3I/ATLAS: Der wohl älteste Komet des Universums rast durchs Sonnensystem
Älter als das Sonnensystem: Der interstellare Komet 3I/ATLAS gibt Einblicke in die galaktische Frühzeit – und bleibt für uns ungefährlich.
Draufsicht auf die Milchstraße mit den geschätzten Umlaufbahnen unserer Sonne und des Kometen 3I/ATLAS. 3I/ATLAS ist durch rote gestrichelte Linien dargestellt, die Sonne durch gelbe gepunktete Linien. Die große Ausdehnung der Umlaufbahn von 3I in den äußeren dicken Scheibe ist deutlich zu erkennen, während die Sonne näher am Kern der Galaxie bleibt.
Foto: M. Hopkins/Ōtautahi-Oxford team. Base map: ESA/Gaia/DPAC, Stefan Payne-Wardenaar. Creative Commons BY-SA 4.0 (Deutsch)
Ein geheimnisvoller Besucher aus der Tiefe der Milchstraße zieht derzeit die Aufmerksamkeit der Astronomie-Gemeinschaft weltweit auf sich. Der Komet mit dem Namen 3I/ATLAS wurde am 1. Juli 2025 mit dem ATLAS-Survey-Teleskop in Chile entdeckt – in rund 670 Millionen Kilometern Entfernung von der Sonne. Doch nicht die Distanz ist es, die das Objekt so besonders macht, sondern sein Alter und seine Herkunft: Er könnte über sieben Milliarden Jahre alt sein – und damit älter als unser Sonnensystem.
Inhaltsverzeichnis
- Komet 3I/ATLAS: Ein interstellarer Besucher auf Sonnenkurs
- Raumsonden im Einsatz: Warten auf Daten aus dem All
- Harvard-Astronom stellt gewagte These zu interstellarem Kometen auf
- Älter als alles, was wir kennen?
- Erste Anzeichen von Aktivität
- Interstellar – aber völlig ungefährlich
- Neue Ära der interstellaren Himmelskörper?
- Ein Blick in die Urzeit des Universums
Komet 3I/ATLAS: Ein interstellarer Besucher auf Sonnenkurs
Seit seiner Entdeckung Anfang Juli 2025 sorgt der interstellare Komet 3I/ATLAS für Aufsehen in der astronomischen Gemeinschaft. Am 30. Oktober 2025 erreichte er den sonnennächsten Punkt seiner Bahn – rund 210 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt, etwa das 1,4-Fache der Erdentfernung. Von der Erde aus blieb das Spektakel jedoch unsichtbar: Der Komet befand sich aus unserer Perspektive hinter der Sonne. Nur mit den Koronografen mehrerer Sonnenbeobachtungssatelliten ließ sich ein schwacher Lichtpunkt mit Schweif erkennen. Erst ab dem 10. November 2025 dürfte 3I/ATLAS wieder in den Teleskopen von Amateur- und Profiastronomen auftauchen, wenn er sich ausreichend von der Sonne entfernt hat.
Raumsonden im Einsatz: Warten auf Daten aus dem All
Ab dem 2. November 2025 soll die europäische Raumsonde JUICE den interstellaren Kometen ins Visier nehmen. Die Beobachtungsphase dauert bis zum 25. November, doch weil sich JUICE derzeit hinter der Sonne befindet, können nur wenige Daten direkt übertragen werden. Erst im Februar 2026 wird die Sonde ihre gesammelten Informationen zur Erde funken.
Parallel dazu kreuzt die US-Sonde Europa Clipper, ebenfalls auf dem Weg zum Jupiter, den Schweif von 3I/ATLAS – aber in sicherem Abstand zum Kern. Ob die Sonde aktiv Messungen durchführen kann, ist derzeit ungewiss. Auch hier verhindert der Shutdown eine zeitnahe Auswertung.
Harvard-Astronom stellt gewagte These zu interstellarem Kometen auf
Der Harvard-Astronom Avi Loeb vertritt eine weit unkonventionelle Sicht auf 3I/ATLAS. Anders als die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen hält er es für möglich, dass der interstellare Besucher kein gewöhnlicher Komet, sondern ein künstliches Objekt außerirdischen Ursprungs sein könnte. Darüber schreibt er auf Medium. Loeb argumentiert, dass die Bahn und das Verhalten des Körpers auf eine gezielte Steuerung oder zumindest auf technologische Einflüsse hindeuten könnten – ähnlich einem Raumschiff oder einer Sonde, die absichtlich ins Sonnensystem gelenkt wurde.
Schon bei früheren interstellaren Objekten wie ʻOumuamua hatte Loeb ähnliche Vermutungen geäußert und fordert seither, solche Phänomene nicht vorschnell als natürliche Erscheinungen abzutun, sondern offen nach möglichen künstlichen Signaturen zu suchen.
Das Perihel sei die entscheidende Probe für 3I/ATLAS. Der Komet hat nun am 29. Oktober das Perihel erreicht. Darunter versteht man einen Punkt auf der Umlaufbahn eines Himmelskörpers, an dem er der Sonne am nächsten ist. Dort ist die Sonneneinstrahlung am stärksten, was bei Kometen etwa zu verstärktem Verdampfen von Eis und Staub sowie zur Bildung eines Schweifs führt.
