. November 1984. Damals war ein 3,25 Meter hohes Element einer Turmfiale aus etwa 100 Metern Höhe abgestürzt und hatte schwere Schäden an den Seitenschiffdächern verursacht.

Anschließende Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass die Schadensursache in der Verwendung von Messing- und Eisenarmierungen während der Turmvollendung in den 1870er-Jahren liegt. Während die Messingelemente oft gebrochen sind, führt die Oxidation des Eisens zu Rostsprengungen, die den ansonsten hervorragend erhaltenen Obernkirchener Sandstein zerstören.

Das Gerüst hing in rund 105 Metern Höhe an der Nordwestecke des Nordturms des Kölner Domes und war mit Kettenzügen am Turm verankert.

Foto: Wasel/Hagedorn

Millimeterarbeit: Ein Liebherr-Großkran hebt ein rund 30 Meter hohes Gerüst vom Dom.

Foto: Wasel/Hagedorn

Besonders herausfordernd war die Enge des Platzes. Taxistände, Die 65 Meter Entfernung vom Kranstellpatz zum Nordturm wurde per Ausleger überbrückt.

Foto: Wasel/Hagedorn

Der Kranführer legte die Stahlkonstruktion am Ende auf der Domplatte ab, ...

Foto: Wasel/Hagedorn

… wo sie mit Hilfe eines weiteren Krans auf die Seite gekippt wurde.

Foto: Wasel/Hagedorn

Danach wurde das Gerüst auf spezielle Rollwagen gelegt und abtransportiert.

Foto: Wasel/Hagedorn

Besonders herausfordernd war die Enge des Platzes. Taxistände, Durchfahrts- und Fluchtwege mussten freigehalten werden, was die Raumkapazitäten zusätzlich verringerte.

Foto: Wasel/Hagedorn

Der eingesetzte Kran war mit einer 87,5 Meter langen Wippspitze ausgestattet.

Foto: Wasel/Hagedorn

Das aus leichten Aluminium-Elementen zusammengesetzte Gerüst wure bis auf die beiden großen seitlichen Gerüstpfeiler und die obere Plattform vollständig entkernt.

Foto: Wasel/Hagedorn

Die Anweisungen für den Kranführer kamen per Funk von Matthias Wasel und Wolfgang Schmitz, Leiter der Gerüstbaukolonne der Dombauhütte.

Foto: Wasel/Hagedorn

Tonnenschwere Aufbauten durch Rost angehoben

Die fraglichen Metallelemente finden sich an den vier gewaltigen, etwa 30 Meter hohen Fialaufbauten an den Ecken beider Türme und hier ausschließlich in einem Bereich zwischen 80 und 100 Metern Höhe. Teilweise wurden bereits tonnenschwere Aufbauten durch den Rost um mehre Millimeter angehoben. Die Versetzsteinmetzen der Dombauhütte müssen daher alle Anker und Dübel aus Messing und Eisen ausbauen und durch neue, nicht rostende Elemente aus Edelstahl ersetzen.

Die Restaurierungsarbeiten an den Türmen begannen 1996 mit dem Aufbau des ersten Hängegerüsts an der Südwestecke des Nordturms; es hing bis 2006. Das zweite Gerüst befand sich von Frühjahr 2002 bis 2013 an der Südostecke des Turms. In den kommenden Jahren soll die Restaurierung der Nordostecke des Turms erfolgen. Das hierfür benötigte Hängegerüst wird frühestens 2023 aufgebaut, um im Jubiläumsjahr 2022, in dem sich die Weihe des Domchores zum 700. Mal jährt, die Westfassade weitgehend gerüstfrei zu halten. Zuvor werden die kriegsbeschädigten Fialen auf der Westseite des Helmumgangs in 100 Metern Höhe restauriert und ergänzt. Hierfür sind kleinere Gerüste notwendig.

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Von Dombauhütte des Kölner Doms, Wasel / Karlhorst Klotz