BMW iX3: Neue Klasse oder nur ein Facelift?
BMW startet mit dem iX3 in die „Neue Klasse“. Reichweite bis 805 km, 400-kW-Laden, neue Software – doch ist er Zukunft oder nur alter Hut?
Der BMW iX3 eröffnet die ‚Neue Klasse‘: Ein SUV mit Retro-Design, zentralem Superrechner und bis zu 805 km Reichweite.
Foto: BMW AG
BMW spricht von nichts Geringerem als einem Neuanfang. Der iX3 ist das erste Serienmodell, das auf der Plattform der „Neuen Klasse“ basiert. Schon in den 1960er-Jahren retteten die Münchner mit diesem Namen ihr Unternehmen. Jetzt soll die E-Auto-Generation unter demselben Label eine neue Ära einläuten. Erster Kandidat: der iX3. Ein SUV, das auf den ersten Blick vertraut wirkt, aber unter der Haube vieles anders macht. Doch reicht das, um Tesla, BYD und Co. Paroli zu bieten – oder sehen wir nur ein aufpoliertes Update?
Inhaltsverzeichnis
- Die Last der Geschichte
- Ein SUV, das Bekanntes mit Neuem mischt
- Raumgefühl wie im 5er Touring
- Technik unter Strom: Motoren ohne Seltene Erden
- 805 Kilometer Reichweite nach WLTP
- Laden in Rekordzeit – fast
- Bidirektionales Laden: Auto als Stromspeicher
- Ein Cockpit wie aus der Zukunft
- Lenkrad im Quadrat
- Software, KI und ein Hauch Alexa
- Fahrassistenz: viel Level 2, kein Level 3
- Produktion in Ungarn und China
- Preis und Varianten
- Nervosität in München
- Zwischen Moderne und Déjà-vu
- Evolution statt Revolution?
Die Last der Geschichte
Der Name „Neue Klasse“ weckt Erwartungen. Damals, in den 60ern, waren es die Limousinen BMW 1500 und 1600, die aus der Krise führten. Heute steht die Marke wieder unter Druck. Nicht wegen leerer Kassen, sondern wegen der Frage, ob man in der Elektromobilität den Anschluss verpasst.
Die Konkurrenz aus China liefert günstige Fahrzeuge mit langer Reichweite. Tesla bleibt beim Thema Software Taktgeber. Und in Deutschland selbst zieht Mercedes mit seinem CLA bereits vor. BMW muss beweisen, dass man mehr kann, als den klassischen Verbrenner ins Elektrozeitalter zu retten.
Ein SUV, das Bekanntes mit Neuem mischt
Der iX3 ist 4,78 Meter lang und reiht sich damit zwischen X1 und X5 ein. Für viele Kunden genau die richtige Größe: genug Raum für Familie und Gepäck, ohne in der Stadt überdimensioniert zu wirken.
Das Design wirkt vertraut – die Doppelniere vorn, die Silhouette eines klassischen BMW-SUV. Aber es gibt kleine Hinweise auf die neue Richtung: schmale Rückleuchten, ein Logo, das auf einem modellierten Plateau thront, und die Möglichkeit, die Lichtsignatur der Scheinwerfer je nach Stimmung zu wechseln. Retro trifft auf digitale Spielerei.
BMW bleibt damit seiner Linie treu: Elektroautos sollen sich optisch kaum von Verbrennern unterscheiden. Ein Konzept, das mittlerweile auch Mercedes und VW übernommen haben.

Von vorn zeigt der BMW iX3 seine Retro-inspirierte Doppelniere – Symbol für den Aufbruch ins Software-Zeitalter.
Foto: BMW AG
Raumgefühl wie im 5er Touring
SUVs kauft man auch wegen der Praktikabilität. Der iX3 liefert: 530 Liter Kofferraum stehen bereit, mit umgeklappten Sitzen bis zu 1.750 Liter. Dazu gibt es vorne einen kleinen Frunk mit 58 Litern – praktisch für Ladekabel.
