Nuklearer Antrieb 31.08.2024, 09:57 Uhr

Ford Nucleon und Co.: Die Geschichte der Atomautos

Zu Beginn des Atomzeitalters träumten viele Ingenieure und Wissenschaftler von nuklearbetrieben Autos mit nahezu unendlicher Reichweite. Schauen wir uns die Geschichte der Atomautos einmal etwas genauer an.

Ford Nucleon

Dieses Modell im Maßstab 3/8 wurde gebaut, um zu untersuchen, wie sich die Zukunft der Energie auf die Zukunft des Automobildesigns auswirken könnte. Der Ford Nucleon wäre von einem hinten angebrachten, in sich geschlossenen Atomreaktor angetrieben worden. Diese Idee eines Atom-Automobils setzte natürlich voraus, dass die Probleme mit der nuklearen Sicherheit und der Größe und dem Gewicht von Kernreaktoren irgendwann gelöst werden würden. Das Nucleon wurde nie produziert.

Foto: From the Collections of The Henry Ford. Gift of Ford Motor Company.

Die Idee, Autos mit Atomantrieb zu entwickeln, klingt heute wie eine futuristische Fantasie. Doch in den 1950er und 1960er Jahren war die Vorstellung von nuklear angetriebenen Fahrzeugen nicht nur ein Gedankenspiel. Ingenieure und Wissenschaftler sahen in der Kernenergie die Lösung vieler Energieprobleme und versuchten, diese Technologie auch auf die Mobilität zu übertragen. Autos, die Tausende von Kilometern ohne Tankstopp zurücklegen konnten, waren der Inbegriff des Traums von unbegrenzter Reichweite und Effizienz. Doch wie entstanden diese Ideen und warum wurden sie nie Wirklichkeit?

Die Wurzeln der Nuklearantriebsidee

In der Nachkriegszeit herrschte ein überwältigender Optimismus gegenüber der Kernenergie. Die Entdeckung der Kernenergie und ihre Nutzung sowohl für militärische als auch für zivile Zwecke löste eine breite gesellschaftliche Begeisterung aus. In der Kernenergie sah man die ultimative Energiequelle, die nicht nur Strom in großen Mengen liefern, sondern auch die Grundlage für neue Technologien bilden könnte. Diese Begeisterung spiegelte sich auch in den Visionen der Automobilindustrie wider. Der Traum vom Atomauto war geboren.

Die USA als führende Nation in der Kerntechnik sahen sich in einer Vorreiterrolle. Diese Epoche, die oft als Atomzeitalter bezeichnet wird, brachte zahlreiche Konzepte hervor, die sich der friedlichen Nutzung der Kernenergie widmeten. Neben der Entwicklung von Kernkraftwerken und atomgetriebenen U-Booten wagten sich einige Unternehmen auch in die Welt des Automobils vor. Ein Unternehmen ragte dabei besonders heraus: die Ford Motor Company.

Der Ford Nucleon: Ein revolutionäres Konzept

1957 stellte Ford den Nucleon vor, ein Konzeptfahrzeug, das von einem kleinen Kernreaktor angetrieben werden sollte. Dieser Reaktor sollte sich im Heck des Fahrzeugs befinden und durch die Spaltung von Uran Energie freisetzen. Der dabei entstehende Wasserdampf treibt eine Dampfturbine an, die das Fahrzeug in Bewegung setzt. Dieses Antriebskonzept ähnelte dem Prinzip von Atom-U-Booten und ermöglichte eine theoretische Reichweite von 8.000 Kilometern pro Reaktoreinheit.

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Die Ingenieure bei Ford waren überzeugt, dass die Kernspaltungstechnologie in Zukunft miniaturisiert und sicher genug gemacht werden könnte, um sie in Autos zu integrieren. Sie träumten von einer Welt, in der Autofahrer nicht mehr an herkömmlichen Tankstellen tanken, sondern an speziellen Reaktorwechselstationen anhalten, um einen neuen, voll aufgeladenen Reaktor einzusetzen. Diese Vision beinhaltete sogar die Möglichkeit, je nach Fahrstil und Anforderungen zwischen verschiedenen Reaktortypen mit unterschiedlichen Leistungs- und Effizienzeigenschaften wählen zu können.

