Sicherheit und Verteidigung 21.11.2025, 21:30 Uhr

Neue Geschäftsfelder für den Maschinenbau – Produktion von Rüstungsgütern

Es ist kein Geheimnis, dass in Europa wieder mehr in die Produktion von Waffen und Gütern zur Verteidigung investiert wird. Beteiligt sind daran auch Hersteller von Werkzeugmaschinen. Doch darüber sprechen die Unternehmen nicht gerne.

Kaum ein anderer Aussteller machte auf der Messe EMO Hannover so deutlich, dass auf den Werkzeugmaschinen auch Waffen produziert werden, wie die EMAG-Gruppe. Foto: M. Ciupek

Kaum ein anderer Aussteller machte auf der Messe EMO Hannover so deutlich, dass auf den Werkzeugmaschinen auch Waffen produziert werden, wie die EMAG-Gruppe.

Foto: M. Ciupek

Im deutschen Maschinen- und Anlagenbau ist ein Wandel zu erkennen. Während große Abnehmerbranchen verhaltener investieren sowie der Export nach China und in die USA schwieriger geworden ist, verspricht die Verteidigungsbranche ein Wachstum. Sowohl Deutschland als auch Europa setzen auf eine deutlich stärkere und modernere Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur.

„Maschinenbau hat das Know-how. um Deutschland und Europa sicherer zu machen“

Der Aufbau einer dafür benötigten Produktion von Sicherheitstechnik kann nach Auffassung Branchenverbands VDMA des nur mit Hilfe des Maschinen- und Anlagenbaus gelingen. VDMA-Präsident Bertram Kawlath erklärt dazu: „Unsere Unternehmen sind darin spezialisiert, Kundenwünsche für die industrielle Produktion in kleiner oder großer Serie nach Maß zu erfüllen. Der Maschinenbau hat das Know-how, um Deutschland und Europa sicherer zu machen – jetzt geht es darum, diese Kapazitäten schnell und entschieden zu nutzen.“ Angesichts der laufenden Debatten um das Sondervermögen Bundeswehr betont er allerdings: „Der Maschinenbau ist kein Rüstungshersteller und wird es auch nicht werden, aber unsere Unternehmen sind die unverzichtbaren Zulieferer auch dieses Sektors und damit auch unverzichtbar für Europas Sicherheit.“

Damit liegt es nahe, dass der Maschinenbau ein Nutznießer von den zunehmenden Investitionen in Rüstung und Verteidigung sein kann. Laut European Defence Agency haben sich die Verteidigungsausgaben in der Europäischen Union in den vergangenen fünf Jahren spürbar erhöht. Von 251 Milliarden Euro im Jahr 2021 steigen sie demnach im laufenden Jahr auf geschätzt 381 Milliarden Euro. Allein in Deutschland wuchs der Markt im Jahr 2024 auf knapp 127 Milliarden Euro an. Einen weiteren Anstieg des Marktvolumens erwartet die Branche aufgrund der Pläne der deutschen Bundesregierung.

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Neue Geschäftschancen für den Maschinenbau

Für Maschinenbauindustrie bieten sich neue Geschäftschancen. Andreas Evertz, CEO der Flender Gruppe, sagt dazu: „Diese Chancen zu maximieren – verbunden mit der Verantwortung, zum Aufbau einer stärkeren Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur beizutragen – dabei unterstützt der VDMA seine Mitgliedsfirmen mit seinem Netzwerk und branchenübergreifendem Produktionswissen.“ Evertz wurde anlässlich der Gründung des neuen VDMA Forum SDI (Security und Defence-Industry) von den Mitgliedern, zu dessen Vorsitzendem gewählt.

Insbesondere für Hersteller von Werkzeugmaschinen ist das ein Thema. Auf der Messe EMO Hannover wurde das im September 2025 zwar nicht groß in den Vordergrund gestellt, aber grundsätzlich können auf Drehmaschinen auch Projektile und Kanonenrohre gefertigt werden. Bei der Ausfuhr gelten sie deshalb als Dual-Use-Güter und es gibt besondere Ausfuhrbestimmungen.

Waffenproduktion für Sportschützen war der Anfang

Sehr offen geht der Maschinenhersteller EMAG mit Hauptsitz in Salach mit dem Thema der Waffenproduktion um. Mitten an einem hoch frequentierten Durchgangsweg präsentierte das Unternehmen auf der Messe Handfeuerwaffen, Artilleriegeschosse und ein langes Flugabwehrkanonen-Rohr für Flak-Geschütze. Obwohl weiterhin Maschinen für die Automobilindustrie den Hauptanteil der Exponate ausmachen, ist das ein Statement.

