Mythos Elektroauto-Brand
Videos von brennenden E-Autos gehen viral – und prägen das Bild des gefährlichen Stromers. Eine aktuelle Studie räumt mit dem Mythos auf: Die Wahrheit sieht völlig anders aus.
Wenn E-Autos brennen, dann meist aufgrund externer Faktoren oder Brandstiftung – so wie dieser Tesla in Berlin-Steglitz
Foto: picture alliance / PIC ONE/Christian Ender
Sie sind heiße Ware in den sozialen Medien: Videos von brennenden Elektroautos verbreiten sich dort in Sekunden – und brennen sich ins kollektive Bewusstsein ein. Der Eindruck: Wenn ein batterieelektrisches Fahrzeug (BEV) Feuer fängt, ist die Ursache meist die Batterie. Zudem seien diese Feuer extrem schwer zu löschen oder flackern nach einigen Tagen von selbst wieder auf.
Doch eine aktuelle Untersuchung des Allianz Zentrums für Technik (AZT) dürfte diese Wahrnehmung auslöschen.
Inhaltsverzeichnis
Brennende Stromer sind eine Seltenheit
Die Forscher des AZT haben dazu 45 bei der Allianz gemeldete Schadensfälle aus den Jahren 2020 bis 2024 ausgewertet. Ziel war eine nüchterne technische Bewertung des Brandrisikos. „Schon eine ausreichende Zahl ausgebrannter E-Autos zu finden, war gar nicht so einfach“, so Carsten Reinkemeyer, Leiter Sicherheitsforschung im AZT und Verantwortlicher für die Studie.
Denn brennende Stromer sind eine Seltenheit. Von den untersuchten Fällen entpuppten sich lediglich 20 als tatsächliche Fahrzeugbrände – der Rest betraf beispielsweise abgebrannte Lagerhallen, in denen auch Räder von Elektroautos gelagert waren, oder Zubehörteile wie mobile Ladekabel.
Das zentrale Ergebnis: Nur ein Viertel dieser Brände ist tatsächlich durch technische Defekte im Fahrzeug selbst entstanden. 40 % wurden durch externe Quellen ausgelöst, etwa Brände in Gebäuden, Carports oder benachbarten Fahrzeugen. Weitere 10 % sind auf Brandstiftung zurückzuführen, bei einem Viertel der Fälle ist die Ursache unklar geblieben.
Diesel brennt öfter
„Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass Elektrofahrzeuge im Vergleich zu Fahrzeugen mit herkömmlichen Antriebsarten deutlich weniger oft in Brand geraten“, sagt der Ingenieur. „Selbst wenn man nur Fahrzeuge betrachtet, die weniger als zwei Jahre alt sind, nähert sich die Brandwahrscheinlichkeit von Elektrofahrzeugen zwar der von Benzinern an, sie liegt aber weiterhin deutlich unter der von Dieselfahrzeugen.“
Den Experten wundert das schon deswegen nicht, weil die möglichen Brandquellen mangels brennbarer Flüssigkeiten im E-Auto prinzipiell geringer sind.
Ursachen für den E-Auto-Brand
Wenn Elektrofahrzeuge tatsächlich aus technischen Gründen brennen, liegt das zumeist an klassischen elektrischen Fehlern – etwa an Kurzschlüssen oder Defekten in der Leistungselektronik. In keinem der analysierten Fälle war ein sogenannter „Thermal Runaway“ – also eine chemisch bedingte Kettenreaktion in der Batterie – die Ursache.
Dies ist auch praktisch nur bei fehlerhaft hergestellten Akkus möglich, in denen sich eine Zelle entzünden und die Nachbarn mit entflammen könnte. Auch diese hypothetische Gefahr ist fast nur auf Lithium-Ionen-Batterien beschränkt. Die immer populäreren Lithium-Eisenphosphat-Batterien seien bauartbedingt noch weniger gefährdet, in Brand zu geraten, so der Experte. Denn ihre Kathode ist chemisch stabiler und setzt bei mechanischer Beschädigung oder Überhitzung keinen Sauerstoff frei. Die Nahrung für weitere Flammen fehlt also.
Die Studie dokumentiert mehrere Beispiele, die zeigen, wie unterschiedlich die Ursachen technischer Brände bei Elektrofahrzeugen sein können. So hatte sich in einem Fall ein Steuergerät der elektrischen Lenkunterstützung infolge eines Fertigungsfehlers entzündet, während in einem anderen ein Kurzschluss im Relaismodul einen Brand auslöste, der jedoch nicht auf die Batterie übergriff. Nur ein einziger Brand konnte direkt auf einen Defekt an der Hochvoltbatterie zurückgeführt werden, wobei die Batteriezellen selbst unbeschädigt blieben.
Externe Faktoren überwiegen
Ein weiterer Sonderfall betraf ein Fahrzeug, das in Eigenregie auf Elektroantrieb umgebaut worden und in Brand geraten war – ein Vorfall, der nach Einschätzung der Allianz-Fachleute nicht repräsentativ für serienmäßig produzierte Elektroautos ist.
Auch der vielfach diskutierte Brand nach Unfällen oder Überflutungen erwies sich als weitgehend harmlos. Laut Allianz-Daten sind bei Kollisionen bislang keine Auffälligkeiten im Vergleich zu Benzin- oder Dieselfahrzeugen aufgetreten. Der Grund: Die Batterie ist durch eine massive Struktur geschützt. Selbst bei schweren Kollisionen, etwa dem Frontaufprall eines BMW iX, blieb sie unbeschädigt – während ein benzinbetriebenes Fahrzeug beim selben Unfall Feuer fing.
Selbst nach Überflutungen wie im Ahrtal 2021 zeigten sich keine spontanen Brände. Die Hochvoltbatterien moderner BEVs waren gegen Wasser druckdicht versiegelt. Nur bei langfristiger Salzwassereinwirkung, beispielsweise nach Hurrikans in den USA, konnte es über Wochen zu korrosiven Prozessen kommen, die Brände begünstigten.
Vorurteile und Mythen
Den Vorurteilen und Mythen rund um die Brandgefahr durch E-Autos tut dies keinen Abbruch. Bei viel beachteten Schiffsbränden wie auf der Felicity Ace (2022), der Freemantle Highway (2023) oder der Morning Midas (2025) kursieren etwa schnell Behauptungen, Elektroautos hätten das Feuer ausgelöst. Beweise dafür gab es aber nicht.
Im Gegenteil, so der AZT-Experte: Auf der Freemantle Highway konnten sogar zahlreiche E-Fahrzeuge nach der Bergung aus eigener Kraft das Schiff verlassen. Vermutet wird inzwischen, dass durch das Löschwasser ausgelöste Korrosionsprozesse später zu Selbstentzündungen geführt haben – nicht die Batteriechemie selbst.
„Es ist jedoch immer zu beachten, dass die Brandzahlen bei Elektrofahrzeugen allgemein noch sehr gering sind und somit Schwankungen unterworfen sein können“, betont Reinkemeyer. Sein Fazit fällt dennoch eindeutig aus: Elektrofahrzeuge brennen nicht häufiger als Verbrenner, eher seltener. Und die meisten dokumentierten Brandfälle gingen nicht auf den Antrieb, sondern auf äußere Umstände zurück. Das selbstentzündende E-Auto ist damit weitgehend kalter Kaffee.
Hinweis: Das AZT wird die Ergebnisse der Studie im Dezember detailliert publizieren.
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