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Sicherheitsbedenken und technologische Hürden

So faszinierend die Idee des Ford Nucleon auch war, die Realität erwies sich als weitaus komplizierter. Der Einsatz von Kernreaktoren in Fahrzeugen wirft ernsthafte Sicherheitsfragen auf. Selbst ein kleiner Reaktor erzeugt Strahlung, die Menschen schaden kann. Die Abschirmung dieser Strahlung in einem Fahrzeug wäre eine große Herausforderung gewesen. Massive Bleiwände oder andere Abschirmmaterialien wären notwendig gewesen, was das Fahrzeug schwer und unpraktisch gemacht hätte.

Ein weiterer Aspekt war die Unfallgefahr. Schon bei einem kleinen Unfall könnte der Reaktor beschädigt werden und radioaktives Material austreten. Die Vorstellung, dass Millionen von Autos mit nuklearen Mini-Reaktoren auf den Straßen unterwegs wären, weckte berechtigte Bedenken hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit.

Auch die technische Machbarkeit stellte eine Herausforderung dar. Der damalige Stand der Technik erlaubte es noch nicht, Kernreaktoren in einer Größe und Sicherheit zu entwickeln, die für den Einsatz in Autos geeignet gewesen wären. Auch heute noch sind Mini-Atomreaktoren technologisch komplex und teuer, was sie für den Massenmarkt unattraktiv macht.

Thorium: Ein sicherer Weg zum Atomauto?

Vor etwas mehr als zehn Jahren wurde Thorium als mögliche Alternative zu Uran für den Einsatz in Kernreaktoren diskutiert. Thorium ist ein natürlich vorkommendes radioaktives Metall, das in der Erdkruste häufiger vorkommt als Uran. Es gilt als sicherer, da es weniger radioaktive Abfälle produziert und die Gefahr einer Kernschmelze geringer ist. Diese Eigenschaften machen Thorium zu einem potenziellen Kandidaten für die Entwicklung von sichereren Kernenergieantrieben, auch für Autos.

Ein Unternehmen, das diese Vision verfolgt, ist Laser Power Systems (LPS). Im Jahr 2013 stellte LPS ein Konzept für ein mit Thorium betriebenes Auto vor. Das Fahrzeug sollte mit einem kleinen Thoriumreaktor ausgestattet sein, der genug Energie liefert, um das Auto 100 Jahre lang ohne Nachfüllen zu betreiben. Der Reaktor sollte Wärme erzeugen, die einen Laser antreibt, der wiederum Wasser erhitzt und Dampf erzeugt, der eine Turbine antreibt.

So beeindruckend diese Idee klingt, so groß sind die Hindernisse auf dem Weg zu ihrer Realisierung. Ein Flüssigsalzreaktor, der für die Nutzung von Thorium erforderlich ist, ist technologisch noch nicht ausgereift und wurde noch nicht in einer für den Einsatz in Fahrzeugen geeigneten Größe entwickelt. Die Komplexität und die Kosten solcher Reaktoren lassen einen Einsatz in der Automobilindustrie derzeit nicht zu.

Weitere Visionen nuklearer Fahrzeuge

Neben dem Ford Nucleon und den Thorium-Konzepten gibt es weitere Ideen für nuklear angetriebene Fahrzeuge. Auf der Chicago Auto Show 2009 stellte Cadillac mit dem „World Thorium Fuel Concept“ (WTF) ein Konzeptfahrzeug vor, das ebenfalls von einem Thoriumreaktor angetrieben werden sollte. Dieser Cadillac sollte 100 Jahre lang ohne Wartung und Nachfüllen fahren können. Der Designer, Loren Kulesus, stellte sich vor, dass überschüssige Energie aus dem Reaktor in das Stromnetz eingespeist werden könnte, um Häuser und andere Geräte mit Strom zu versorgen.

