Globale Erwärmung 08.07.2020, 07:01 Uhr

Wann bemerkt man die Reduzierung von Treibhausgasen?

Forschungen rund um die verschiedenen Treibhausgase und deren Auswirkungen auf die globale Erwärmung gibt es viele. Eine Forschergruppe aus Norwegen hat nun ein vereinfachtes Klimamodell zugrunde gelegt, mit dem sich berechnen lässt, wann sich die Reduzierung der Gase auswirkt. Vier Wissenschaftler haben diese Studie fachlich kommentiert

Erderwärmung

Eine neue Studie macht deutlich, dass die Reduzierung von Treibhausgasen sich oft erst Jahrzehnte später positiv auf die globale Erwärmung auswirkt.

Foto: Panthermedia.net/VadimVasenin

Die aktuelle Studie basiert auf einer vorherigen, die grundsätzlich zu denselben Ergebnissen kam. Neu ist allerdings, dass die Forschergruppe die für das Klima relevanten Substanzen einzeln aufschlüsselt und betrachtet. Darüber hinaus bietet das vereinfachte Klimamodell, das sie im Rahmen ihrer Studie anwendeten, die Möglichkeit, Zeitrahmen zu berechnen. Das bedeutet: Es kann nun genauer ermittelt werden, wann sich Maßnahmen zum Schutz des Klimas tatsächlich auswirken. So könnten sie künftig unterteilt werden in die, welche einen kurzfristigen Effekt bieten, und jene, die sich verzögert und eher langfristig auszahlen. Die Forscher haben mit ihrer Studie auch den Wunsch verbunden, diese Zeitrahmen künftig ausdrücklich öffentlich zu kommunizieren. Damit sei es ihrer Ansicht nach zu verhindern, dass Klimamaßnahmen als wirkungslos wahrgenommen würden, weil ihre Effekte kurzfristig nicht messbar seien. Dies könne die Akzeptanz der Maßnahmen stark beeinflussen.

Vier Wissenschaftler haben vorab die Ergebnisse dieser Studie kommentiert. Es sind: Holger Kantz, Arbeitsgruppenleiter Nonlinear Dynamics and Time Series Analysis am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden, Michael Brüggemann, Professor für Kommunikationswissenschaft, Klima- und Wissenschaftskommunikation an der Universität Hamburg, Stefan Hagemann, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Regionale Atmosphärenmodellierung im Bereich Systemanalyse und Modellierung am Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht Zentrum für Material und Küstenforschung (HZG) und Helge Goessling, Wissenschaftler und Leiter der Gruppe „Nahtlose Meereisvorhersage“ am Alfred-Wegener-Institut des Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven (AWI).

Mit einem Modell verschiedene Szenarien vergleichen

Holger Kantz sieht die wesentlichen Unterschiede zur Vorläuferstudie darin, „dass in den neuen Auswertungen die Reduktion einzelner Klimatreiber isoliert untersucht wird, dass die statistische Quantifizierung von Abweichungen in der globalen Mitteltemperatur anders erfolgt und dass zur Simulation andere Klimamodelle verwendet werden.“ Den Einsatz des vereinfachten Modells MAGICC sieht er mit der Einsparung von Rechenzeit gut begründet. „Die hier vorgestellten Ensemble-Simulationen erfordern tausende von Simulationen von jeweils 90 Jahren. Solche vereinfachten Modelle sind sehr wichtige Werkzeuge und werden sorgfältig mit detaillierteren Modellen verglichen, können aber eventuell systematische Fehler haben. Wesentlich ist hier aber, dass mit diesem einen Modell verschiedene Szenarien verglichen werden, und es besteht weitgehende Übereinstimmung, dass die Unterschiede beziehungsweise Abweichungen zwischen verschiedenen Szenarien deutlich robuster sind gegenüber Modellierungsungenauigkeiten als die absoluten Aussagen.“

Seiner Ansicht nach leiste die Studie einen wichtigen Beitrag dazu, nun entscheiden zu können, mit welchen Maßnahmen man die schnellsten Erfolge erreichen, um diese möglicherweise politisch zu forcieren.

