Branche im Wandel 26.09.2025, 09:30 Uhr

Bosch, VW und Stellantis: Steckt die Autoindustrie in der größten Krise?

Bosch kündigt massiven Stellenabbau an. Bei Volkswagen und Stellantis kommt es zu temporären Stopps der Produktion. Das sind nicht die ersten schlechten Nachrichten aus der Autobranche. Die Ursachen: sinkende Nachfrage, geopolitische Unsicherheiten und ein struktureller Wandel. Ein Blick auf die Branche.

Autobranche im Umbruch: Volkswagen und Stellantis stoppen Produktion – Strukturwandel trifft deutsche Hersteller
Foto: picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer

Autobranche im Umbruch: Volkswagen und Stellantis stoppen Produktion – Strukturwandel trifft deutsche Hersteller

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Volkswagen und Stellantis haben vor wenigen Tagen angekündigt, ihre Fahrzeugproduktion an mehreren europäischen Standorten vorübergehend zu stoppen. Bei VW ist vor allem das Werk in Hannover mit Modellen wie dem E-Bulli ID. Buzz betroffen. Die Fertigung soll dort für eine Woche stillgelegt werden, während Stellantis in gleich sechs Werken – darunter Standorte in Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und Spanien – zwischen fünf Tagen (Eisenach) und zwei Wochen (Frankreich, Italien, Spanien) aussetzt.

Schwache Nachfrage

Beide Unternehmen begründen die Entscheidung mit einer schwachen Nachfrage und herausfordernden Marktbedingungen. Ob es zu einer weiteren Verlängerung der Arbeitspause kommt, behalten sich die Hersteller offen.

Stellantis ist der zweitgrößte Hersteller in Europa – hinter Volkswagen. Zu dem Konzern gehören unter anderem die Marken Alfa Romeo, Chrysler, Citroen, Fiat, Maserati, Opel und Peugeot. Die Meldungen der Konzerne Stellantis und Volkswagen sind nicht die ersten dieser Art im Jahr 2025.

Wer ist außer VW und Stellantis noch von der Krise betroffen?

Auch andere Hersteller wie Audi, Mercedes und Porsche stehen unter Druck. Die Unternehmen haben Sparprogramme verkündet, ein möglicher Jobabbau könnte folgen, es werden Modellpaletten gekürzt oder einzelne Baureihen vorzeitig beendet.

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Das Stellantis-Werk in Poissy wird im Oktober für drei Wochen stillgelegt, und die 2000 Beschäftigten werden in Kurzarbeit geschickt.

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Porsche verkündete, bis Ende 2029 1.900 Stellen streichen zu wollen, bei Audi sollen es bis 2027 6.000 Stellen weniger sein sowie weitere 1.500 bis Ende 2029. Mercedes hat bislang keine Zahlen in diesem Zusammenhang benannt, Expertinnen und Experten rechnen aber mit einem möglichen Abbau von bis zu 20.000 Arbeitsplätzen, da der Hersteller bis 2027 insgesamt fünf Milliarden Euro einsparen will. Derartige Sparprogramme stehen in der Regel auch in einem direkten Zusammenhang mit dem Wegfall von Arbeitsplätzen, wie die Vergangenheit bereits mehrfach gezeigt hat.

Negativrekord auch bei den Autozulieferer

Die Automobilindustrie, einst Garant für robuste Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum in Europa, steckt spätestens seit 2023 in einer tiefgreifenden Krise. Sowohl bei Herstellern als auch bei Zulieferern herrscht große Unsicherheit über die Zukunft gängiger Geschäftsmodelle, wodurch es inzwischen zu massivem Stellenabbau und Investitionsstopps kommt. Allein im vergangenen Jahr gingen laut Studien mehr als fünfzigtausend Arbeitsplätze verloren, wenn angrenzende Bereiche mitgerechnet werden – ein Negativrekord innerhalb der deutschen Industrie.

Auch die Autozulieferer Robert Bosch GmbH, Dürr AG, Mahle GmbH und ZF Friedrichshafen AG, machten bereits im Sommer mit negativen Schlagzeilen auf sich aufmerksam. Bei Dürr sollen 250 Stellen wegfallen, bei Mahle gab es bereits Kündigungen, 600 Jobs waren innerhalb eines Jahres bereits betroffen und ZF in Friedrichshafen will sogar bis Ende 2028 14.000 Stellen streichen. Die auf Autoschlösser spezialisierte Kiekert AG aus Heiligenhaus in Nordrhein-Westfalen hat Ende September Insolvenz angemeldet. 