Blick in den Lauf eines Flak-Rohres. Die spiralförmigen Nuten werden elektrochemisch hergestellt.

Foto: M.Ciupek

Zur Waffenproduktion ist der Maschinenhersteller zunächst über den Sportwaffenbereich gekommen. Für sportliche Wettbewerbe werden Läufe mit einer sehr hohen Präzision benötigt. Um dem Geschoss eine stabile Flugbahn zu verleihen, sind spiralförmige Nuten in den Lauf eingearbeitet. Die sogenannten Züge sorgen dafür, dass sich das Projektil um die eigene Achse dreht. Der Drall verhindert den Überschlag des Geschosses und erhöht seine Genauigkeit.

Elektromechanische Metallbearbeitung bringt Züge in Gewehrläufe

Für die Herstellung der Züge setzt EMAG auf elektrochemische Metallbearbeitung (ECM). „Mit der ECM Rifling-Technologie von EMAG können Gewehrläufe vom Standard bis zum kundenspezifischen Design gefertigt werden“, heißt es auf der Homepage des Unternehmens. Die PI-Maschinen verfügen über ein Rifling-Modul, das in die Maschinen integriert ist. Das Modul kann damit bis zu acht Läufe mit einer Länge von 50 mm bis 3000 mm parallel bearbeiten. Die hoch automatisierten Maschinen der Unternehmensgruppe eignen sich somit für große Stückzahlen.

Zum klassischen Gechäft der EMAG-Gruppe gehört die Bearbeitung von Bauteilen für die Automobil- und Luftfahrtindustrie. Das Bild zeigt die Herstellung von Zahnrädern.

Foto: M. Ciupek

Ähnliches gilt für das Drehen von Artilleriehülsen. „EMAG ist spezialisiert auf hohe Stückzahlen“, erklärt Pressesprecher Oliver Hagenlocher gegenüber VDI nachrichten. Das gelte für Drehteile wie Artilleriehülsen genauso wie für die Produktion von Zahnrädern und andere Produkte für die Automobilindustrie.

Gerade bei Lohnfertigern sieht Hagenlocher aktuell Bestrebungen, wegfallende Aufträge aus der Automobilindustrie durch Geschäfte mit der Rüstungsindustrie zu kompensieren. Prinzipiell ließen sich die Anlagen von EMAG dafür auch umrüsten. Je nach Anforderung könne es wirtschaftlich jedoch sinnvoller sein, eine neue Anlage zu konfigurieren. Die Rohre für Flak-Geschütze sind beispielsweise Verschleißteile und müssen deshalb oft ausgetauscht werden.

Schweigen zu Geschäften mit der Rüstungsindustrie hat „politische Gründe“

Obwohl auch bei manchen anderen Maschinenherstellern Hülsen zu sehen sind, die für Patronen oder Artilleriegeschosse gemacht sein könnten, redet kaum ein anderer europäischer Aussteller offen über die Geschäfte in der Branche. Man mache zwar auch im Verteidigungsbereich Geschäfte, wolle aber „aus politischen Gründen nicht dazu zitiert werden“, heißt es dann oft. Man spüre zwar eine zunehmende Nachfrage, aber die komme bisher nicht aus Deutschland, sondern eher aus dem Ausland, ist außerdem zu hören.

Unter Stichworten wie „Militär“ und „Waffen“ sind im Ausstellerverzeichnis keine deutschen Unternehmen zu finden. Die dazu aufgeführten Anbieter aus dem Ausland kommen insbesondere aus China. Aussteller Drillstar, chinesischer Spezialist für Tieflochbohrungen, wirbt beispielsweise im Produktverzeichnis offen: „Zu den CNC-Kanonenbohrmaschinen gehören Einkoordinaten-, Dreikoordinaten-, Zweikoordinaten-, Kanonenbohr- und BTA-Verbundkanonenbohrmaschinen, Rundstangenstanzmaschinen und Lochdurchmesser von 1 mm bis 80 mm.“

Werkzeugmaschinen: Geschäft mit der Rüstungsindustrie nimmt zu

Jemand, der dem Thema neutral gegenübersteht und auch darüber redet, ist der ehemalige VDMA-Präsident und geschäftsführende Gesellschafter der Alfred H. Schütte GmbH Co. KG Carl Martin Welcker. Sein Unternehmen produziert Mehrspindel-Drehautomaten und Schleifmaschinen. Gleichzeitig ist er Generalkommissar der EMO Hannover.

