3I/ATLAS: Der wohl älteste Komet des Universums auf Stippvisite
Älter als das Sonnensystem: Der interstellare Komet 3I/ATLAS gibt Einblicke in die galaktische Frühzeit – und bleibt für uns ungefährlich.

Draufsicht auf die Milchstraße mit den geschätzten Umlaufbahnen unserer Sonne und des Kometen 3I/ATLAS. 3I/ATLAS ist durch rote gestrichelte Linien dargestellt, die Sonne durch gelbe gepunktete Linien. Die große Ausdehnung der Umlaufbahn von 3I in den äußeren dicken Scheibe ist deutlich zu erkennen, während die Sonne näher am Kern der Galaxie bleibt.
Foto: M. Hopkins/Ōtautahi-Oxford team. Base map: ESA/Gaia/DPAC, Stefan Payne-Wardenaar. Creative Commons BY-SA 4.0 (Deutsch)
Ein geheimnisvoller Besucher aus der Tiefe der Milchstraße zieht derzeit die Aufmerksamkeit der Astronomie-Gemeinschaft weltweit auf sich. Der Komet mit dem Namen 3I/ATLAS wurde am 1. Juli 2025 mit dem ATLAS-Survey-Teleskop in Chile entdeckt – in rund 670 Millionen Kilometern Entfernung von der Sonne. Doch nicht die Distanz ist es, die das Objekt so besonders macht, sondern sein Alter und seine Herkunft: Er könnte über sieben Milliarden Jahre alt sein – und damit älter als unser Sonnensystem.
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Älter als alles, was wir kennen?
Matthew Hopkins, Astronom an der Universität Oxford, stellte die Entdeckung auf dem National Astronomy Meeting 2025 der Royal Astronomical Society in Durham vor. Seine These: 3I/ATLAS ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der älteste jemals beobachtete Komet. Während alle bekannten Kometen in unserem Sonnensystem maximal 4,5 Milliarden Jahre alt sind, könnte dieser interstellare Brocken aus einer viel früheren Epoche des Universums stammen. Die Schätzung: mehr als sieben Milliarden Jahre.
Das Objekt ist erst das dritte bekannte interstellare Objekt, das in unsere kosmische Nachbarschaft vorgedrungen ist – nach 1I/’Oumuamua (2017) und 2I/Borisov (2019). Doch 3I/ATLAS unterscheidet sich grundlegend: Er scheint nicht aus dem galaktischen Zentrum oder einem bekannten Sternsystem zu kommen, sondern aus der sogenannten „dicken Scheibe“ der Milchstraße. Dort kreisen alte Sterne oberhalb und unterhalb der galaktischen Hauptebene. „Dies ist ein Objekt aus einem Teil der Galaxie, den wir noch nie aus der Nähe gesehen haben“, betont der Astrophysiker Chris Lintott, Co-Autor der Studie und Moderator der BBC-Sendung The Sky at Night.
Erste Anzeichen von Aktivität
Schon jetzt zeigt der Komet erste kometäre Aktivität. Sobald er sich der Sonne weiter nähert – was Ende Oktober 2025 der Fall sein wird – könnte sich auf seiner Oberfläche Wassereis verflüchtigen. Dabei entstehen Gase, eine leuchtende Koma und ein Schweif. „Wir befinden uns in einer spannenden Zeit: 3I zeigt bereits Anzeichen von Aktivität. Die Gase, die in Zukunft zu sehen sein könnten, werden unser Modell auf die Probe stellen“, sagt Co-Autorin Dr. Michele Bannister von der University of Canterbury in Neuseeland.
Hopkins geht davon aus, dass sich der Komet um einen alten Stern mit hoher Wasserstoffdichte gebildet hat. Das macht ihn zu einem wasserreichen Relikt aus der Frühzeit der Galaxie – und zu einem Glücksfall für die Forschung.
Interstellar – aber völlig ungefährlich
Trotz aller Faszination: Für die Erde stellt der Komet keine Gefahr dar. Laut Nasa wird er uns nicht näher als 240 Millionen Kilometer kommen – das ist eineinhalb Mal so weit wie die Sonne entfernt ist. Selbst an seinem sonnennächsten Punkt im Herbst bleibt er außerhalb der Mars-Umlaufbahn.
Rainer Kresken von der europäischen Raumfahrtagentur Esa sieht daher keinen Grund zur Sorge: „Das Objekt wird sich der Erde nicht gefährlich nähern“, so der Experte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Neue Ära der interstellaren Himmelskörper?
Dass dieser Komet entdeckt wurde, während sich Teams auf den Betrieb des neuen Vera C. Rubin Observatory vorbereiten, könnte sich als glücklicher Zufall erweisen. Die Forscher*innen hoffen, künftig bis zu 50 weitere interstellare Objekte zu finden – womöglich von ähnlicher Größe und Bedeutung wie 3I/ATLAS.
„Die Sonnen- und Sonnensystemforscher waren bereits begeistert von den potenziellen Entdeckungen, die Rubin in den nächsten zehn Jahren machen wird“, erklärt Dr. Rosemary Dorsey von der Universität Helsinki. „Doch 3I hat unsere Erwartungen noch einmal übertroffen.“
Hopkins selbst hatte seine Dissertation über interstellare Kometen gerade erst abgeschlossen, als die Entdeckung bekannt wurde. Er berichtet schmunzelnd: „Anstatt eines ruhigen Mittwochs, wie ich ihn geplant hatte, wachte ich mit Nachrichten wie ‚3I!!!!!!!!!!‘ auf.“
Ein Blick in die Urzeit des Universums
Die Entdeckung dieses Kometen ist mehr als nur ein astronomisches Highlight – sie ist ein Fenster in die ferne Vergangenheit. Das von Hopkins entwickelte Ōtautahi–Oxford-Modell, das auf statistischer Analyse interstellarer Flugbahnen basiert, kam erstmals in Echtzeit zur Anwendung. Dass es nun auf ein so besonderes Objekt angewendet werden kann, macht die Forschenden optimistisch.
Wer den Kometen selbst beobachten will, sollte sich den Spätherbst 2025 bis Anfang 2026 vormerken. Mit einem guten Amateurteleskop könnten Himmelsbeobachter*innen das spektakuläre Objekt mit etwas Glück selbst entdecken – bevor es weiter durch die Galaxie zieht und wieder im Dunkel des Alls verschwindet. (mit dpa)
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