Auf der Rückbank fühlen sich auch größere Menschen wohl. BMW positioniert den iX3 klar als Langstreckenauto und Familienkutsche zugleich. Bis zu 2.000 Kilogramm Anhängelast sprechen ebenfalls dafür, dass der Wagen nicht nur fürs urbane Pendeln gedacht ist.
Technik unter Strom: Motoren ohne Seltene Erden
Viele E-Autos setzen auf Permanentmagnetmotoren – sie brauchen seltene Metalle wie Neodym. BMW geht beim iX3 einen anderen Weg. Hinten arbeitet ein stromerregter Synchronmotor mit 240 kW, vorne eine Asynchronmaschine mit 123 kW. Vorteil: kein Bedarf an Seltenerdmetallen, keine Schleppverluste im Leerlauf.
Zusammen ergibt das 469 PS und 645 Newtonmeter Drehmoment. Von 0 auf 100 km/h vergehen 4,9 Sekunden, bei 210 km/h ist Schluss. Damit bewegt sich der iX3 im oberen Mittelfeld der E-SUVs.
805 Kilometer Reichweite nach WLTP
Das Herzstück ist der Akku mit 108,7 kWh nutzbarer Kapazität. BMW spricht von bis zu 805 Kilometern Reichweite nach WLTP. Realistisch dürften es eher 650 bis 700 Kilometer sein.
Spannend ist weniger die Größe, sondern die Bauweise. BMW setzt auf Rundzellen im Format 4695. Sie sind direkt ins Batteriepaket integriert – Cell-to-Pack heißt das Konzept. Das spart Gewicht, Material und Kosten. Gleichzeitig übernimmt das Batteriegehäuse eine tragende Funktion in der Karosserie. Der Unterboden entfällt, die Torsionssteifigkeit steigt. So wird die Batterie nicht nur Energiespeicher, sondern auch Teil der Fahrzeugstruktur.

Der BMW iX3 von hinten – Retro-Details treffen auf modernes SUV-Design.
Foto: BMW AG
Laden in Rekordzeit – fast
Dank 800-Volt-Architektur sind bis zu 400 kW Ladeleistung drin. In zehn Minuten soll Strom für 372 Kilometer nachfließen. Von 10 auf 80 % dauert es 21 Minuten – vorausgesetzt, Sie finden eine Ladesäule, die das hergibt.
Serienmäßig lädt der iX3 mit 11 kW an Wechselstrom. Wer 22 kW will, muss extra zahlen. Angesichts des Basispreises von 68.900 Euro wirkt das etwas geizig. Neu ist eine BMW-App, die die genaue Ladekurve anzeigt. Praktisch für alle, die wissen wollen, ob sich ein kurzer Ladestopp lohnt.
Bidirektionales Laden: Auto als Stromspeicher
BMW stattet den iX3 erstmals mit bidirektionalem Laden aus. Über die Wallbox Professional kann das Auto Strom ins Hausnetz (Vehicle-to-Home) oder ins öffentliche Netz (Vehicle-to-Grid) abgeben – mit bis zu 11 kW. Damit ließe sich zum Beispiel Solarstrom speichern und später wieder nutzen.
Auch unterwegs lässt sich der Akku zweckentfremden: Picknick mit Elektrogrill? Kein Problem. Der iX3 wird zur mobilen Steckdose.
Ein Cockpit wie aus der Zukunft
Innen zeigt BMW, dass es nicht nur um Motoren geht. Statt vieler Steuergeräte übernimmt ein zentraler Rechner die Aufgaben. Er soll 20-mal schneller sein als die bisherigen Systeme. „Das Auto wirkt präziser, bleibt aber jederzeit berechenbar“, sagt BMW.
