U-Boote aus Kiel für Kanada? TKMS im Milliardenrennen
Die Kieler Werft TKMS ist im Rennen um Kanadas U-Boot-Auftrag: Moderne 212CD-Boote sollen die Arktis sichern. Südkorea bleibt Konkurrent.
Der Kieler Werft TKMS winkt der größte Auftrag seiner Geschichte. Es geht um mehrere U-Boote der 212CD-Klasse.
Foto: picture alliance/dpa | Christian Charisius
Kanada steht vor einer sicherheitspolitischen Zäsur. Die Regierung in Ottawa will ihre Marine mit einer neuen Generation von U-Booten ausstatten. Die heutige Flotte der Victoria-Klasse stammt noch aus den 1990er-Jahren und wird spätestens Mitte der 2030er Jahre ausgemustert. Damit das Land nicht ohne einsatzfähige Boote dasteht, läuft seit einiger Zeit das „Canadian Patrol Submarine Project“ (CPSP). Das Ziel: bis zu zwölf hochmoderne U-Boote, die auch in der Arktis zuverlässig eingesetzt werden können.
Zwei Unternehmen sind in der Endrunde: das deutsche TKMS (Thyssenkrupp Marine Systems) und Hanwha Ocean aus Südkorea. Beide erfüllen laut Ottawa die technischen Anforderungen. Offiziell ausgeschrieben ist das Milliardenprojekt zwar noch nicht, doch die Gespräche sind intensiv. Spätestens 2035 soll das erste Boot im Hafen von Halifax liegen.
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Sicherheit im hohen Norden
Kanada hat die längste Küstenlinie der Welt und muss nicht nur den Atlantik, sondern auch den Pazifik und die Arktis im Blick behalten. Mit dem Klimawandel schmilzt das Eis im hohen Norden, neue Schifffahrtsrouten entstehen, und der Zugang zu Rohstoffen wird attraktiver. Russland ist in der Region schon heute militärisch präsent. Für Ottawa bedeutet das: Ohne U-Boote, die lange tauchen, unentdeckt bleiben und weitreichend operieren können, verliert das Land Handlungsspielraum.
Der kanadische Premierminister Mark Carney brachte es kürzlich auf den Punkt: Entscheidend sei nicht nur die Technik, sondern auch der „wirtschaftliche Nutzen für Kanada“. Produktion im eigenen Land, Arbeitsplätze in der Industrie und eine enge Verzahnung mit NATO-Partnern gehören für ihn zusammen.
Politische Bühne in Kiel und Berlin
Dass Deutschland als Favorit gilt, liegt auch an der engen Abstimmung auf Regierungsebene. Bei einem Treffen in Berlin warb Bundeskanzler Friedrich Merz offen für das deutsch-norwegische Modell. „Man muss den Nordatlantik gemeinsam sichern. Wenn Kanada zu dem bestehenden deutsch-norwegischen Bündnis bei der U-Boot-Produktion hinzukomme, wäre dies ein sehr starkes Signal“, sagte Merz.
Begleitet wurde Carney bei seiner Deutschlandreise vom Verteidigungsminister David McGuinty. Gemeinsam mit Boris Pistorius besichtigte er die Werft von TKMS in Kiel. Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther war vor Ort und betonte die Bedeutung der Rüstungsindustrie für das Land zwischen Nord- und Ostsee.
Norwegen spielt in diesem Geflecht eine Schlüsselrolle. Das Land hat selbst sechs U-Boote der Klasse 212CD bei TKMS bestellt und wäre für Kanada ein direkter Partner im Betrieb und bei der Wartung. Schon vor einem Jahr hatte Pistorius in Ottawa eine „trilaterale maritime Partnerschaft“ vorgeschlagen, die den Nordatlantik und die Arktis absichern soll.

Ein U-Boot Modell der HDW Class 212CD Baureihe ist im Besucherzentrum „Oceanworld“ auf der Werft von Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) zu sehen.
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Milliarden und Industriepolitik
Der Wert des Projekts liegt bei geschätzten 20 bis 24 Milliarden kanadischen Dollar, umgerechnet rund 13 bis 16 Milliarden Euro. Für TKMS wäre es einer der größten Aufträge der Firmengeschichte.
Ottawa denkt aber nicht nur an den militärischen Nutzen. Die Regierung will ihre heimische Industrie beteiligen. In der Informationsphase des CPSP fragte sie gezielt nach Möglichkeiten für Instandhaltung, Ausbildung und Infrastruktur im Land. Dabei geht es um langfristige Jobs und Technologiekooperationen.
