Groß wie ein Kleinwagen 27.06.2025, 18:44 Uhr

3200 Megapixel: Größte Kamera der Welt liefert erste Bilder aus dem All

Erste Bilder aus dem All: Das Rubin-Observatorium startet mit der größten Digitalkamera der Welt und will dunkle Materie und Asteroiden sichtbar machen.

Foto vom Trifdnebel

Dieses Bild setzt 678 Einzelaufnahmen zusammen, die vom NSF–DOE Vera C. Rubin Observatory in etwas mehr als sieben Stunden Beobachtungszeit aufgenommen wurden. Durch die Kombination vieler Bilder werden sonst nur schwach oder gar nicht sichtbare Details deutlich, wie beispielsweise die Gas- und Staubwolken, aus denen die Trifidnebel (oben) und der Lagunennebel bestehen, die mehrere tausend Lichtjahre von der Erde entfernt sind.

Foto: NSF–DOE Vera C. Rubin Observatory

Am 23. Juni 2025 war es so weit: Die ersten Aufnahmen der bislang größten Digitalkamera wurden der Weltöffentlichkeit präsentiert – live vom Cerro Pachón in den chilenischen Anden. Dort ist die Kamera das Herzstück des Vera C. Rubin-Observatoriums, das nichts Geringeres will, als unser Verständnis des Universums zu revolutionieren. Ein Meilenstein für Astronomie, Technik – und die internationale Wissenschaftskooperation.

Der erste Blick in eine neue Ära

Begleitet von Feierlichkeiten in Washington, D.C., weltweit gestreamten Public Viewings und stolzen Studierenden der University of California Santa Cruz begann ein neues Kapitel der Himmelsbeobachtung. Der sogenannte „First Look“ war das Ergebnis von zwei Jahrzehnten Planung, Entwicklung und Bau. Rund 810 Millionen Dollar und unzählige Arbeitsstunden flossen in das Rubin-Observatorium und seine monumentale Kamera. Nun nimmt sie ihren Betrieb auf – ausgestattet mit einem 8,4 Meter großen Teleskop und einem optischen Sensor, der jeden bisherigen Standard sprengt.

Sie sieht, was kein Teleskop je sah

Die Kamera bringt es auf 3200 Megapixel – das entspricht etwa 260 modernen Smartphone-Kameras. Ihre Bilder sind so detailreich, dass man aus 24 Kilometern Entfernung einen Golfball erkennen könnte. Dank eines Sichtfelds, das rund sieben Mal größer ist als der Vollmond, wird sie künftig Milliarden von Galaxien erfassen – in einer Qualität, die in der Astronomie bisher unerreicht war.

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Mit ihrem Gewicht von 3 Tonnen und der Größe eines Kleinwagens ist sie nicht nur ein technisches, sondern auch ein logistische Meisterwerk. Sie wurde am SLAC National Accelerator Laboratory gebaut und Anfang 2025 nach Chile verschifft, wo sie nun auf dem Simonyi Survey Telescope installiert ist.

„Mit der LSST-Kamera beginnen wir bald, den größten Film aller Zeiten zu drehen und die informativste Karte des Nachthimmels zu erstellen, die es je gab“, so Željko Ivezić, Direktor des Rubin-Observatoriums.

größte Kamera der Welt

Alleine die Frontlinse hat einen Durchmesser von mehr als einem Meter.

Foto: Jacqueline Ramseyer Orrell/SLAC National Accelerator Laboratory

LSST: Ein Zeitraffer des Kosmos

Die Kamera ist Teil des Projekts Legacy Survey of Space and Time (LSST), das den südlichen Nachthimmel über einen Zeitraum von zehn Jahren immer wieder aufnehmen wird. Etwa alle drei Nächte kehrt sie zu denselben Himmelsausschnitten zurück und sammelt Daten, aus denen sich ein hochauflösender Film der dynamischen Prozesse im Universum erstellen lässt.

Die Beobachtungen sollen unter anderem helfen, dunkle Energie und dunkle Materie besser zu verstehen. Dazu wird die Kamera unter anderem schwache Gravitationslinsen vermessen – subtile Verzerrungen des Lichts, die durch große Massen zwischen Erde und Hintergrundgalaxien entstehen. Diese liefern wertvolle Hinweise auf die Verteilung von Materie im Universum.