Vor dem Fahrer spannt sich das „Panoramic iDrive“ über die ganze Windschutzscheibe. Eine schmale, aber breite Projektionsfläche zeigt Geschwindigkeit, Reichweite und andere Daten. Dazu kommt ein 17,9-Zoll-Touchscreen, leicht zum Fahrer hin geneigt.
„Hands on the wheel, eyes on the road“ lautet das Motto. Bedienen können Sie per Sprache, Tasten oder Touch. Der klassische iDrive-Controller verschwindet. Kritiker*innen sehen darin eine größere Abhängigkeit von Sprachsteuerung. BMW setzt dagegen auf intuitive Menüs und anpassbare Routinen.

Cockpit des BMW iX3: Viereckiges Lenkrad, Panoramadisplay und zentrales Superhirn.
Foto: BMW AG
Lenkrad im Quadrat
Ein Hingucker ist das neue Lenkrad: rechteckig statt rund, mit leuchtenden Bedienflächen, die nur sichtbar sind, wenn sie gebraucht werden. Weniger Ablenkung, so das Versprechen. Ob das im Alltag überzeugt, muss sich zeigen.
Neu ist auch das Konzept „Symbiotic Drive“. Dabei verschmilzt die Absicht der Fahrenden mit den Assistenzsystemen. Wer beim Spurwechsel das Lenkrad bewegt, bekommt keine Gegenwehr der Spurhaltewarnung. Auch die Bremse reagiert anders: Erst bei stärkerem Druck schaltet sich der Tempomat aus. Ziel: mehr Natürlichkeit im Zusammenspiel von Mensch und Maschine.
Software, KI und ein Hauch Alexa
Die Software-Basis bildet das „Operating System X“. Es bietet personalisierte Anzeigen, Gaming-Funktionen beim Laden und die Möglichkeit, Routinen zu speichern. Sie können zum Beispiel einstellen, dass sich beim Start die Sitzheizung aktiviert oder der Tempolimitwarner deaktiviert.
Die Sprachsteuerung basiert auf Amazons Alexa. In den USA soll sogar ein Chatbot mit KI-Technik integriert werden. Künftig könnte so das gesamte Auto per Sprache gesteuert werden.
Auch beim Parken hilft KI: Das System erkennt passende Lücken und führt den Wagen automatisch hinein. Selbst die Ladeklappe öffnet sich auf Wunsch automatisch, wenn der Wagen einen bekannten Ladepunkt „erkennt“.
Fahrassistenz: viel Level 2, kein Level 3
BMW verzichtet beim iX3 bewusst auf hochautomatisiertes Fahren nach Level 3. Stattdessen gibt es zahlreiche Assistenzsysteme nach Level 2: Spurhaltehilfe, Autobahnassistent, Parkassistent. Fünf Kameras, fünf Radare und zwölf Ultraschallsensoren überwachen das Umfeld.
Der Prozessor stammt von Qualcomm. Damit liegt BMW technisch zwar hinter Tesla, bewegt sich aber auf Augenhöhe mit Mercedes und VW. Für viele Kund*innen dürfte entscheidend sein, dass die Bedienung weiterhin viele echte Knöpfe bietet – etwa für Scheibenwischer oder Fensterheber. Ein Stück Verlässlichkeit in einer zunehmend digitalen Welt.

Technik im Detail: Der BMW iX3 50 xDrive kombiniert Synchron- und Asynchronmotor.
Foto: BMW AG
Produktion in Ungarn und China
Gefertigt wird der iX3 im neuen Werk in Debrecen, Ungarn. Dort startet die Produktion im Herbst 2025, die ersten Auslieferungen sind für Frühjahr 2026 geplant. In den USA rollt das Modell im Sommer 2026 auf die Straßen.
Für China gibt es eine eigene Version mit längerem Radstand, produziert in Shenyang. Damit will BMW auch im wichtigsten E-Auto-Markt der Welt bestehen.
