Zukunft des Autos 11.09.2025, 11:25 Uhr

Wie viel Technologieoffenheit braucht die Autoindustrie?

Die Debatte um Technologieoffenheit wurde auf der IAA neu entfacht. Was wünschen sich Merz, Söder, die Industrie und der VDI für die Zukunft des Autos?

Bundeskanzler Friedrich Merz bei seiner Rede zur Eröffnung der IAA Mobility

Bundeskanzler Friedrich Merz bei seiner Rede zur Eröffnung der IAA Mobility in München – er fordert ein Ende des geplanten Verbrennerverbots.

Foto: picture alliance/dpa | Peter Kneffel

Die Zukunft des Autos ist ein Streitfall. Zwischen Batterie, E-Fuels, Wasserstoff und Hybriden ist vieles möglich. Die Politik setzt klare Ziele, die Industrie fordert dagegen mehr Spielraum. Ein Begriff taucht dabei immer wieder auf: Technologieoffenheit. Doch was steckt dahinter, und warum entzündet sich an diesem Wort eine so leidenschaftliche Debatte?

Der Streit um den Verbrenner

Auf der IAA Mobility in München war das Bild klar: glänzende Elektroautos, futuristische Softwarelösungen, digitale Konzepte. Doch hinter den Kulissen schwelte ein alter Konflikt. Der Verbrennungsmotor soll nach den Plänen der EU ab 2035 in Neuwagen Geschichte sein. Bundeskanzler Friedrich Merz hält das für den falschen Weg.

„Einseitige politische Festlegungen auf bestimmte Technologien sind nicht nur für diese Branche grundsätzlich der falsche wirtschaftspolitische Weg“, erklärte er zum Auftakt der Messe. Sein Appell: keine Verbote, sondern Freiraum für Innovationen. Merz spricht von Technologieoffenheit – ein Begriff, der inzwischen zu einer Art Zauberformel in der Debatte geworden ist.

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Söder geht in die Offensive

Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder mischt mit. Er will das Verbrenner-Aus 2035 kippen. „Der Verbrenner hat mit e-Fuels und neuen Technologien Zukunft. Das EU-Verbrennerverbot 2035 gefährdet Hunderttausende Arbeitsplätze“, sagte er. In München präsentierte er einen Zehn-Punkte-Plan, der von CO₂-Zielen über die Ladeinfrastruktur bis hin zur Stärkung der Zulieferindustrie reicht.

Für Söder ist das Auto mehr als ein Fortbewegungsmittel. „Es ist das Herz unserer Volkswirtschaft – ohne Auto droht ein Kollaps.“ Solche Worte kommen gut an in Bayern, wo Audi und BMW das Rückgrat der Industrie sind. Doch Kritiker halten dagegen: Katharina Dröge, Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, warf Söder vor, sich zum „Totengräber der deutschen Automobilindustrie“ zu machen.

Industrie zwischen Hoffnung und Realität

Die Hersteller selbst stehen unter Druck. Der Absatz lahmt, die Konkurrenz aus China wächst, gleichzeitig kostet die Transformation Milliarden. Volkswagen-Chef Oliver Blume begrüßt deshalb den geplanten Automobilgipfel in Berlin: „Wir begrüßen, dass die Bundesregierung zu einem Automobilgipfel einladen wird.“ Mercedes-Chef Ola Källenius brachte es auf den Punkt: „Wir stehen an einem Punkt, der über die Zukunft unserer Industrie und ihrer Arbeitsplätze entscheidet – und damit über die Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland und Europa.“

Die Botschaft ist klar: Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Doch was bedeutet das in einer Zeit, in der die Technik so schnell wechselt wie nie zuvor?

Technologieoffenheit – Schlagwort oder Strategie?

Hinter dem Begriff Technologieoffenheit steckt ein einfacher Gedanke: Der Staat soll Ziele setzen, etwa Klimaneutralität, aber keine festen Wege vorschreiben. Ob ein Auto mit Batterie, Wasserstoff, E-Fuels oder Hybrid fährt, wäre dann Sache der Hersteller – solange die Emissionen sinken.

Auf dem Papier klingt das vernünftig. Doch Kritiker warnen, dass zu viel Offenheit auch Stillstand bedeutet. Wer auf viele Pferde gleichzeitig setzt, könnte am Ende keines richtig nach vorne bringen. Das zeigt sich beim Streit um E-Fuels besonders deutlich.

E-Fuels – Heilsbringer oder teure Nische?

