Klimawandel 13.10.2025, 17:30 Uhr

Erster Klimakipppunkt überschritten: Korallenriffe vor dem Kollaps

Alarmierende Erkenntnisse im Global Tipping Points Report 2025: Das Absterben tropischer Korallenriffe ist kaum noch aufzuhalten.

Eine Uhr steht vor einigen Windrädern

Die Uhr tickt immer lauter: Einige Klimakipppunkt sind unwiederbringlich erreicht.

Foto: SmarterPix/Alla_Morozova93

Alarmierende Erkenntnisse im Global Tipping Points Report 2025: Das Absterben tropischer Korallenriffe aufgrund steigender Meerestemperaturen ist kaum noch aufzuhalten. Auch polare Eiskappen haben möglicherweise bereits Kipppunkte überschritten, was zu einem unumkehrbaren Meeresspiegelanstieg führen könnte. Expertinnen und Experten fordern dringendes Handeln, um weitere Klimakipppunkte zu verhindern.

Global Tipping Points Report 2025 zeichnet düsteres Bild der Zukunft

Der am 13. Oktober 2025 veröffentlichte Global Tipping Points Report 2025 (GTPR 2025) zeichnet ein düsteres Bild der Zukunft unseres Planeten. Internationale Klimaforscherinnen und -forscher warnen eindringlich davor, dass das großflächige Sterben tropischer Korallenriffe infolge der sich erwärmenden Ozeane nur noch mit enormen Kraftanstrengungen verhindert werden kann. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass Teile der polaren Eisschilde bereits unwiderruflich ins Rutschen geraten sind. Ein weiteres Abschmelzen hätte einen irreversiblen Anstieg des Meeresspiegels um mehrere Meter zur Folge. Diese alarmierenden Erkenntnisse unterstreichen die Dringlichkeit entschlossener Maßnahmen zum Klimaschutz, um die schlimmsten Folgen der Erderwärmung abzuwenden.

Nico Wunderling, Professor für Computational Earth System Sciences am Center for Critical Computational Studies | C3S der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Forscher am Senckenberg Forschungsinstitut Frankfurt, gehört zu den federführenden Autorinnen und Autoren des GTPR 2025. Gemeinsam mit weiteren Leitautorinnen und -autoren zeichnet er verantwortlich für das Kapitel „Earth System Tipping Points and Risks“. „Das Überschreiten von Klimakipppunkten birgt verheerende Konsequenzen für unsere Gesellschaften“, mahnt Wunderling. Er weist auf die Gefahr hin, dass das Kippen eines Klimasystems eine Kettenreaktion auslösen und das Kippen weiterer Systeme nach sich ziehen oder beschleunigen könnte. Dieses Risiko werde sich mit dem Überschreiten der 1,5°C-Grenze erheblich erhöhen, so der Experte.

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Überschreitung des ersten Klimakipppunkts bei Korallenriffen

Der Bericht identifiziert rund zwei Dutzend Teilsysteme des Klimasystems, die über Kipppunkte verfügen. Laut GTPR 2025 ist nun der erste dieser Kipppunkte erreicht, nämlich jener der tropischen Korallenriffe. Die Autorinnen und Autoren gehen davon aus, dass die globale Durchschnittstemperatur in naher Zukunft 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau liegen wird. Damit betrete die Menschheit eine Phase, in der das Überschreiten weiterer Klimakipppunkte droht. Die Folgen könnten weitreichend sein, wie beispielsweise ein beschleunigter Meeresspiegelanstieg durch das Abtauen der großen Eisschilde oder globale Temperaturveränderungen, sollte die atlantische Ozeanzirkulation kippen. Der Bericht enthält auch Vorschläge für Gegenmaßnahmen, um den weiteren Temperaturanstieg zu begrenzen.

Die Koordination des GTPR 2025 oblag Tim Lenton, Professor am Global Systems Institute der University of Exeter in Großbritannien. Mehr als 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus rund 20 Ländern haben an dem Bericht mitgewirkt. Seine Veröffentlichung erfolgte zeitnah zur 30. Weltklimakonferenz, die am 10. November 2025 im brasilianischen Belém startet. Der erstmals 2023 publizierte GTPR gilt als Standardwerk für die Bewertung von Risiken und Chancen negativer wie positiver Kipppunkte im Erdsystem und in der Gesellschaft. Schon damals fand er weltweite Beachtung.