Die Firma Schütte aus Köln stellt Mehrspindel-Drehautomaten her. Damit können sehr effizienz mehrere Drehteile parallel gefertigt werden.

Foto: M. Ciupek

Gegenüber VDI nachrichten sagt Welcker: „Wir waren eigentlich schon immer Lieferant von Maschinen in die Rüstungsindustrie. Das Geschäft war nur in den letzten 20 Jahren oder sogar 30 Jahren sehr, sehr schwach. Das hat sich jetzt belebt.“ Er verweist aber auf die strengen Regelungen in dem Bereich. Rüstungsgeschäfte seien dabei mal mit dem Auswärtigen Amt, mal mit der BAFA und mal mit dem Wirtschaftsministerium abzustimmen. „Das tun wir und bewegen uns damit mehr oder weniger im Nato-Raum“, berichtet er. Für die Mehrspindler und Schleifmaschinen seines Unternehmens ist das aber ein eingeschränkter Markt, „weil wir ja großkalibrige Sachen nicht machen“, so Welcker. Bei 65 mm Durchmesser sei Schluss. Produziert würden Teile für Geschosse, Zünder und Stellschrauben.

Kein Ersatz für Geschäfte mit der Automobilindustrie

Der Schütte-Chef merkt zwar eine Belebung in der Rüstungsindustrie, sieht das aber nicht als Ersatz für Geschäfte mit der Automobilindustrie. „Wir merken, dass das Geschäft zäh ist. Das heißt, bis dann mal Anträge und so durchlaufen, dauert es recht lange“, berichtet Welcker. Vom Angebot bis zu einer Entscheidung vergehe teilweise über ein Jahr. „Jetzt zu sagen, die Verteidigungsindustrie ersetzt die Automobilindustrie, das tun wir noch nicht.“

Den in Europa oft beschriebenen Niedergang der Automobilindustrie sieht der erfahrene Manager und Netzwerker nicht. „Das Thema Verbrennungsmotor ist in Europa natürlich schwierig, aber das Automobil besteht ja nicht nur aus dem Antriebsstrang“, begründet er seine Einschätzung. Weltweit seien neben Hybridantrieben auch weiterhin Verbrennungsmotoren ein Thema. „Versuchen Sie mal elektrifizierte Mobilität in Indien einzuführen. Das wird nicht fliegen.“

Gigacasting: große Karosserieteile statt Motorblöcke für Verbrenner

Ein Beispiel dafür ist das Gigacasting. Statt Karosserieelementen aus mehren verschweißten Blechelementen nutzen viele Automobilhersteller inzwischen große Aluminiumguss-Bauteile. Die lassen sich schneller und effizienter produzieren und montieren als klassische Baugruppen. Während also weniger Motorblöcke für Verbrenner benötigt werden, müssen nun zahlreiche solcher Gussteile zerspanend bearbeitet werden.

Statt Gehäuse für Verbrennermoteren bearbeiten Maschinen von Grob immer öfter große Aluminiumgussteile für Karosserien. Die Automobilindustrie spricht von Megacastings bzw. Gigacastings.

Foto: M. Ciupek

Zu sehen ist das auf der EMO Hannover unter anderem beim Maschinenhersteller Grob. Im Bereich der Zerspanungstechnik präsentiert das Unternehmen aus Mindelheim dazu sein neues Bearbeitungszentrum G920F5. Das wurde speziell für die Bearbeitung von Mega- und Giga-Castings sowie von großformatigen Rahmenstrukturbauteilen entwickelt. Das Bearbeitungszentrum eignet sich laut Hersteller für unterschiedlichste Bauteildesigns – von Rahmenstrukturteilen bis hin zu Batteriegehäusen. Das Zentrum verfügt über verschiedene Automatisierungsmöglichkeiten und ist modular aufgebaut.

In einer anderen Messehalle zeigt Fanuc die Handhabung großer Gigacasting-Bauteile per Roboter. Das ist ein weiterer wichtiger Baustein für die Automatisierung der neuen Prozessketten im Automobilbau.

Ein Beitrag von:

  • Martin Ciupek

    Martin Ciupek ist Ingenieur und Technikjournalist mit den Schwerpunkten Maschinenbau, Robotik und Automatisierungstechnik.

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