Preis und Varianten
Der iX3 startet bei 68.900 Euro – nur knapp über dem bisherigen Modell, obwohl Akku und Technik deutlich gewachsen sind. Eine günstigere Version für rund 60.000 Euro ist angekündigt. Mit Extras landet man jedoch schnell bei über 80.000 Euro.
Zum Marktstart gibt es sechs Farben und Räder von 20 bis 22 Zoll. Ob eine sportliche M-Version folgt, hält BMW noch offen.
Nervosität in München
Der iX3 ist nicht irgendein Modell. Er ist das erste Serienauto der Neuen Klasse und damit ein Prüfstein. Scheitert er, stünde BMWs Zukunftsstrategie in Frage. Die 3er-Reihe und der X3 sind schließlich die Brot-und-Butter-Modelle des Konzerns.
Die Konkurrenz schläft nicht. BYD zeigt schon Megawatt-Lader, Xpeng verspricht 525 kW Ladeleistung, Tesla arbeitet weiter am autonomen Fahren. BMW muss sich auf die eigene Stärke besinnen: Fahrspaß, solide Technik, durchdachte Bedienung.
„Die Technik arbeitet nur im Hintergrund“, sagt ein BMW-Sprecher. Wenn das stimmt, könnte der iX3 tatsächlich der Startpunkt einer neuen Ära sein.
Zwischen Moderne und Déjà-vu
So viel Technik der iX3 auch unter seinem Blechkleid verbirgt – auf manche wirkt er wie ein alter Bekannter. Das beginnt beim Design. Die schmalen, vertikal gezogenen Nieren erinnern zwar an die historischen Modelle der 60er-Jahre, doch nicht alle sind begeistert. In einem Automobil-Forum heißt es spöttisch: „Warum sind sie wieder zu den dünnen Nieren zurückgekehrt? Sieht aus wie Bugs Bunny.“
Auch im Innenraum zeigt sich ein ähnliches Bild. BMW verzichtet auf das klassische Kombiinstrument hinter dem Lenkrad und setzt stattdessen auf eine breite Projektion in die Frontscheibe. Das sieht modern aus, wirkt für manche aber eher wie ein Abklatsch der „iPad-Philosophie“, die viele E-Autos inzwischen prägt. Ein Nutzer fasst es so zusammen: „Der Verlust des traditionellen Armaturenbretts ist mein Hauptanliegen … Ich habe mich nie mit dem iPad-basierten Ansatz in so vielen Elektrofahrzeugen anfreunden können.“
Besonders kontrovers diskutiert wird das Verschwinden des iDrive-Controllers. Seit über zwei Jahrzehnten galt er als Markenzeichen, mit dem sich Menüs präzise bedienen ließen, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. Jetzt ist er weg. „Das größte Verbrechen ist die Entfernung des iDrive-Controllers. Das ist eine enorme Verschlechterung der Benutzerfreundlichkeit und Sicherheit.“ lautet ein Kommentar, der stellvertretend für viele Stimmen steht. BMW argumentiert, dass Sprachsteuerung und Touchscreen ausreichen.
Evolution statt Revolution?
Auch in der Fachpresse wird der iX3 eher als Evolution denn als Revolution eingeordnet. Zwar hebt man die neue Technik, die 800-Volt-Architektur und das bidirektionale Laden hervor. Aber beim Auftritt bleibt der Eindruck: Das ist noch immer ein X3, leicht gestrafft, etwas digitaler, doch kein völlig neues Fahrzeugkonzept. Die Neue Klasse soll Zukunft atmen – stattdessen dominiert das Gefühl eines déjà-vu.
So zeigt sich die Ambivalenz des iX3: Unter der Oberfläche treibt BMW viel Aufwand, um Gewicht zu sparen, Reichweite zu erhöhen und Software neu zu denken. Doch außen wie innen begegnet uns vieles, das wir kennen. Für die einen ist das kluge Kontinuität – für die anderen schlicht ein alter Hut.
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