Der Autozulieferer Bosch will bis 2030 drastisch sparen und baut deutschlandweit weitere 13.000 Arbeitsplätze ab. Besonders betroffen sind Standorte in Baden-Württemberg und dem Saarland. Betriebsrat und Gewerkschaft sprechen von einem „sozialen Kahlschlag"Foto: picture alliance/dpa | Marijan Murat

Der Autozulieferer Bosch will bis 2030 drastisch sparen und baut deutschlandweit weitere 13.000 Arbeitsplätze ab. Besonders betroffen sind Standorte in Baden-Württemberg und dem Saarland. Betriebsrat und Gewerkschaft sprechen von einem „sozialen Kahlschlag“

Foto: picture alliance/dpa | Marijan Murat

Bosch kündigt massiven Stellenabbau: 13.000 Stellen betroffen

Bosch kündigte diese Woche einen massiven Stellenabbau mit der Streichung von 13.000 Stellen bis 2030. Besonders hart trifft es Mobility-Standorte in Baden-Württemberg. Im Stuttgarter Stadtteil Feuerbach sollen bis Ende 2030 rund 3500 Stellen abgebaut werden. In Schwieberdingen bei Stuttgart sollen rund 1750 Stellen bis Ende 2030 wegfallen. In Waiblingen, ebenfalls nicht weit entfernt von Stuttgart, plane das Unternehmen, die Produktion für Verbindungstechnik mit derzeit rund 560 Mitarbeitenden bis Ende 2028 auslaufen zu lassen.

Am badischen Standort Bühl/Bühlertal gebe es einen Anpassungsbedarf von 1550 Stellen bis Ende 2030. Und im saarländischen Homburg plane Bosch den Abbau von rund 1250 Stellen bis Ende 2030. Hinzu kämen weitere Anpassungen, zum Beispiel auch in der Bosch-Zentrale, sagte Arbeitsdirektor Grosch. Das Unternehmen will an den Standorten Reutlingen und Abstatt auch rund 1500 Stellen streichen.  Diese Zahlen lassen kaum einen anderen Schluss zu als eine flächendeckende Krise in der Automobilbranche.

Was steckt hinter den Produktionsstopps bei VW und Stellantis?

Zurück zu den aktuellen Meldungen über VW und Stellantis: Die Unternehmen nennen mehrere Motive für die Produktionspausen: Zum einen stagniert oder sinkt die Nachfrage auf den europäischen und vor allem aber auf den chinesischen Märkten. Preissensible Kundinnen und Kunden warten ab oder greifen zunehmend zu günstigeren Konkurrenzmodellen aus China. Hinzu kommen geopolitische Spannungen, insbesondere die restriktive Zollpolitik der Vereinigten Staaten, die Exportgeschäfte erschwert und Gewinne drückt. Nicht zuletzt nennen die Unternehmen das Ziel, Lagerbestände auszugleichen und Kosten zu senken, als unmittelbaren Anlass für die Stillstände.

Betrachtet man die aktuelle wirtschaftliche Lage, wird schnell deutlich, dass die Produktionsstopps in engem Zusammenhang mit der konjunkturellen Eintrübung stehen. Steigende Kosten für Rohstoffe und Energie sowie schwächelnde Absatzmärkte in Europa, China und Nordamerika sorgen für Schwierigkeiten. Der starke Wettbewerbsdruck, vor allem durch neue Anbieter aus China, zwingt traditionelle Marken zu Sparprogrammen und verschärft den internationalen Preiskampf. Auch saisonale Effekte und anstehende Modellwechsel führen dazu, dass die Auslastung der Werke insgesamt geringer ist als in Vorjahren. Ein Ende dieser Entwicklung ist aktuell noch nicht in Sicht.

Hat das Verbrenner-Aus der EU die Krise verursacht?

Seit Frühjahr 2023 ist klar, dass ab 2035 keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr neu zugelassen werden soll. Die damaligen EU-Umweltminister hatten in einer Marathonsitzung, die mehr als 16 Stunden dauerte, das sogenannte Verbrenner-Aus beschlossen.

Den Vorschlag dafür hatte die EU-Kommission eingereicht. Von 2035 an dürfen also nur noch Autos und leichte Nutzfahrzeuge mit Elektroantrieb zugelassen werden. Die politische Agenda zum schrittweisen Ausstieg aus der Verbrennungstechnologie in der EU soll den Klimaschutz fördern. Aktuell scheint das Verbrenner-Aus vor allem deutsche Automobilhersteller vor weitere Probleme zu stellen.

Umstellung auf E-Mobilität zu spät begonnen

Die Regularien, etwa das geplante Verbot von Neuzulassungen für Pkw mit Verbrennungsmotoren ab 2035, wirken sich schon heute aus: Hersteller investieren nicht mehr langfristig in bestehende Plattformen, sondern müssen Produktionskapazitäten umbauen und Fahrzeugportfolios überarbeiten. Zwar hat die Branche sich schon vorher auf eine zunehmend elektrische Mobilität eingestellt, allerdings zeigten sich Hersteller zum Beispiel aus China in der Umsetzung einer neuen Strategie deutlich konsequenter.

