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Leichtbeton 13.11.2020, 17:12 Uhr

Fassade mit fünf Ecken

Beim neuen Rathaus in Remchingen sollen Tragwerk, Fassade und Dämmung eine authentische Komposition eingehen. Dabei wird die Gebäudehülle aus Leichtbeton errichtet und bietet nicht nur eine solide Wertigkeit, sondern auch gute Eigenschaften für das Innenraumklima und die Akustik.

Leichtbeton prägt die monolithische Gebäudehülle. Foto: Brigida Gonzáles

Leichtbeton prägt die monolithische Gebäudehülle.

Foto: Brigida Gonzáles

Streng und geschlossen wirkt das Rathaus in Remchingen, nahe Pforzheim. Aber nur von Weitem. Nähert man sich dem Neubau, erkennt man die zahlreichen Eingänge des fünfeckigen Gebäudes und mit dem gebäudehohen Atrium wirkt es offen. Hier ist auch der Platz im Haus, in dem der Charakter des Rathauses offenkundig ist. Von hier geht der Blick nach oben und die acht asymmetrischen Dachflächenfenster sind sichtbar. Es scheint ganz so, als ob man durch ein Kaleidoskop schaut und sich auf wundersame Weise die verschiedenen Gebäudeebenen immer wieder neu verschieben und ineinander übergehen. Die lichte Weite des Gebäudes wirkt in den Räumen des Rathauses, egal ob Bürgerbüro, Trausaal oder Ratsaal, hier wird zum Erkunden und Entdecken ermuntert. „Das neue Rathaus ist als neue Mitte für Begegnung und Kommunikation konzipiert“, erklärt Architekt Thomas Steimle von Steimle Architekten BDA in Stuttgart. „Es ist ein offenes Haus, das für die Bürger erlebbar ist.“

Solide Gebäudehülle mit positiven Innenraum-Eigenschaften

Die Räume zum Erkunden werden durch eine sandig-travertinfarbige Gebäudehülle zusammengehalten. Rund 550 Kubikmetern Liapor-Leichtbeton vom Typ LC12/13 mit Liapor F3,5 und Sand K0–4 kamen für die Fassade zum Einsatz. Steimle Architekten arbeiteten bereits bei der Bücherei Kressbronn am Bodensee mit diesem Baustoff. Daher war ihr Entschluss ganz bewusst: „Mit dem Leichtbeton konnten wir Tragwerk, Fassade und Dämmung in einer Einheit umsetzen, in einer ehrlichen und authentischen Komposition.“ Bei der Entscheidung für den Leichtbeton wurden auch seine Eigenschaften auf Wärmespeicherung und Raumklima vom Architekten berücksichtigt: „Die Wand kann die internen Wärmelasten der Verwaltungsnutzung aufnehmen und speichern, während die Nachtluftspülung wiederum die Wärme wieder freigibt.“ Neben den bautechnischen Eigenschaften passt der Baustoff für Steimle auch zur Wirkung seines Objektes: „Die massive, monolithische Gebäudehülle stärkt den Eindruck von Solidität und verankert den Baukörper im und mit dem Ort.“ Der polygonale Grundriss des Rathauses ermöglicht es, dass das Gebäude präsent ist, die Innenstadt prägt, aber dabei keine Rückseite aufweist.

Annäherung an eine natursteinartige Oberfläche

Die Farbe und die Haptik der Fassade sind ein Highlight. Die Gebäudehülle erscheint als homogene und glatte Oberfläche. Im Detail sind aber die Schüttungslagen und Lunker gut zu erkennen. „Unser Ziel war es, eine fast natursteinähnliche, travertinartige Oberfläche zu erzeugen, die sich in immer wieder neuen Nuancen voneinander unterscheidet“, erklärt Steimle. Damit die Farbigkeit der Fassade erreicht wurde, musste eine Herausforderung mit dem Leichtbeton angegangen werden. Bis der gewünschte Natursteincharakter erreichte wurde, müssten mehr als zehn Musterwände mit dem Leichtbeton erstellt werden. Für die richtige Farbe musste der Leichtbeton komplett und homogen durchgefärbt werden. Die Musterwände zeigten auch, dass dieses nur erreicht wird, wenn über Nacht der stark saugende Zuschlagstoff für die passende Feuchtesättigung vorgenässt wurde. Die Mischung zur einheitlichen Betonmasse erfolgte dann etappenweise. Somit konnte die homogene Farbigkeit des gesamten Leichtbetons sichergestellt werden. Dann konnten die Außenwände betoniert werden und die Zwischendecken eingestellt. Beim Betonieren wurde darauf geachtet, dass dieses immer nur bis zur Oberkante Brüstung Fenster geschah und ein anschließender drei Zentimeter starker Versatz nach außen zum nächsten Geschoss stattfand. Dadurch wurde erreicht, dass die Wandstärke vom Erdgeschoss mit 54 Zentimetern bis zum dritten Obergeschoss auf 63 Zentimeter zunimmt. „Der Versatz wirkt als Schattenkante und die Betonierabschnitte erfahren dadurch eine sehr saubere Gliederung“, erklärt Steimle. Auf diese Weise entstand eine klare Linie um das Rathaus herum, die sich in der Fassadenstruktur mit den großen Fensteröffnungen fortsetzt.

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Von Liapor / Heike van Ooyen