Kanada möchte seine Abhängigkeit von einzelnen Handelspartnern verringern. Premier Carney betonte: „Ottawa mobilisiert nahezu eine halbe Billion Dollar an Investitionen in Energie-, Hafen- und digitale Infrastruktur.“ Die U-Boote sind also Teil eines größeren strategischen Plans, der auch Rohstoffe und Energielieferungen umfasst.
Technik mit leisen Stärken
Der deutsche Vorschlag basiert auf der Klasse 212CD, die derzeit für Deutschland und Norwegen gebaut wird. „CD“ steht für „Common Design“. Damit soll ein gemeinsamer Standard entstehen, der Wartung und Ausbildung erleichtert.
Die Boote sind rund 73 Meter lang, verdrängen bis zu 2800 Tonnen und werden aus nicht magnetisierbarem Stahl gefertigt. Das macht sie für Magnetminen unsichtbar. Herzstück ist der außenluftunabhängige Antrieb, der längeres, fast geräuschloses Tauchen ermöglicht. Ergänzt wird er durch Dieselaggregate der Serie MTU 4000 und eine moderne Lithium-Ionen-Batterie.
Besonders auffällig ist die Rumpfform. Im Querschnitt ähnelt sie einem geschliffenen Diamanten. Das reduziert die Ortbarkeit durch Sonar um bis zu 60 % im Vergleich zur Vorgängerklasse 212A.
Technische Daten: U-Boot-Klasse 212CD
- Länge: ca. 73 m
- Verdrängung: rund 2.800 t
- Antrieb: außenluftunabhängiger Brennstoffzellen-Antrieb, Dieselgeneratoren (MTU 4000), Lithium-Ionen-Batterie
- Besatzung: ca. 27 Personen
- Rumpfmaterial: nicht magnetisierbarer Stahl
- Form: diamantähnlicher Querschnitt, reduziert Ortbarkeit um ca. 60 %
- Sensorik: Optronik-Mastsysteme (OMS 150 & OMS 300), Panorama-Überwachungssystem i360°OS
- Bewaffnung: Schwergewichtstorpedo DM2A4, Flugkörpersystem IDAS
- Besonderheiten: ORCCA-Führungs- und Waffeneinsatzsystem, hohe Reichweite, lange Unterwasser-Ausdauer
Optronik-Masten statt Periskop
Anstelle des klassischen Periskops setzen die Boote auf Optronik-Masten von Hensoldt. Sie tragen hochauflösende Tag- und Nachtsichtkameras, Infrarotsensoren, Laserentfernungsmesser und Radarsysteme. Einer der beiden Masten ist in einer Tarnversion ausgeführt, die kaum sichtbar ist. Für die Besatzung bedeutet das: Beobachten, ohne selbst gesehen zu werden.
Auch die Bewaffnung ist vielseitig. Deutschland setzt auf den Schwergewichtstorpedo DM2A4. Zudem ist das Flugkörpersystem IDAS vorgesehen, das gegen Hubschrauber eingesetzt werden kann – eine der größten Bedrohungen für U-Boote.
Strategische Kooperation
Für Kanada könnte die Wahl des deutschen Angebots mehr sein als eine Beschaffung. Ottawa würde Teil eines Netzwerks aus Deutschland und Norwegen, das bereits eng zusammenarbeitet. Ein gemeinsames Programmbüro in Kiel koordiniert Bau und Lieferung, ein zweites Büro in Norwegen soll sich um den Betrieb über die gesamte Lebensdauer kümmern.
Norwegen entschied sich bewusst gegen eine Neuentwicklung. Der Rückgriff auf ein erprobtes Konzept verringert Risiken und Kosten. Kanada könnte davon profitieren. Gleichzeitig würden Wartung, Ersatzteile und Ausbildung leichter in internationale Strukturen eingebettet.
Konkurrenz aus Südkorea
Der einzige verbliebene Konkurrent ist Hanwha Ocean aus Südkorea. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren mehrere modernisierte Boote an die südkoreanische Marine geliefert und will nun auch in Kanada Fuß fassen. Ottawa hat angekündigt, im Herbst die Werften in Korea zu besichtigen.
Welche Argumente am Ende den Ausschlag geben, bleibt offen. Kanada will Technik, die den arktischen Bedingungen standhält, aber auch einen Deal, der die eigene Wirtschaft stärkt. (mit Material der dpa)
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