Bedrohliche Nähe weiterer Klimakipppunkte bei 1,5 °C Erwärmung

Erst in den vergangenen zwei Dekaden haben Klimakipppunkte verstärkt Eingang in die Klimaforschung gefunden. Die Verfasserinnen und Verfasser des Berichts definieren einen klimabedingten Kipppunkt von Erdsystemen wie Korallenriffen, dem Amazonas-Regenwald oder großflächigen Meeresströmungen als jenes Erwärmungsniveau, ab dem diese Systeme selbstverstärkenden und oft unumkehrbaren Veränderungen unterliegen. So würden viele tropische Korallenriffe nach Überschreitung ihres Kipppunkts absterben, selbst wenn es gelänge, die weitere Erderwärmung zu begrenzen.

Die Forscherinnen und Forscher halten es für durchaus möglich, dass in den kommenden Jahrzehnten weitere Kipppunkte überschritten werden. Einige davon könnten bereits bei einer globalen Erwärmung von etwa 1,5 °C erreicht sein, darunter jene des Amazonas-Regenwalds (Folge: Versteppung), der grönländischen und westantarktischen Eisschilde (Folge: Meeresspiegelanstieg um mehrere Meter) oder der atlantischen Ozeanzirkulation (Folge: starke Abkühlung Europas).

Korallenriffe sterben in nie dagewesenem Ausmaß

Zu diesen verschiedenen Kippelementen des Klimasystems heißt es im GTPR wie folgt: Korallenriffe in tropischen Breiten sterben aufgrund wiederholter Massenbleichereignisse in nie dagewesenem Ausmaß. Mit etwa 1,4 °C liegt die aktuelle Erderwärmung über ihrem thermischen Kipppunkt, den Forschende auf circa 1,2 °C schätzen. Selbst bei einer Stabilisierung der Erwärmung bei 1,5 °C, was unrealistisch erscheint, ist ein Kippen der Riffe höchstwahrscheinlich. Viele von ihnen gehen unwiederbringlich verloren, sollte die globale Temperatur nicht wieder auf 1 °C oder darunter sinken. Je länger und stärker diese Temperatur überschritten wird, desto unwahrscheinlicher wird eine Erholung der Riffe.

Eine Kombination aus Klimaerwärmung und teilweiser Abholzung setzt den Amazonas-Regenwald bereits bei 1,5 bis 2 °C globaler Erwärmung der Gefahr großflächiger Versteppung aus. Dies kann seinerseits den Klimawandel weiter verstärken. Die Atlantische Meridionale Umwälzströmung (AMOC), zu der auch der Golfstrom zählt, könnte schon bei einer globalen Erwärmung von unter 2 °C zusammenbrechen. Die Folgen wären deutlich kältere Winter in Nordwesteuropa, gestörte globale Monsunsysteme und verringerte landwirtschaftliche Erträge in großen Teilen der Welt.

Positive gesellschaftliche Kipppunkte als Chance im Kampf gegen die Klimakrise

Die Autorinnen und Autoren des GTPR weisen darauf hin, dass neben den negativen Klimakipppunkten auch positive Kipppunkte in unseren Gesellschaften existieren. Deren Überschreiten kann schnelle Transformationen hin zu klimafreundlicherem Verhalten fördern. Beispiele hierfür sind:

  • Erneuerbare Energien, die in den meisten Regionen der Welt bereits günstiger sind als fossile Brennstoffe, sowie Elektrofahrzeuge, die Benzin- und Dieselfahrzeuge zunehmend von den Straßen verdrängen. Diese Entwicklungen könnten sich als selbstverstärkend erweisen.
  • Die schrittweise politische Einführung und Förderung klimafreundlicher Technologien kann das Auftreten positiver Kipppunkte, etwa beim Einsatz klimaschonender Heizungen oder im Gütertransport, beschleunigen.
  • Mechanismen „sozialer Ansteckung“ können dazu führen, dass die Mehrheit der Menschen Verhaltensänderungen einer Minderheit übernimmt, die beispielsweise ihren Fleischkonsum reduziert oder ihr Mobilitätsverhalten verändert hat.

Ein Beitrag von:

  • Julia Klinkusch

    Julia Klinkusch ist seit 2008 selbstständige Journalistin und hat sich auf Wissenschafts- und Gesundheitsthemen spezialisiert. Seit 2010 gehört sie zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Klima, KI, Technik, Umwelt, Medizin/Medizintechnik.

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