„Handelt es sich jedoch um ein technologisch hergestelltes Objekt – wie die vergleichsweise hohe Menge an Nickel im Verhältnis zu Eisen vermuten lässt – könnte 3I/ATLAS manövrieren oder Mini-Sonden freisetzen. Weitere Hinweise auf eine künstliche Herkunft wären künstliche Lichtquellen oder übermäßige Hitze von einem Antriebssystem. In den kommenden Monaten werden wir die wahre Natur von 3I/ATLAS wahrscheinlich besser einschätzen können“, schreibt der Astronom.
Älter als alles, was wir kennen?
Matthew Hopkins, Astronom an der Universität Oxford, stellte die Entdeckung auf dem National Astronomy Meeting 2025 der Royal Astronomical Society in Durham vor. Seine These: 3I/ATLAS ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der älteste jemals beobachtete Komet. Während alle bekannten Kometen in unserem Sonnensystem maximal 4,5 Milliarden Jahre alt sind, könnte dieser interstellare Brocken aus einer viel früheren Epoche des Universums stammen. Die Schätzung: mehr als sieben Milliarden Jahre.
Das Objekt ist erst das dritte bekannte interstellare Objekt, das in unsere kosmische Nachbarschaft vorgedrungen ist – nach 1I/’Oumuamua (2017) und 2I/Borisov (2019). Doch 3I/ATLAS unterscheidet sich grundlegend: Er scheint nicht aus dem galaktischen Zentrum oder einem bekannten Sternsystem zu kommen, sondern aus der sogenannten „dicken Scheibe“ der Milchstraße. Dort kreisen alte Sterne oberhalb und unterhalb der galaktischen Hauptebene. „Dies ist ein Objekt aus einem Teil der Galaxie, den wir noch nie aus der Nähe gesehen haben“, betont der Astrophysiker Chris Lintott, Co-Autor der Studie und Moderator der BBC-Sendung The Sky at Night.
Erste Anzeichen von Aktivität
Schon jetzt zeigt der Komet erste kometäre Aktivität. Sobald er sich der Sonne weiter nähert – was Ende Oktober 2025 der Fall sein wird – könnte sich auf seiner Oberfläche Wassereis verflüchtigen. Dabei entstehen Gase, eine leuchtende Koma und ein Schweif. „Wir befinden uns in einer spannenden Zeit: 3I zeigt bereits Anzeichen von Aktivität. Die Gase, die in Zukunft zu sehen sein könnten, werden unser Modell auf die Probe stellen“, sagt Co-Autorin Dr. Michele Bannister von der University of Canterbury in Neuseeland.
Hopkins geht davon aus, dass sich der Komet um einen alten Stern mit hoher Wasserstoffdichte gebildet hat. Das macht ihn zu einem wasserreichen Relikt aus der Frühzeit der Galaxie – und zu einem Glücksfall für die Forschung.
Interstellar – aber völlig ungefährlich
Trotz aller Faszination: Für die Erde stellt der Komet keine Gefahr dar. Laut Nasa wird er uns nicht näher als 240 Millionen Kilometer kommen – das ist eineinhalb Mal so weit wie die Sonne entfernt ist. Selbst an seinem sonnennächsten Punkt im Herbst bleibt er außerhalb der Mars-Umlaufbahn.
Rainer Kresken von der europäischen Raumfahrtagentur Esa sieht daher keinen Grund zur Sorge: „Das Objekt wird sich der Erde nicht gefährlich nähern“, so der Experte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Neue Ära der interstellaren Himmelskörper?
Dass dieser Komet entdeckt wurde, während sich Teams auf den Betrieb des neuen Vera C. Rubin Observatory vorbereiten, könnte sich als glücklicher Zufall erweisen. Die Forscher*innen hoffen, künftig bis zu 50 weitere interstellare Objekte zu finden – womöglich von ähnlicher Größe und Bedeutung wie 3I/ATLAS.
„Die Sonnen- und Sonnensystemforscher waren bereits begeistert von den potenziellen Entdeckungen, die Rubin in den nächsten zehn Jahren machen wird“, erklärt Dr. Rosemary Dorsey von der Universität Helsinki. „Doch 3I hat unsere Erwartungen noch einmal übertroffen.“
Hopkins selbst hatte seine Dissertation über interstellare Kometen gerade erst abgeschlossen, als die Entdeckung bekannt wurde. Er berichtet schmunzelnd: „Anstatt eines ruhigen Mittwochs, wie ich ihn geplant hatte, wachte ich mit Nachrichten wie ‚3I!!!!!!!!!!‘ auf.“
Ein Blick in die Urzeit des Universums
Die Entdeckung dieses Kometen ist mehr als nur ein astronomisches Highlight – sie ist ein Fenster in die ferne Vergangenheit. Das von Hopkins entwickelte Ōtautahi–Oxford-Modell, das auf statistischer Analyse interstellarer Flugbahnen basiert, kam erstmals in Echtzeit zur Anwendung. Dass es nun auf ein so besonderes Objekt angewendet werden kann, macht die Forschenden optimistisch.
Wer den Kometen selbst beobachten will, sollte sich den Spätherbst 2025 bis Anfang 2026 vormerken. Mit einem guten Amateurteleskop könnten Himmelsbeobachter*innen das spektakuläre Objekt mit etwas Glück selbst entdecken – bevor es weiter durch die Galaxie zieht und wieder im Dunkel des Alls verschwindet. (mit dpa)
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