Meteorologie 14.10.2025, 06:50 Uhr

Polarwirbel verstehen: Sorgen sie für einen Jahrhundertwinter?

Steht uns ein Jahrhundertwinter bevor? Darauf deuten aktuelle Wetterbeobachtungen mit schwächeren Polarwirbeln hin. Was bedeutet das?

Eiskugel im Schnee

Polarwirbel sorgen für plötzlichen Kälteeinbruch mit Schnee und Eis. Doch wie entstehen sie?

Foto: PantherMedia / FotoEvans

Noch genießen viele Menschen in Deutschland die letzten warmen Sonnenstrahlen des Herbstes – doch über dem Norden formiert sich bereits das, was Meteorologinnen und Meteorologen aufmerksam beobachten: ein schwächerer Polarwirbel. Und das könnte Folgen haben. Denn ein schwacher Polarwirbel gilt als Vorbote eines besonders kalten Winters – mit Phasen, in denen arktische Luft bis nach Mitteleuropa vordringen kann.

Nach Einschätzung von Wetterexperten könnte die entscheidende Phase im Januar einsetzen, doch ein früher Wintereinbruch ist nicht ausgeschlossen. Die aktuellen Modelle zeigen: Der Polarwirbel, der normalerweise kalte Luftmassen über der Arktis festhält, verliert in diesem Jahr an Stabilität.

Was bedeutet das für Deutschland?

Normalerweise sorgt ein starker Polarwirbel für ruhiges, eher mildes Winterwetter. Wird er schwächer, kommt Bewegung ins System: Warme Luftmassen strömen aus dem Süden nach Norden, während gleichzeitig eisige Polarluft ungehindert nach Mitteleuropa gelangt. Meteorolog*innen sprechen dann von einer meridionalen Wetterlage – einem Strömungsmuster, das kalte Wellen und Schneefälle begünstigt.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, welche Wucht solche Wetterlagen entfalten können. Im Winter 1978/79, als der Polarwirbel ähnlich instabil war, erlebte Deutschland eine Kälteperiode, die in die Geschichtsbücher einging: Schneestürme, meterhohe Verwehungen, tagelange Verkehrsausfälle und Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt. Schauen wir uns nun genauer an, wie Polarwirbel überhaupt entstehen.

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Zwei Wirbel über den Polen

Es gibt zwei Polarwirbel auf der Erde: einen über der Arktis und einen über der Antarktis. Beide sind in der mittleren und oberen Atmosphäre zu finden, konkret in der Troposphäre und Stratosphäre. Dabei unterscheidet man zwischen einem troposphärischen und einem stratosphärischen Polarwirbel.

Der stratosphärische Wirbel liegt in etwa 10 bis 50 Kilometern Höhe. Er ist meist stabil und hat eine gleichmäßige, kreisförmige Struktur. Der troposphärische Wirbel reicht dagegen bis in Höhen von etwa 5 bis 9 Kilometern. Seine Struktur ist variabler, er kann sich aufspalten oder verlagern.

Wie entsteht ein Polarwirbel?

Im Winter gibt es in den Polregionen kaum Sonnenlicht. Die Luft kühlt dadurch stark ab. In der Höhe sinkt der Luftdruck schneller als am Boden. Durch die Erdrotation, also die Corioliskraft, entstehen dabei starke Westwinde, die sich um die Pole drehen. Am Nordpol gegen den Uhrzeigersinn, am Südpol im Uhrzeigersinn. Diese rotierenden Winde formen den Polarwirbel.

Besonders ausgeprägt ist er im Winter. Im Sommer schwächt sich der Wirbel durch die zunehmende Erwärmung wieder ab. Das gilt sowohl für die Arktis als auch für die Antarktis.

Der Polarwirbel als Wettermacher

Solange der Polarwirbel stabil ist, bleibt die kalte Luft in den Polargebieten eingeschlossen. Erst wenn er instabil wird, kann es für Europa interessant werden. Dann nämlich können Kaltluftmassen aus der Arktis nach Süden gelangen – teils bis nach Mitteleuropa.

Ursache für diese Instabilität ist oft eine plötzliche Erwärmung der Stratosphäre. Meteorologinnen und Meteorologen sprechen dann von einer „Sudden Stratospheric Warming“ (SSW). Dabei steigen die Temperaturen in der Stratosphäre innerhalb weniger Tage um bis zu 50 Grad. Das kann den Polarwirbel so sehr stören, dass er sich aufspaltet oder gar auflöst.

Die Folge: Die eingeschlossene Kaltluft wird frei. In Form von Ausstülpungen wandert sie nach Süden. Je nach Lage kann das zu markanten Kältewellen in Nordamerika, Asien oder Europa führen. 2018 beispielsweise gelangte arktische Luft bis nach Westeuropa. Die Temperaturen fielen damals deutlich unter den Gefrierpunkt.

Der Jetstream als Verbindungsglied

Wichtig für die Dynamik des Polarwirbels ist der Jetstream. Er ist ein Starkwindband, das in rund zehn Kilometern Höhe die Erde umrundet. Der Jetstream wirkt wie ein Schutzwall: Ist er stark und geradlinig, bleibt die Kaltluft im Norden. Wird er schwächer und beginnt zu schwingen, können kalte Luftmassen leichter nach Süden vordringen.

Ein instabiler Polarwirbel geht meist mit einem stark wellenförmigen Jetstream einher. In den Wellentälern stößt kalte Luft nach Süden vor. In den Wellenbergen dringt warme Luft nach Norden. Das Ergebnis: wechselhaftes Wetter mit plötzlichen Kaltlufteinbrüchen.

AO und AAO: Zwei Indizes zur Einschätzung

Um die Aktivität der Polarwirbel zu messen, greifen Meteorologinnen und Meteorologen auf zwei Indizes zurück: den AO-Index für die Arktis (Arktische Oszillation) und den AAO-Index für die Antarktis (Antarktische Oszillation). Beide geben an, wie stark der Druckunterschied zwischen den Polarregionen und den mittleren Breiten ist.

Ein hoher AO-Wert steht für einen starken, stabilen Polarwirbel. Die kalte Luft bleibt im Norden. Ein niedriger AO-Wert deutet auf einen geschwächten Wirbel hin. Die Wahrscheinlichkeit für Kaltlufteinbrüche steigt.

Unterschiede zwischen Arktis und Antarktis

Der Polarwirbel über der Antarktis ist in der Regel stabiler als der über der Arktis. Der Grund dafür liegt in der geografischen Struktur. Rund um den Südpol gibt es kaum Landmassen, die den Windfluss stören könnten. Auf der Nordhalbkugel dagegen befinden sich große Kontinente, Gebirge und warme Meeresflächen, die die Atmosphäre beeinflussen.

Auch plötzliche Stratosphärenerwärmungen sind in der Arktis häufiger und besser erforscht. In der Antarktis kommen sie zwar ebenfalls vor, sind aber seltener und wissenschaftlich noch nicht vollständig verstanden.

Polarwirbel auf anderen Planeten

Polarwirbel sind kein rein irdisches Phänomen. Auch andere Planeten besitzen solche Strukturen. Der Mars, der Jupiter oder der Saturn zeigen ähnliche Wirbel. Besonders bemerkenswert: Auf dem Saturn-Südpol existiert ein Polarwirbel, der deutlich wärmer ist als seine Umgebung – der einzige bekannte heiße Polarwirbel in unserem Sonnensystem.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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