Flammen im Turbofan: Condor-Flug von Korfu endet in Brindisi
Stichflammen im Triebwerk: Eine Condor-Boeing musste auf dem Weg nach Düsseldorf in Brindisi notlanden. Was passiert ist.
Eine Boeing 757 von Condor startet von Düsseldorf. Solch eine Maschine musste in Brindisi notlanden, weil Flammen aus dem Triebwerk kamen.
Foto: picture alliance / Jochen Tack | Jochen Tack
Ein Routineflug von Korfu nach Düsseldorf verwandelte sich am Samstagabend für 273 Passagiere in eine Nervenprobe. Eine Boeing 757 von Condor musste außerplanmäßig im süditalienischen Brindisi landen, nachdem im rechten Triebwerk Stichflammen sichtbar wurden.
Inhaltsverzeichnis
Flammen am Triebwerk – und plötzlich Stille im Flugzeug
Kurz nach dem Start bemerkten Fluggäste, dass etwas nicht stimmte. Videos aus der Kabine zeigen, wie Flammen im Sekundentakt aus dem Triebwerk schlagen. „Wir waren schon in der Luft und dann ging es eben los, dass man ein ganz lautes Geknatter gehört hat“, schildert Passagierin Leah Steininger.
Eine Mutter berichtet der „Bild“: „Es war eine unfassbar schlimme Erfahrung. Ich habe schon Abschieds-SMS verschickt, weil ich dachte, jetzt ist es vorbei.“ Viele Reisende sprachen später von einem Moment, in dem die Gespräche verstummten und nur das Knallen des Triebwerks zu hören war.
Entscheidung im Cockpit
Im Cockpit meldete ein Instrument eine Abweichung im Luftstrom des Triebwerks. Solche Anzeigen sind Warnsysteme, die Abweichungen von normalen Betriebsparametern sofort sichtbar machen. Der Pilot entschied, den Kurs zu ändern und über die Adria nach Brindisi zu fliegen.
Nach rund 40 Minuten in der Luft setzte die Maschine sicher zur Landung an. Verletzte gab es nicht.
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Yesterday, Condor flight #DE3665, a Boeing 757-300 (D-ABOK) from Corfu to Düsseldorf, suffered engine surges shortly after takeoff with flames and loud bangs reported from the right engine.
The crew shut it down, declared an emergency, and safely diverted to Brindisi, Italy,… pic.twitter.com/5spEYF8uKf— Turbine Traveller (@Turbinetraveler) August 17, 2025
Kein Brand, aber ungewöhnlicher Verbrennungsprozess
Condor betont, dass es nicht zu einem Triebwerksbrand gekommen sei. Eine Sprecherin erklärte: „Es handelte sich hier um eine chemische Reaktion am Triebwerk, die normalerweise in der Brennkammer des Triebwerks stattfindet, durch den gestörten Luftstrom allerdings in diesem Fall außerhalb wahrnehmbar war.“
Eine Condor-Maschine, die auf dem Weg von Korfu nach Düsseldorf war, ist gestern in Brindisi in Italien notgelandet. Verletzt wurde niemand. Heute sollen die 247 Passagiere mit einer Ersatzmaschine ihren Flug fortsetzen.https://t.co/qq5SP1bwus pic.twitter.com/z1mQRgZLPU
— WDR aktuell (@WDRaktuell) August 17, 2025
Angst an Bord – aber professionelle Crew
Viele Passagiere erlebten den Vorfall als beängstigend. „Wir hörten plötzlich einen lauten Knall, dann schossen Flammen aus dem Triebwerk“, sagt ein Mitreisender. Ein anderer ergänzt: „Es war total beängstigend. Im ganzen Flugzeug wurde es plötzlich still.“
Trotz der Situation habe die Crew Ruhe bewahrt. Der Pilot informierte die Fluggäste regelmäßig und versuchte, die Aufregung zu nehmen. Fachleute betonen, dass moderne Flugzeuge so ausgelegt sind, dass sie auch mit nur einem funktionierenden Triebwerk sicher fliegen und landen können.
Nacht in Brindisi – Ersatzflugzeug am Morgen
Nach der Landung in Brindisi warteten neue Probleme: Für die hunderten Passagiere standen nicht genug Hotelzimmer bereit. Einige mussten die Nacht im Terminal verbringen, ausgestattet mit Decken und Versorgungsgutscheinen. Am nächsten Vormittag stellte Condor ein Ersatzflugzeug bereit, das die meisten Reisenden nach Düsseldorf brachte.
Nicht alle wollten allerdings wieder ins Flugzeug steigen. Eine Mutter und ihre Tochter, die die Flammen aus nächster Nähe gesehen hatten, entschieden sich, den Heimweg per Bus anzutreten.
Technischer Hintergrund
Ein Turbofan-Triebwerk wie das der Boeing 757 arbeitet nach einem einfachen Prinzip: Vorne wird Luft angesaugt und durch mehrere Verdichterstufen stark komprimiert. Ein Teil dieser Luft gelangt in die Brennkammer, wo er mit Kerosin vermischt und gezündet wird. Der heiße Gasstrom treibt die Turbine an und erzeugt den Schub.
Normalerweise bleibt der Verbrennungsprozess vollständig innerhalb der Brennkammer. Kommt es jedoch zu Störungen im Luftstrom, entstehen ungleichmäßige Druckverhältnisse. Die Flamme kann sich dann nach außen „durchschlagen“ – sichtbar als Stichflamme.
Ingenieur*innen sprechen in solchen Fällen auch von „Engine Surge“ oder „Compressor Stall“. Dabei strömt Luft nicht mehr gleichmäßig durch die Verdichterstufen, sondern teilweise zurück. Das führt zu hörbaren Knallen, Vibrationen und kurzzeitigem Leistungsverlust.
Technische Untersuchung läuft
Die Boeing 757 wird in Brindisi untersucht. Der genaue Auslöser der Luftstromstörung ist noch nicht bekannt. Fachleute halten mehrere Ursachen für denkbar:
- Fremdkörper im Ansaugtrakt, die den Luftfluss stören,
- ungleichmäßige Treibstoffzufuhr,
- oder ein Defekt in der Sensorik, die die Gemischbildung steuert.
Triebwerke sind so konstruiert, dass sie solche Situationen kurzzeitig verkraften. Doch jeder „Compressor Stall“ belastet Bauteile und muss genau untersucht werden. Besonders betroffen sind die Verdichterschaufeln, die bei Rückströmungen extremen Kräften ausgesetzt sind.
Warum Flammen kein Einzelfall sind
Sichtbare Flammen am Triebwerk wirken für Passagiere dramatisch, sind aber kein seltenes Phänomen. Start und Steigflug belasten das Triebwerk besonders, da dort maximale Schubleistung gefordert ist. Kommt es zu Instabilitäten, zeigen sich Flammen oder Knallgeräusche – ähnlich wie Fehlzündungen in einem Auto, nur deutlich stärker.
Ein Vergleich hilft: Bei einem Verbrennungsmotor im Auto führt ein falsches Luft-Kraftstoff-Gemisch ebenfalls zu unvollständiger Verbrennung und Knallen aus dem Auspuff. Im Flugzeugtriebwerk geschieht das Gleiche – nur unter wesentlich höheren Temperaturen und Drücken.
(mit dpa)
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