Katastrophe vermieden 21.07.2025, 20:47 Uhr

Ziviler Jet crasht fast in B-52 – wie gefährlich ist der Luftraum?

Delta-Pilot muss im Landeanflug abrupt ausweichen – ein B-52-Bomber kreuzt die Route. Wie konnte es dazu kommen, und wie lässt sich so etwas vermeiden?

B-52-Bomber

Ein B-52-Bomber der US-Luftwaffe im Einsatz – genau dieser Flugzeugtyp zwang eine Passagiermaschine im Anflug auf Minot zu einem riskanten Ausweichmanöver.

Foto: picture alliance / abaca | ABACA

Der Himmel über North Dakota, kurz vor Sonnenuntergang. An Bord von Delta-Flug 3788 von Minneapolis nach Minot laufen die üblichen Landevorbereitungen. Die Reisenden sitzen angeschnallt in ihren Sitzen. Was dann geschieht, beschreibt eine Passagierin später mit den Worten: „Mir wurde speiübel.“ Der Grund: Das Flugzeug fliegt eine abrupte, scharfe Kurve. Einige Sekunden lang sehen die Menschen aus dem Fenster nur noch Gras.

Wenige Minuten zuvor hatte der Pilot vom Tower in Minot die Freigabe zur Landung erhalten. Doch plötzlich funkt der Lotse eine neue Anweisung durch. Der Pilot soll nach rechts drehen. Als er sich weigert, heißt es: Dann eben nach links. Doch auch dort befindet sich ein anderes Flugzeug – ein Militärjet. Die Reaktion des Piloten folgt prompt: ein aggressives Ausweichmanöver, das einen Zusammenstoß mit einem B-52-Bomber der US-Luftwaffe gerade noch verhindert.

„Das ist absolut nicht normal“

Noch in der Luft informiert der Pilot seine Passagier*innen. Die Stimme aus dem Lautsprecher klingt gefasst, aber deutlich irritiert: „Tut mir leid wegen des aggressiven Manövers. Es hat mich überrascht. Das ist überhaupt nicht normal.“ Der Zwischenfall ereignete sich am 19. Juli 2025 beim Anflug auf den Minot International Airport, etwa 80 Kilometer südlich der kanadischen Grenze. Die Maschine, betrieben von SkyWest Airlines für Delta, landet kurz darauf sicher.

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Das Video der Kabinenansage, aufgenommen von einer Passagierin, kursiert seitdem in sozialen Medien. Es zeigt nicht nur die Belastung des Moments – sondern wirft grundsätzliche Fragen auf: Wie konnte es so weit kommen? Warum wurde der Pilot nicht rechtzeitig gewarnt? Und welche Rolle spielt das Radar – oder dessen Fehlen?

Blindflug über Minot

Der Flughafen Minot International besitzt kein eigenes Radarsystem. Stattdessen arbeiten die Fluglots*innen mit Sichtmeldungen und Funkkontakten. In abgelegenen Regionen der USA ist das keine Seltenheit. Der Pilot war damit auf die Informationen aus dem Tower angewiesen – und auf sein eigenes Auge.

„Ich weiß nicht, warum sie uns nicht gewarnt haben, denn der Luftwaffenstützpunkt hat Radar“, sagt der Kapitän später. Der militärische Flugplatz Minot Air Force Base liegt nur wenige Kilometer entfernt – und verfügt über ein hochmodernes Radarsystem. Doch zivile und militärische Kommunikation verlaufen oft getrennt. Genau das scheint in diesem Fall zum Problem geworden zu sein.

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Der B-52-Bomber: Groß, schwer, kaum sichtbar

Die B-52 Stratofortress ist kein gewöhnliches Flugzeug. Mit acht Triebwerken, über 56 Metern Spannweite und einer Reichweite von mehr als 14.000 Kilometern ist sie das Arbeitstier der US-Luftwaffe. Seit 1955 im Einsatz, gilt sie als Symbol amerikanischer Luftmacht. Doch gerade ihre militärischen Fähigkeiten bringen Risiken mit sich.

Militärjets wie die B-52 dürfen – im Gegensatz zu zivilen Flugzeugen – mit deaktiviertem Transponder fliegen. Das bedeutet: Sie erscheinen nicht auf zivilen Radarschirmen. Auch Systeme wie das „Traffic Alert and Collision Avoidance System“ (TCAS), das in Passagierjets potenzielle Zusammenstöße erkennt, bleiben bei ausgeschalteten Signalen wirkungslos.

Wenn also ein Bomber ohne aktive Kennung im Anflugbereich unterwegs ist, können zivile Piloten ihn nur dann erkennen, wenn sie ihn sehen. In diesem Fall reichte die Sicht – aber nur knapp.

