Rohstoffgewinnung 21.09.2012, 11:52 Uhr

Koppelprodukte: „Schattenmetalle“ mit glänzender Zukunft

Viele Metalle, die für moderne Technologien unverzichtbar sind, fallen als Nebenprodukte bei der großtechnischen Gewinnung anderer Rohstoffe an. Durch die stark steigende Nachfrage – insbesondere beim Lithium – droht eine Knappheit, wenn die Rohstoffkonzerne beim Abbau nicht umdenken.

Koppelprodukte: Durch die stark steigende Nachfrage droht eine Knappheit

Koppelprodukte: Durch die stark steigende Nachfrage droht eine Knappheit

Foto: Werkfoto

In der Werbung sind sie schon oft zu sehen, auf den Straßen bisher kaum. Elektroautos haben ihre Zukunft noch vor sich. Das gilt auch für Lithium, das als zentraler Rohstoff für die Batterien der neuen Mobilitätswelt dienen soll und dessen Bedarf sich nach einer Studie der US-Geologenvereinigung USGS bis 2025 um den Faktor 4 bis 9 erhöhen könnte.

Auch die EU-Kommission will bis Ende des Jahres eine Studie zur Entwicklung der Verfügbarkeit des Metalls vorstellen. „Lithium kommt eine zentrale Bedeutung zu“, sagte Raymond Moss vom Institute for Energy and Transport IET der EU-Kommission in Petten (Niederlande) den VDI nachrichten vorab. Bereits im vergangenen Jahr hatte das Institut das umfangreiche Papier „Critical Metals in Strategic Energy Technologies“ vorgelegt, in dem mögliche Knappheitsszenarien durchgespielt werden, die für klimaschonende Technologien in der EU von wachsender Bedeutung sein dürften. Lithium war nicht darunter. „Das wird jetzt nachgeholt“, so Moss. Dabei spiele eine Rolle, dass Lithium bisher überwiegend als „by-product“ der Düngemittelherstellung gewonnen wird.

Koppelprodukt Lithium: Ab 2020 könnte die Nachfrage das Lithium-Angebot übersteigen

Laut USGS könnte der Fall eintreten, dass wegen des zu langsamen Aufbaus neuer Erschließungskapazitäten das Wachstum des Lithiumangebots ab 2020 nicht mehr mit der Nachfrage Schritt halten könne. „Die Frage ist, wie viel Kaliumsalz werden die Düngemittelhersteller bereit sein zu produzieren, um den Ausstoß von Lithiumsalzen als Koppelprodukte zu erhöhen“, sagt Lithiumexperte Benjamin Schott vom Zentrum für Solarenergie- und Wasserstoffforschung ZSW in Stuttgart.

Der weltgrößte Lithium-Explorateur ist Sociedad Quimica y Minera de Chile (SQM), die Kalium und Lithium aus einem Salzsee in der chilenischen Atacama-Wüste extrahiert. Dabei standen 2011 der Gewinnung von 2 Mio. t Kali nur 48 000 t Lithium gegenüber – immerhin 35 % des weltweiten Lithiummarkts. Sollte die Nachfrage tatsächlich kräftig steigen, ist fraglich, ob SQM dann einen Düngemittelüberschuss erzeugt, um genügend Lithium zu produzieren.

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„Es ist letztlich eine ökonomische Frage, ob Unternehmen die Extraktion von Koppelprodukten ausbauen werden“, sagt Henrike Sievers, Bergbau- und Rohstoffexpertin bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe BGR, Hannover.

Unternehmen fehlt oftmals der ökonomische Anreiz, die Extraktion von Koppelprodukten wie z.B. Tellur auszubauen

Häufig rechnet sich das nicht – etwa beim Tellur. „Der ökonomische Anreiz, Tellur aus unseren Kupfererzen anzureichern, ist sehr gering“, erklärt Lars Radowitz, verantwortlich für die Kommerzialisierung von Edelmetallen bei Europas größter Kupferhütte Aurubis. Tellur ist ein typisches Koppelprodukt des Kupfers und wichtig für die Cadmium-Tellurid-Technologie der Photovoltaik, der Studien eine große Zukunft prognostizieren. In den Kupfererzen seien aber nur wenige g Tellur pro t Kupfererz zu finden, so Radowitz. Für Aurubis seien solche Spurenelemente „Verunreinigungen“, die den Produktionsprozess des Kupfers beeinträchtigten. „Bei einem Marktpreis von 100 $ bis 200 $ je kg Tellur werden Kupferhütten den Prozess nicht auf die Gewinnung von Tellur fokussieren“, schätzt Radowitz. Bevor sich die Preise nicht vervielfachten, werde sich daran kaum etwas ändern.

Ähnliches gilt für Indium, ein Metall, das vor allem als Koppelprodukt bei der Zinkförderung auftritt. Die EU sieht wegen seiner Bedeutung in Flachbildschirmen und Solarzellen den Bedarf steigen. „Das von uns verarbeitete Zink verfügt nur über Spuren von Indium“, sagt dazu ein Sprecher des britisch-schweizerischen Rohstoffkonzerns Xstrata. „Wenn wir auf solche Erze in unseren Minen stoßen würden, müssten wir uns erst mit der Frage auseinandersetzen, ob wir Indium überhaupt erschließen wollen.“ Das IET schätzt die Investitionskosten für eine Indiumaufbereitungsanlage auf 50 Mio. €.

Auch wenn die Preise für Koppelprodukte ansteigen, droht der Solartechnik oder der Elektromobilität nicht das Aus

Weniger als die Hälfte kostet eine Einheit zur Gewinnung des Halbleitermetalls Gallium, das bei der Aluminiumschmelze aus Bauxit als Nebenprodukt gewonnen werden kann, meistens aber unerschlossen auf die Deponie wandert. „Aktuell werden weniger als 10 % des im Bauxit enthaltenen Galliums extrahiert”, erklärt Claire Mikolajczak vom US-Spezialmetallanbieter Indium Corporation. Für große Aluminiumproduzenten lohnt sich die Aufbereitung schlicht nicht. Die jährliche Aluminiumproduktion von 40 Mio. t steht dem Galliumbedarf von gut 100 t gegenüber.

Die Preise für das Gros der genannten Koppelprodukte sind in den letzten Jahren trotz vielversprechender Zukunftsszenarien deutlich unter Druck geraten. So sanken sie im Jahresverlauf bei Tellur um 50 %, Gallium um 30 % und Indium um 10 %. Ein Blick in die Bilanz von SQM zeigt, dass 2011 die Preise für Lithiumsalz bei rund 4000 $/t und damit um 50 % unter den Höchstmarken 2009 lagen.

„Die grundsätzliche Verfügbarkeit ist kein Problem“, so BGR-Geologin Sievers. „Doch bisher haben die meisten großen Konzerne ihre Erzaufbereitung auf bestimmte Metalle optimiert.“ Immerhin gibt es eine wachsende Zahl von spezialisierten Verarbeitern, die den attraktiven Ausschuss der Großen aufkaufen. Zwar wird auch deren Aktivität durch das niedrige Preisniveau aktuell gedämpft. Doch mit steigender Nachfrage dürften die Preise für die Koppelprodukte langfristig wohl doch anziehen. Selbst bei einer Vervielfachung drohen Solartechnik oder Elektromobilität aber nicht das Aus. Nach USGS-Auskunft ist Lithium „eines der billigsten Bestandteile der Lithium-Ionen-Batterie“. Bei aktuellen Kostenstrukturen mache der Rohstoff laut ZSW maximal 3 % des Batteriepreises aus.

 

Ein Beitrag von:

  • Oliver Ristau

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