Ein weiteres Beispiel ist der Simca Fulgur, ein futuristisches Konzept aus Frankreich, das in den 1960er Jahren entwickelt wurde. Der Fulgur sollte autonom fahren und bei hohen Geschwindigkeiten durch Kreiselstabilisierung auf zwei Rädern balancieren. Gesteuert werden sollte es durch einen nuklearen Antrieb und ein „Elektronengehirn“, das den Fahrer überflüssig machen sollte. Auch hier blieben die technischen und sicherheitsrelevanten Herausforderungen unüberwindbar, und das Konzept wurde nie realisiert.

Fortschrittsglaube und die Euphorie des Atomzeitalters

Die Idee des Atomautos spiegelt den Fortschrittsglauben und die Euphorie der 1950er und 1960er Jahre wider. In einer Zeit, in der die Kernenergie als nahezu unbegrenzte und sichere Energiequelle galt, schien es nur logisch, diese Technologie auch auf die Mobilität zu übertragen. Der Glaube, die Kernenergie könne alle Energieprobleme der Menschheit lösen, führte zu einer Vielzahl von Projekten und Konzepten, die aus heutiger Sicht naiv erscheinen mögen, damals aber als ernsthafte Alternativen angesehen wurden.

Es war eine Zeit, in der wissenschaftliche und technische Errungenschaften als Schlüssel zur Zukunft angesehen wurden. Projekte wie der Ford Nucleon oder der Cadillac WTF waren Ausdruck einer Vision, in der der Mensch die Kräfte der Natur zähmt und sich die Technik zunutze macht, um eine bessere und effizientere Welt zu schaffen.

Warum Autos mit Nuklearantrieb nie Wirklichkeit wurden

Obwohl die Konzepte faszinierend waren, wurden sie aus gutem Grund nie in die Realität umgesetzt. Die Risiken der Nukleartechnologie, insbesondere im Hinblick auf Sicherheit und Strahlung, erwiesen sich als zu groß. Die technischen Herausforderungen, Kernreaktoren von einer Größe und Sicherheit zu entwickeln, die für den Einsatz in Autos geeignet wären, wurden nie gemeistert. Zudem hätten die Kosten für die Entwicklung und den Bau solcher Systeme den Preis der Fahrzeuge in unerschwingliche Höhen getrieben.

Die heutigen Sicherheitsstandards und das Umweltbewusstsein machen den Einsatz von Kernenergie im Auto noch unwahrscheinlicher. Die Risiken eines nuklearen Unfalls und die Frage der Entsorgung radioaktiver Abfälle stellen nach wie vor große Hindernisse dar. Selbst wenn die Technologie verfügbar wäre, würde die gesellschaftliche Akzeptanz solcher Fahrzeuge aufgrund der damit verbundenen Risiken und Bedenken wahrscheinlich fehlen.

Nuklearantriebe in anderen Bereichen

Während die Vision von nuklear angetriebenen Autos unrealistisch bleibt, wird die Kernenergie in anderen Bereichen erfolgreich eingesetzt. Atom-U-Boote nutzen seit Jahrzehnten Kernreaktoren zur Energieversorgung und ermöglichen so monatelange Tauchfahrten, ohne aufzutauchen. Auch in der Raumfahrt wird über den Einsatz von Nuklearantrieben nachgedacht, um lange Missionen zu ermöglichen und die Grenzen unseres Sonnensystems zu erforschen.

Die kontrollierte Nutzung der Kernenergie bleibt ein wichtiges Forschungsfeld, das auch in Zukunft innovative Lösungen für Energieprobleme bieten kann. Heute liegt der Schwerpunkt jedoch auf Technologien, die sicherer, nachhaltiger und wirtschaftlicher sind.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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