Rubin-Observatorium & LSST-Kamera – Technische Fakten

Standort: Cerro Pachón, Anden, Chile
Teleskop: Simonyi Survey Telescope (8,4 Meter Spiegel)
Kameraauflösung: 3.200 Megapixel (entspricht 3,2 Milliarden Pixeln)
Größe: Kamera etwa so groß wie ein Kleinwagen, 3 Tonnen schwer
Fokalebene: 201 individuell gefertigte CCD-Sensoren
Sichtfeld: ca. 9,6 Quadratgrad (entspricht 40 Vollmonden)
Beobachtungsdauer: 10 Jahre (Projekt LSST – Legacy Survey of Space and Time)
Frequenz: alle 3 Nächte dieselben Himmelsausschnitte
Ziele: Erforschung dunkler Materie & Energie, Asteroiden, Supernovae, Milchstraße
Finanzierung: ca. 810 Millionen US-Dollar, u.a. durch NSF und US-Energieministerium

 

Ein Fenster für neue Entdeckungen

Doch die Forschung beschränkt sich nicht nur auf das Große und Ferne. Auch in unserem eigenen Sonnensystem soll die Kamera bislang unbekannte Objekte aufspüren – darunter lichtschwache Asteroiden, die der Erde gefährlich nahe kommen könnten. Durch ihre Empfindlichkeit könnten künftig zehnmal mehr Objekte in Sonnennähe beobachtet werden als bisher bekannt.

Dank intelligenter Software vergleicht das System neue Aufnahmen mit älteren Bilddaten. Erkennt es Veränderungen, sendet es automatisch innerhalb weniger Minuten Warnmeldungen an Forschende weltweit. Das ermöglicht die Echtzeitverfolgung von Supernovae, Kometen, veränderlichen Sternen oder anderen kosmischen Ereignissen.

„Rubins Kombination aus Geschwindigkeit, großem Sichtfeld und empfindlicher Kamera erweitert die Grenzen dessen, was ein Teleskop leisten kann“, heißt es vom Forschungsteam.

 

Aufbau der Kamera

Aufbau der Kamera der LSST-Kamera mit ihren Hauptkomponenten wie Linsen, Sensoranordnung und Versorgungsschacht. Foto: Chris Smith/SLAC National Accelerator Laboratory

Die enge Verbindung zur UC Santa Cruz

Die UC Santa Cruz war von Beginn an eng in das Projekt eingebunden. Der Physiker Steven Ritz, inzwischen Projektwissenschaftler und Mitglied des Collaboration Councils der Dark Energy Science Collaboration (DESC), koordinierte das Team für die ersten Bildveröffentlichungen. Zahlreiche weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende der Universität wirkten an Softwareentwicklung, Kamerakalibrierung und kosmologischen Modellierungen mit.

Auch Professorin Tesla Jeltema, heute stellvertretende Sprecherin der DESC, war von Anfang an dabei. Sie engagiert sich in der Forschung zu Galaxienclustern, Dunkler Materie und Gravitationslinsen. Gemeinsam mit ihren Kolleg*innen trug sie maßgeblich zur wissenschaftlichen Inbetriebnahme bei. „Die ersten Bilder zu sehen, war einfach aufregend“, sagte Jeltema.

Was kann man sonst noch mit einer so großen Kamera machen?

Die Bilder der riesigen Digitalkamera zeigen nicht nur ferne Galaxien. Sie helfen laut Forschungsteam auch, unsere Milchstraße zu erforschen. Viele Sterne in ihr sind klein und lichtschwach. Doch die LSST-Kamera ist so empfindlich, dass sie eine viel genauere Karte liefert. Sie zeigt den Aufbau und die Entwicklung unserer Galaxie. Auch Sterne und andere Objekte werden sichtbar.

Auch kleine Objekte in unserem Sonnensystem will das Team genauer unter die Lupe nehmen. Das Rubin-Observatorium schätzt, dass wir dadurch zehnmal mehr Objekte kennenlernen werden. Das wird unser Verständnis des Sonnensystems verbessern. Es könnte uns auch vor Asteroiden warnen, die der Erde zu nahe kommen.

Schließlich wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch beobachten, wie sich der Nachthimmel verändert. Sie sehen, wie Sterne verglühen und Materie in riesige schwarze Löcher in den Zentren der Galaxien fällt.

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Ein Observatorium mit Vermächtnis

Das Rubin-Observatorium ist nach der Pionierin Vera Rubin benannt. Sie lieferte in den 1970er-Jahren den ersten überzeugenden Hinweis auf die Existenz Dunkler Materie. Ihre damalige Kollegin Sandra Faber, ebenfalls Wegbereiterin der modernen Galaxienforschung, erinnerte sich in einer Rede an Rubins Einsatz für Gleichberechtigung in der Wissenschaft:

„Sie hatte ein echtes Talent dafür, den Finger in die Wunde zu legen und einen dabei zum Lachen zu bringen“, so Faber. „Sie war keine Jammerin.“ Das Observatorium ist das erste seiner Art, das nach einer Frau benannt wurde – und könnte schon bald eine neue Ära der Astronomie einläuten.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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