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Die schnellen positiven Nebeneffekte ebenfalls berücksichtigten

Michael Brüggemann betrachtet die Studie aus Sicht des Kommunikationswissenschaftlers. Für ihn stellt die meist nur wenige Tage andauernde Aufmerksamkeitsspanne der medialen Öffentlichkeit den Kern des Kommunikationsproblems für den Klimawandel dar. „Die Studie weist nun auf das Problem hin, dass auch die Effekte unserer Klimaschutzmaßnahmen 20, 30 oder mehr Jahre entfernt liegen. Wir müssen also heute handeln, damit es der Menschheit viel später einmal besser geht. Das erfordert viel Verantwortungsgefühl.“ Er sieht in der Studie den Vorteil, dass man nun detaillierter aufklären könne: „Die Verkehrswende verbessert heute die Lebensqualität in Städten sofort. Die Luft wird besser, der Verkehrslärm geringer. Die Autos verstopfen und verparken unseren Lebensraum nicht mehr so stark – und in vielen Jahrzehnten wird auch die globale Erhitzung gemindert. Die schnellen positiven Nebeneffekte von Klimaschutz sollten also auch erforscht und diskutiert werden.“

Mit vereinfachtem Modell viele Simulationen in kurzer Zeit

Stefan Hagemann bescheinigt der Studie eine hohe Relevanz. Das liegt seiner Ansicht nach vor allem darin, die Trägheit und Variabilität des Klimasystems deutlicher herauszustellen und damit verbunden auch die Verzögerungen, mit denen sich klimarelevante Effekte darstellen. Dies müsse man der Öffentlichkeit und Entscheidungsträgern klar machen. „Die Idee, die Antwortzeiten der möglichen Effekte von separaten Emissions-Reduzierungen verschiedener Treibhausgase und Aerosole zu untersuchen, ist innovativ und interessant.“ Auch er sieht in dem vereinfachten Klimamodell, das die Forscher zugrunde legten, einen klaren Vorteil: „Damit kann man relativ schnell viele Simulationen durchführen, um eine robuste statistische Grundlage zu bekommen.“

Gleichzeitig betont er, dass damit auch Unsicherheiten und Limitierungen einhergehen, welche in der Studie nach seiner Auffassung gut herausgestellt seien. Für ihn liefert besonders die Gegenüberstellung von Aufwand und Auswirkungen der Emission-Reduzierungen ein interessantes Ergebnis: „Hier zeigt die Reduzierung des CO2-Ausstoßes das größte Potenzial zur Temperaturreduzierung, aber macht auch den größten Aufwand notwendig. Die Reduzierung von Kohlenstoffaerosolen zeigt dagegen den schnellsten Effekt, hat aber auf lange Sicht nur geringe Auswirkungen. Als guter Mittelweg für das Verhältnis von Aufwand zu Auswirkungen wird die Reduzierung von Methanemissionen herausgestellt.“ Allerdings kann die Studie den technischen Aufwand dazu nicht beurteilen, was wichtig wäre, um entscheiden zu können, dieser Maßnahme Priorität zu verleihen.

Alle Emissionen im Blick behalten

Helge Goessling betont ebenfalls die einzelne Betrachtung der verschiedenen Emissionsarten als wesentliche Neuerung im Forschungsansatz der Studie. In einem Detail hält er die Methodik für etwas ungenau: „Der statistische Test wird scheinbar angewandt, ohne dass der parallel verlaufende Anteil der Erwärmung in den jeweils zwei Szenarien bereinigt wird. Eine solche Bereinigung würde zu etwas früherer Nachweisbarkeit führen.“ Seiner Ansicht nach sei die wichtigste und nicht ganz neue Botschaft, „dass die Temperatur-Auswirkungen von Emissionsreduktionen rein statistisch nur über lange Zeiträume klar zu erkennen sein werden, da resultierende Änderungen von natürlichen Schwankungen überlagert werden.“ Die Argumentation, ein schnell nachweisbarer Effekt von Emissionsreduktionen würde die gesellschaftliche Akzeptanz weiterer Maßnahmen steigern, bezweifelt Goessling. „Meinem Gefühl nach dürfte eher das Gegenteil der Fall sein und die Akzeptanz weiterer Emissionsreduktionen desto höher ausfallen, je stärker die Erwärmung voranschreitet. Insofern täten wir gut daran, alle Emissionen gemäß ihres langfristigen Potenzials zur Minderung der globalen Erwärmung im Blick zu behalten.“

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Ein Beitrag von:

  • Nina Draese

    Nina Draese hat unter anderem für die dpa gearbeitet, die Presseabteilung von BMW, für die Autozeitung und den MAV-Verlag. Sie ist selbstständige Journalistin und gehört zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Automobil, Energie, Klima, KI, Technik, Umwelt.

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