Produktsicherheit 08.12.2025, 12:00 Uhr

Rückruf bei Cube: Wie kleine Produktionsänderungen zum Risiko werden

Auch wenn ein Produkt dabei optisch identisch bleibt, können Anpassungen in der Produktion gravierende Folgen für dessen Sicherheitsbewertung haben. Was Unternehmen aus dem Fall des Fahrradherstellers Cube lernen können.

Schon kleine Änderungen in Materialien oder Fertigungsprozessen können Auswirkungen auf die Stabilität von Fahrradkomponenten haben

Schon kleine Änderungen in Materialien oder Fertigungsprozessen können Auswirkungen auf die Stabilität von Fahrradkomponenten haben.

Foto: picture alliance / SVEN SIMON | Frank Hoermann / SVEN SIMON

Mit dem Rückruf für seine Rennrad-Serie Agree C:62 macht der Fahrradhersteller Cube im Sinne der Produktsicherheit alles richtig. Das Unternehmen hat eine kleine Anzahl von gemeldeten Fällen untersucht, in denen es zu Rissbildungen kam. Diese traten oberhalb der Bremsaufnahme an der Carbon-Gabel auf. Dabei stellten die Verantwortlichen nach eigenen Angaben ein mögliches Sicherheitsrisiko fest.

Materialänderung ab Modelljahr 2025 als Ursache

Eine Änderung im Harzmaterial ab Modelljahr 2025 könne dazu führen, dass einzelne Gabeln im betroffenen Bereich einen zu geringen Harzanteil aufweisen, heißt es dazu auf der Cube-Homepage. In seltenen Fällen könnten sich dadurch die äußeren Lagen der Carbon-Schicht ablösen, was zu Rissbildungen und einer erheblichen Schwächung der Gabelstruktur bis hin zum Bruch der linken Gabelscheide führen könne.

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Aus Sicherheitsgründen überprüft der Hersteller deshalb die Gabeln der bis 30. November 2025 ausgelieferten Agree-C:62-Rennräder der Modelljahre 2025 und 2026. Falls nötig, werden diese dann laut Hersteller ausgetauscht.

Warum kleine Änderungen große Folgen haben können

Cube ist hier kein Einzelfall: Schon geringe Eingriffe in Produktionsprozesse können die Sicherheit eines Produkts beeinflussen. Die Marktüberwachung des Regierungspräsidiums Darmstadt verweist auf einen ähnlichen Fall: Bei einer Mehrfachsteckdose wurde eine robuste Nietverbindung im Leiter durch einen günstigeren Schweißpunkt ersetzt. Hier stellten die Prüfer eine mögliche Gefahr durch unzulässige Kriechströme fest. Damit dürfe zwar das nahezu baugleiche Vorgänger Produkt das Zeichen für Geprüfte Sicherheit (GS) tragen, nicht aber die für die Produktion scheinbar nur leicht überarbeitete Variante.

Holger Fischer, Dezernat VI 63 – Marktüberwachung Produkt- und Chemikaliensicherheit, verweist darauf, dass es sich in beiden Fällen um freiwillige Prüfungen handelt.

„Beim GS-Zeichen handelt es sich um eine freiwillige Prüfung, die durch eine zugelassene Prüfstelle durchgeführt wird“, erklärt er auf Anfrage der VDI nachrichten.

Fahrrad ist nicht gleich Fahrrad

Regulation bei Fahrrädern – kurz erklärt

Fahrräder ohne Motor fallen unter die allgemeine Produktsicherheitsverordnung (GPSR, EU 2023/988). Eine externe Prüfung ist dafür in der Regel nicht vorgeschrieben – ähnlich wie bei einfachen Konsumgütern, wie etwa Tischdekoration.

Anders sieht es bei E-Bikes aus: Sie gelten rechtlich als Maschine und unterliegen daher der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. Für verschiedene andere Produktgruppen, wie beispielsweise Druckgeräte, Medizinprodukte, Aufzüge oder persönliche Schutzausrüstung, sind zusätzliche, teils verpflichtende Prüfungen vorgeschrieben.

Bei Produkten wie Fahrrädern werden zur Sicherheitsbewertung die einschlägigen Normen zur Sicherheitsbewertung herangezogen, in dem Fall DIN EN ISO 4210. „Das beinhaltet auch die Belastung der verschiedenen Komponenten am Fahrrad“, erläutert der Experte. Ändert nun ein Hersteller etwas an seinem Produkt, wie bei dem Harz der Fahrradgabel, sollte er dann durch entsprechende Tests nachweisen, dass die Norm weiterhin erfüllt wird.

Sind im Rahmen eines Konformitätsbewertungsverfahrens eine Baumusterprüfung zu einem Produkt erforderlich, wird die bei einer Änderung des Produktes laut Fischer in der Regel hinfällig. Solche Prüfungen sind im Rahmen von EU-Richtlinien/Verordnungen wie der Maschinenrichtlinie vorgesehen.

Risikobewertung auch ohne formelles Verfahren

Was sollten Unternehmen also tun, wenn sie Änderungen an bestehenden Produkten oder Produktionsprozessen vornehmen? Die Antwort von Fischer lautet: „Auch bei einem Produkt, das lediglich unter die GPSR fällt, muss man sich Gedanken machen was ggf. passieren kann.“

Er fügt aber direkt beruhigend hinzu: Das Verfahren sei hier nicht so streng strukturiert wie beim Konformitätsbewertungsverfahren beispielsweise für die Maschinenrichtline.

„Da kann es durchaus reichen, wenn ich mich einmal eine Stunde hinsetze und mir ein paar Gedanken notiere, was mit so einem Produkt alles schiefgehen könnte.“  Bei einer Risikobewertung komme dann in der Regel nur „ein niedriges Risiko“ heraus. „Da müssen Sie im Prinzip nur belegen, dass Sie nicht fahrlässig handeln“, so Fischer.

Ein Beitrag von:

  • Martin Ciupek

    Martin Ciupek ist Ingenieur und Technikjournalist mit den Schwerpunkten Maschinenbau, Robotik und Automatisierungstechnik.

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