Expertinnen und Experten gehen sogar so weit in ihren Einschätzungen, dass in diesem Fall die Gründe für eine Krise hausgemacht seien: Viele Unternehmen seien hinsichtlich der Umstellung auf die Elektromobilität eher schwerfällig und hätten zu spät begonnen, die neue Stoßrichtung umzusetzen.

Wie schätzen Fachleute die Situation der Automobilbranche ein?

„Das ist wahrscheinlich die größte Krise der deutschen Autoindustrie seit Bestehen dieser Industrie“, sagt Florian Neuhann, ZDF-Wirtschaftsexperte.

Die Gründe sieht er in einer Dreifachkrise: Absatzprobleme, Innovationsdruck durch Elektromobilität und wachsende Unsicherheiten in internationalen Märkten. Besonders kritisiert er die zögerliche E-Mobilitäts-Strategie der europäischen Hersteller: Sie verlieren Innovationstempo und Marktanteile, weil sie den Übergang vom Verbrenner zum Elektroantrieb zu spät und mit zu wenig Entschlossenheit angehen. Gleichzeitig sorgt das abrupte Ende der staatlichen Förderung für Elektroautos für Verunsicherung bei Kundinnen und Kunden.

Der chinesische Markt der wichtigste für deutsche Autos?

Der Wirtschaftsexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht die deutsche Autoindustrie in einer „grundlegenden Krise“. Vor allem seien die teuren Modelle der deutschen Premiumhersteller das Problem, da diese in China nicht mehr in der Menge verkauft würden wie in der Vergangenheit. Der chinesische Markt ist seiner Einschätzung nach der wichtigste für deutsche Autos, und der gibt gerade kräftig nach. Er vermutet, dass neue Modelle den Abwärtstrend stoppen werden, allerdings wohl erst im Laufe der ersten beiden Quartale 2026. Darüber hinaus prognostiziert er eine Rückkehr des Range Extender. Der sogenannte Reichweitenverlängerer sei gerade auf dem chinesischen Markt sehr gefragt.

Beatrix C. Keim vom Center for Automotive Reasearch (CAR) sieht ein Problem aber auch in der Entwicklung des Marktes rund um die Elektromobilität. Wenig Verständnis, zahlreiche Mythen und Skepsis hätten die erste Generation der E-Autos zum Ladenhüter werden lassen. Sowohl Industrie als auch Politik hätten hier zu wenig für die Aufklärung getan. Das ändere sich, die Akzeptanz sei inzwischen deutlich gewachsen. Sie zeigt sich deshalb optimistisch, dass die Automobilindustrie es aus der Krise herausschafft.

Wie kann es der Automobilbranche gelingen, die Krise zu überwinden?

Die Bundesregierung sowie die Europäische Kommission stellen Transformationshilfen in Aussicht, etwa Förderprogramme für Forschung und Entwicklung, Beschäftigungsanreize oder gezielte Investitionen in Ladeinfrastruktur und Batterietechnik. Kritikerinnen und Kritiker bemängeln allerdings, dass viele Maßnahmen zu spät kämen oder nicht ausreichend zielgerichtet seien, um die tiefgreifende Strukturkrise abzufedern. Die Branche fordert konkrete langfristige Rahmenbedingungen und eine verlässliche Industriepolitik.

Fachleute haben durchaus Hoffnung. Sie sehen einen stärker werdenden E-Auto-Markt. Hinzu komme eine flächendeckendere Infrastruktur an Lademöglichkeiten, auch das Image des Elektroautos habe sich gebessert. Eine gute Modellpalette, die auch günstige Fahrzeuge beinhalte, sei die Grundvoraussetzung für die Hersteller, die Krise zu überwinden.

Dafür müssten die Autobauer sich offen gegenüber den Marktbedürfnissen zeigen. Das betreffe auch den chinesischen Markt, den man weiterhin stark berücksichtigen solle. In einem sind sich die Fachleute einig: Das Verbrenner-Aus ist ein Fakt, die Zukunft gehört dem Elektroauto. Das müsse auch die Branche annehmen und konsequent umsetzen. Nur mit einer klaren strategischen Neuausrichtung und gezielten Fördermaßnahmen könne der Strukturwandel erfolgreich gestaltet werden.

Ein Beitrag von:

  • Nina Draese

    Nina Draese hat unter anderem für die dpa gearbeitet, die Presseabteilung von BMW, für die Autozeitung und den MAV-Verlag. Sie ist selbstständige Journalistin und gehört zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Automobil, Energie, Klima, KI, Technik, Umwelt.

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