Was genau geschah?

Nach Angaben der Airline hatte die Crew die Landefreigabe erhalten. Dann tauchte plötzlich „eine andere Maschine in der Flugbahn“ auf. Die Flugdaten von Flightradar24 bestätigen, dass sich die Flugrouten von Delta 3788 und einer B-52 in gefährlicher Nähe kreuzten. Die US-Luftwaffe erklärte später, die B-52 habe einen genehmigten Überflug über die North Dakota State Fair durchgeführt – ein Jahrmarkt in der Nähe des Flughafens.

Was der zivile Tower jedoch nicht wusste oder nicht weiterleitete: Die Militärmaschine kreuzte den Anflugsektor. Der Delta-Pilot war somit gezwungen, kurzfristig ein riskantes Ausweichmanöver zu fliegen.

Sicherheit am Himmel – wie funktioniert das eigentlich?

Viele Menschen glauben, der Luftraum sei riesig und die Gefahr einer Kollision daher gering. Doch das täuscht. Allein am verkehrsreichsten Tag zählte der deutsche Luftraum rund 7500 Flüge. Die Sicherheit wird durch ein komplexes Zusammenspiel technischer Systeme, klarer Regeln und menschlicher Aufmerksamkeit gewährleistet.

Ein zentrales System zur Vermeidung von Zusammenstößen ist das TCAS. Es überwacht andere Flugzeuge in der Umgebung, berechnet mögliche Kollisionen und gibt im Ernstfall direkte Anweisungen. Zum Beispiel: „Steigen!“ für das eine Flugzeug und „Sinken!“ für das andere. Die Systeme stimmen sich automatisch ab. Voraussetzung ist allerdings, dass beide Maschinen transpondersichtbar sind.

Hinzu kommen die Fluglots*innen am Boden. Sie überwachen den Verkehr über Radar und halten Mindestabstände ein. Diese liegen bei etwa fünf nautischen Meilen (ca. 9,3 km) horizontal und 1000 Fuß (ca. 300 m) vertikal. Wird diese Distanz unterschritten, greifen die Kontrollierenden ein – sofern sie die betreffenden Maschinen überhaupt sehen können.

Was läuft schief, wenn es trotzdem fast kracht?

Bei genauerer Betrachtung wird klar: Die Technik ist nur so gut wie ihr Einsatz. In Regionen ohne ziviles Radar wie Minot müssen Lots*innen auf Sicht arbeiten. Auch das TCAS ist blind, wenn ein militärischer Jet keinen Transponder sendet. Und ohne klare Kommunikation zwischen Militär und Zivilluftfahrt kommt es zu gefährlichen Lücken.

In den USA kommt es laut FAA immer wieder zu sogenannten „Near Mid-Air Collisions“ (NMACs). Das sind Vorfälle, bei denen zwei Flugzeuge sich auf unter 500 Fuß (etwa 150 Meter) annähern – ohne dass ein Ausweichmanöver eingeleitet wurde. In Deutschland meldete die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) im Jahr 2021 drei solcher gefährlicher Annäherungen. Meist handelt es sich dabei um Kleinflugzeuge. Zwischenfälle mit großen Passagiermaschinen sind selten – aber nie ausgeschlossen.

Militärische Flugbewegungen: ein ungelöstes Risiko?

Dass Militärjets ihre Transponder ausschalten dürfen, ist ein bewusstes Zugeständnis an militärische Sicherheitsbedürfnisse. Doch es stellt die zivile Luftfahrt vor Probleme. Ein Kampfbomber, der sich lautlos und unsichtbar einem Flughafen nähert, kann eine Passagiermaschine in große Gefahr bringen.

Die Forderung nach besserer Integration militärischer Flugbewegungen in zivile Kontrollsysteme ist nicht neu. Doch sie bleibt schwierig umzusetzen. Sicherheit und Geheimhaltung stehen einander oft im Weg. Der aktuelle Fall aus Minot könnte nun erneut Druck auf die Behörden ausüben, hier Lösungen zu finden.

Was kann man tun?

Für mehr Sicherheit im Luftraum sind verschiedene Maßnahmen denkbar:

  • Technische Schnittstellen zwischen zivilen und militärischen Systemen: Wenn Radardaten und Flugpläne besser abgeglichen würden, ließen sich Konflikte frühzeitig erkennen.
  • Vereinheitlichung von Transponderpflichten: Auch militärische Flugzeuge könnten bei Anflügen auf zivile Flughäfen verpflichtet werden, Transpondersignale zu senden.
  • Modernisierung abgelegener Flughäfen: Der Fall zeigt, wie wichtig Radar auch in ländlichen Regionen ist. Investitionen in entsprechende Technik könnten Leben retten.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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