Grüner Campus in Gefahr 18.08.2025, 11:08 Uhr

Klimastress: Wie Potsdams Telegrafenberg gerettet werden soll

Klimastress in Potsdam: 78 % der Bäume am Telegrafenberg sind geschädigt. Maßnahmen sollen Artenvielfalt und Wasserversorgung retten.

Telegrafenberg Potsdam

Der Schein trügt: Obwohl die Bäume auf dem Telegrafenberg in Potsdam in sattem Grün erstrahlen, ist der Bestand infolge von Hitze und Trockenheit bereits zu 78 Prozent geschädigt. Ein Landschaftskonzept soll den Campus klimaresilient, biodivers und nachhaltig gestalten.

Foto: Drees & Sommer SE

Wer den Telegrafenberg in Potsdam betritt, wandelt zwischen mächtigen Bäumen, stillen Wegen und historischen Institutsgebäuden. Doch die Idylle trügt: Hitze und Dürre haben tiefe Spuren hinterlassen. Ein Großteil der Bäume leiden unter Klimastress. Damit dieser Ort der Wissenschaft und Natur erhalten bleibt, soll ein neues Landschaftskonzept die grüne Lunge der Stadt retten.

Der Telegrafenberg im Klimastress

Das Jahr 2024 war das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Weltweit lagen die Temperaturen erstmals ein Jahr lang über 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Auch Potsdam bleibt nicht verschont. Der Telegrafenberg, Heimat namhafter Forschungsinstitute, kämpft mit Hitze und Trockenheit. Laut Erhebungen gelten rund 78 % der Bäume dort als geschädigt.

Damit die „grüne Lunge“ des Wissenschaftscampus erhalten bleibt, erarbeitet das Beratungsunternehmen Drees & Sommer gemeinsam mit dem GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung ein neues Landschaftskonzept. Ziel ist es, die Anlage klimaresilient zu machen – also widerstandsfähiger gegen Hitze, Trockenheit und Starkregen.

„Seit Jahren beobachten wir auch hier die Folgen des Klimawandels – insbesondere der Baumbestand leidet zunehmend unter steigenden Temperaturen und Trockenheit“, sagt Dr. Knut Kaiser, Nachhaltigkeitsbeauftragter des GFZ. „Mit dem neuen Landschaftskonzept soll der Telegrafenberg als Grünraum bewahrt werden.“

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Lebensräume unter Druck

Die Vegetation des Telegrafenbergs ist vielfältig. Von Kiefernwäldern über offene Magerrasen bis zu naturnahen Gehölzen bietet das Gelände vielen Arten Schutz. Besonders wertvoll sind seltene Pflanzen wie Maiglöckchenbestände. Aber auch Tiere wie Spechte, Tagpfauenaugen oder die geschützte Eidechsenart Klaiber haben hier Rückzugsräume gefunden.

Bemerkenswert ist zudem der Bestand an Eiben. Ausgehend von im 19. Jahrhundert gepflanzten „Mutterbäumen“ hat sich über Jahrzehnte ein Bestand von rund 2000 jungen Exemplaren entwickelt. Es handelt sich um eines der größten Vorkommen in Nordostdeutschland.

Doch diese Vielfalt steht unter Druck. Hitzeperioden und Trockenphasen lassen Bäume absterben. Ohne Eingriffe könnte das Ökosystem kippen.

Welche Maßnahmen geplant sind

Damit der Telegrafenberg widerstandsfähiger wird, reicht es nicht, nur einzelne Bäume zu retten. Das gesamte Ökosystem muss betrachtet werden. Fachleute sprechen von einem „integrierten Ansatz“. Dahinter steckt die Idee, den Standort als Ganzes klimaresilient zu machen.

  • genaue Analyse der Böden, um ihre Fähigkeit zur Wasserspeicherung zu verbessern
  • Anpassung des Regenwassermanagements, damit weniger Wasser ungenutzt abfließt
  • Auswahl robusterer Baumarten, die Hitze und Trockenheit besser vertragen

Dabei soll die historische Vegetation nicht verdrängt werden. Ziel ist eine Mischung: alte, denkmalgeschützte Bäume erhalten und gleichzeitig jüngere Pflanzen ansiedeln, die besser mit den Folgen des Klimawandels zurechtkommen.

 

Wassermangel als Hauptursache

Ein zentraler Ansatz der geplanten Maßnahmen liegt im Wassermanagement. Denn die Bäume leiden vor allem unter Wassermangel. „Durch steigende Temperaturen und längere Trockenphasen fehlt den Bäumen zunehmend Wasser. Sie trocknen aus und sterben ab“, erklärt Ramona Giese, Projektleiterin bei Drees & Sommer.

Geplant ist, Regenwasser effizienter zu nutzen. Das bedeutet: mehr Versickerung, besseres Speichern und gezielte Bewässerung. Ein digitales Geoinformationssystem soll dabei helfen. Mit Scalgo lassen sich Oberflächenabflüsse modellieren und Überflutungsrisiken simulieren. So können Fachleute einschätzen, wo Wasser künftig gehalten oder umgeleitet werden muss.

Potsdams grüne Lunge als Kaltluftspeicher

Der Telegrafenberg ist mehr als ein Forschungsgelände. Er wirkt wie ein riesiger Kaltluftspeicher, der die Potsdamer Innenstadt abkühlt. Zudem grenzt er an Trinkwasserschutzgebiete. Jeder Eingriff muss deshalb mit großer Sorgfalt geplant werden.

„Unser Ziel ist es, den grünen Campus zu erhalten. Das bedeutet, scheinbare Gegensätze in Einklang zu bringen: den Erhalt historischer Strukturen mit der notwendigen Anpassung an den Klimawandel, die sorgfältige Pflege der Anlagen mit dem Schutz der Artenvielfalt sowie die Nutzungsansprüche mit der Bewahrung sensibler Vegetation“, sagt Knut Kaiser.

Bis 2026 soll das endgültige Konzept stehen.

Ein Ort mit Geschichte

Der Telegrafenberg ist nicht nur ein ökologisch wertvoller Raum, sondern auch ein geschichtsträchtiger Ort. Er ragt 94 Meter über den Meeresspiegel hinaus und gehörte einst zum sogenannten Saarmunder Endmoränenbogen.

Seinen Namen erhielt er im Jahr 1832, als dort eine optische Telegrafenstation errichtet wurde. Mit einem sechs Meter hohen Mast und beweglichen Flügeln konnten Zeichen über große Distanzen weitergegeben werden. Friedrich Wilhelm III. ließ die preußische Staatstelegrammlinie zwischen Berlin und Koblenz errichten. Der Telegrafenberg war Station vier von insgesamt 62 auf der fast 550 Kilometer langen Strecke.

Mit der Einführung der elektrischen Telegrafie verlor die Anlage 1849 ihre Funktion. Ein Nachbau des Telegrafenmasts erinnert seit 2009 an diese Zeit.

Schönster Wissenschaftscampus auf dem Kontinent?

Im 19. Jahrhundert siedelten sich dann wissenschaftliche Einrichtungen an. Heute stehen hier Observatorien, Institute und Forschungsbauten. Der Wissenschaftspark Albert Einstein beherbergt unter anderem das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, das Alfred-Wegener-Institut und das GFZ.

Hans Joachim Schellnhuber, langjähriger Direktor des Potsdam-Instituts, nannte den Ort einst „den schönsten Wissenschaftscampus auf dem Kontinent“.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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