Offshore-Wasserstoff verändert die Nordsee – was jetzt wichtig ist
Offshore-Wasserstoffanlagen erwärmen lokal das Meer – Studie zeigt, wie sich Wärme und Sole auf die Nordsee auswirken.

Offshore-Windkraftanlagen sollen mit Produktionsstätten für Wasserstoff kombiniert werden. Die Nordsee verändert sich jedoch dadurch.
Foto: PantherMedia / s.polakovs@gmail.com
Offshore-Windkraft ist ein Schlüsselelement der Energiewende. Doch Wind allein reicht nicht. Zunehmend rückt die Erzeugung von grünem Wasserstoff in den Fokus – direkt vor Ort in Offshore-Windparks. Geplant ist der Aufbau von Elektrolyseanlagen mit einer Gesamtleistung von bis zu 10 Gigawatt in der Deutschen Bucht. Dabei wird Meerwasser entsalzt und anschließend per Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt.
Dieser Prozess ist technisch komplex. Neben dem gewünschten Wasserstoff entstehen zwei Stoffströme, die zurück ins Meer geleitet werden: warme Abwässer und hochsaline Sole. Doch welche Folgen hat das für das empfindliche Ökosystem Nordsee? Eine aktuelle Studie des Helmholtz-Zentrums Hereon liefert erstmals fundierte Antworten.
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Abwärme und Sole verändern die Schichtung des Wassers
Die Studie simulierte den Betrieb einer typischen 500-Megawatt-Anlage. Sie zeigt: Bereits in unmittelbarer Umgebung kann sich das Meerwasser im Jahresmittel um bis zu 2 °C erwärmen. Selbst noch in 1000 m Entfernung lassen sich Temperaturveränderungen um 0,1 bis 0,2 °C nachweisen. Verantwortlich ist vor allem die Abwärme, die bei der thermischen Entsalzung (z. B. Multi-Effect Distillation, MED) entsteht. Die Sole hat dagegen geringeren Einfluss, erhöht den Salzgehalt im Nahbereich aber messbar.
Diese Erwärmung bleibt nicht ohne Wirkung. Sie verändert die sogenannte Stratifikation des Wassers – also die vertikale Schichtung in kältere, salzreichere Tiefen und wärmere Oberflächenschichten. Durch die zusätzliche Wärme verstärkt sich diese Schichtung. Die Folge: Der natürliche Austausch zwischen den Wasserschichten wird behindert, Nährstoffe aus der Tiefe gelangen seltener an die Oberfläche.
Das hat Konsequenzen für das Phytoplankton. Diese Kleinstlebewesen bilden die Grundlage der Nahrungskette im Meer. Sie benötigen Licht – und Nährstoffe. Wenn letztere ausbleiben, kann das die Produktivität ganzer Ökosysteme beeinflussen.
Der Einfluss ist lokal – aber deutlich
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Hereon nutzten für ihre Analysen das Ozeanmodell SCHISM. Damit simulierten sie unterschiedliche Szenarien mit variierender Einleitungstiefe, Anlagenleistung und räumlicher Verteilung. Die wichtigsten Ergebnisse:
- Oberflächennahe Einleitungen verstärken die Schichtung am deutlichsten – um bis zu 6,5 %.
- Einleitungen in größerer Tiefe (z. B. am Meeresboden) verursachen lokal höhere Dichteunterschiede – teils kritisch.
- Vertikal verteilte Einleitungen über die gesamte Wassersäule wirken abschwächend.
- Räumlich verteilte Systeme (z. B. viele kleine statt einer großen Anlage) reduzieren ebenfalls die Belastung pro Standort.
Größere regionale Effekte bleiben bislang überschaubar. Erst ab einer installierten Leistung von mehr als 2 GW nimmt der Einfluss spürbar zu. Zudem zeigt sich: Turbulenzen durch Windkraftanlagen selbst haben teilweise stärkere Auswirkungen auf das regionale Temperaturfeld als die Wasserstoffproduktion.

Die Abbildung zeigt Modelle von möglichen Produktionsplattformen für Offshore-Wasserstoff: Links ist eine zentrale Produktion auf einer einzelnen Plattform. Rechts ist eine dezentrale Produktion auf einzelnen Windturbinen.
Foto: Aquaventus Förderverein e.V.
Handlungsempfehlungen: Nachhaltigkeit durch technische Anpassung
Die Forschenden empfehlen, den Betrieb künftiger Offshore-Wasserstoffanlagen gezielt umweltfreundlich zu gestalten. Dazu zählen:
- Dezentrale Elektrolyse: Statt große Plattformen mit mehreren hundert Megawatt könnten kleinere Anlagen direkt an einzelnen Windrädern installiert werden.
- Tiefere oder gestaffelte Einleitungen: Wärme und Sole sollten möglichst über mehrere Ebenen verteilt ins Wasser zurückgeführt werden.
- Technologische Weiterentwicklungen: Die Nutzung alternativer Entsalzungstechnologien (z. B. Umkehrosmose) könnte den Abwärmeeintrag reduzieren.
„Unsere Erkenntnisse helfen, die Auswirkungen der Erzeugung von grünem Wasserstoff auf die Meere besser zu verstehen und frühzeitig Lösungen für eine nachhaltige und naturverträgliche Energiewende auf See zu entwickeln”, erklärt Studienleiter Dr. Nils Christiansen.
Weitere Forschungsfragen offen
Die aktuelle Studie ist ein erster Schritt. Weitere Untersuchungen sollen zeigen, wie sich alternative Verfahren wie chemische Wasserstoffherstellung oder andere Entsalzungstechnologien auswirken. Auch die langfristigen ökologischen Effekte auf verschiedene Meeresbewohner und -gemeinschaften sind noch nicht vollständig erforscht.
Klar ist: Der Aufbau einer wasserstoffbasierten Offshore-Infrastruktur muss Hand in Hand mit Umweltschutz und Meeresforschung erfolgen. Nur dann kann grüner Wasserstoff tatsächlich zur nachhaltigen Lösung werden – ohne neue Probleme zu schaffen.
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