Synthetische Kraftstoffe gelten für manche als Joker. Sie entstehen, wenn Wasserstoff mit CO₂ kombiniert wird. Im Idealfall klimaneutral, wenn der Wasserstoff aus erneuerbaren Energien stammt. Der Vorteil: E-Fuels können in bestehenden Motoren genutzt werden. Damit ließe sich die gewaltige Bestandsflotte klimafreundlicher machen.

Doch der Haken ist die Effizienz. Um ein Auto mit E-Fuels anzutreiben, braucht es ein Vielfaches an Strom im Vergleich zu einem batterieelektrischen Fahrzeug. Für Pkw im Massenmarkt ist das kaum realistisch. In Luftfahrt und Schifffahrt hingegen könnten E-Fuels eine wichtige Rolle spielen, weil Batterien dort an ihre Grenzen stoßen.

Batterieautos – Fortschritt mit Hürden

Elektroautos gelten nach wie vor als Favoriten im Rennen. Reichweiten steigen, die Ladeinfrastruktur wächst, die Preise sinken langsam. Doch es bleiben Fragen: Woher kommen die Rohstoffe für Lithium und Kobalt? Wie lassen sich Batterien recyceln? Und wie schnell schaffen wir es, das Stromnetz auszubauen?

Forschende arbeiten an Festkörperbatterien, die sicherer und leistungsfähiger sein sollen. Recyclingtechnologien entwickeln sich, und auch Second-Life-Konzepte, bei denen alte Batterien als Speicher genutzt werden, gewinnen an Bedeutung. Aber bis all das marktreif ist, bleibt der Weg steinig.

Hybridlösungen – Brücke oder Sackgasse?

Hybride kombinieren Verbrennungsmotor und Elektromotor. Sie versprechen Reichweite und Flexibilität. Auf dem Papier sehen die CO₂-Werte gut aus. Doch in der Praxis zeigt sich oft: Viele Menschen laden die Batterie kaum, sodass der Benzinverbrauch höher ausfällt als geplant.

VDI-Präsident Lutz Eckstein sieht dennoch eine Rolle für Mischformen: „Plug-In-Hybride mit großen Reichweiten und Elektrofahrzeuge mit Range-Extendern sind eine sinnvolle Ergänzung, da sie in der Regel rein elektrisch bewegt werden.“ Die Realität auf den Straßen dürfte am Ende entscheiden, ob Hybride mehr Brücke oder mehr Illusion sind.

VDI: Vielfalt statt Kreuzzug

Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) fordert, den Blick zu weiten. „Die Zeit technologischer Kreuzzüge muss endlich beendet werden“, sagte Eckstein auf der IAA. Der Verband sieht Vorteile in einer gemischten Flotte: Batterieautos für die meisten Strecken, ergänzt durch Hybride und Brennstoffzellen. Verbrenner könnten bleiben, wenn sie mit klimaneutralen Kraftstoffen laufen.

In einer Studie unter VDI-Mitgliedern halten mehr als zwei Drittel die Batterie langfristig für den wichtigsten Antrieb. Aber auch hier gilt: Ohne Ausbau der Ladeinfrastruktur wird die Akzeptanz nicht steigen. Eckstein zieht einen Vergleich zu China: Dort setzt man auf Vielfalt – und das mit Erfolg.

Infrastruktur als Knackpunkt

Ob Batterie oder Wasserstoff – ohne Infrastruktur geht es nicht. Ladepunkte müssen dichter werden, Wasserstofftankstellen verfügbar sein, Stromnetze stabil bleiben. Gerade der ländliche Raum hinkt hinterher. Wer auf dem Land wohnt, zögert beim Umstieg auf ein Elektroauto oft noch.

Söder forderte deshalb, nicht nur Pkw, sondern auch Busse stärker in die Ladeoffensive einzubeziehen. Ein sinnvoller Punkt, wie auch der VDI bestätigt. Denn Mobilität endet nicht am eigenen Garagentor.

Protest und Symbolik

Während Politiker und Manager über Strategien debattieren, zeigten Aktivisten vor der IAA ein anderes Bild. Ein „Autosaurus“, halb Dino, halb Auto, schwamm vor dem Eingang. Das Symbol: Alte Technik, die eigentlich ausgestorben sein sollte. Der Protest erinnert daran, dass es nicht nur um Technik und Jobs geht, sondern auch um die Frage, wie schnell der Klimaschutz vorankommt.

(mit dpa)

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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