Existenzgründer statt Hoferben 17.06.2013, 10:00 Uhr

Frischzellenkur für die Landwirtschaft

Die Energiewende, die fortschreitende Digitalisierung in der Landtechnik und der Trend zu Bio-Lebensmitteln – sie alle beleben den Gründergeist im Agrarsektor. Mangels Erben suchen viele Bauern in Hofbörsen gleichzeitig Nachfolger – und finden Existenzgründer. Diese kämpfen mit einem stark regulierten Umfeld und einem oft hohen Kapitalbedarf.

<p>Halb automatisches Bäume pflanzen: Bei Lignovis, einem Betreiber von Kurzumtriebsplantagen, werden Spezialmaschinen eingesetzt, die aus Weiden- oder Pappelruten kurze Stecklinge schneiden und mit einem Stößel in den Boden einbringen. 

Halb automatisches Bäume pflanzen: Bei Lignovis, einem Betreiber von Kurzumtriebsplantagen, werden Spezialmaschinen eingesetzt, die aus Weiden- oder Pappelruten kurze Stecklinge schneiden und mit einem Stößel in den Boden einbringen. 

Foto: Lignovis

Der Trend spricht nicht gerade für landwirtschaftliche Neugründungen. Von 450 000 Betrieben im Jahr 2000 waren letztes Jahr ganze 288 200 übrig. Allein seit 2010 verschwanden 10 900 Höfe von der Bildfläche. Zeitgleich stieg die durchschnittliche Betriebsgröße von 56 ha auf 58 ha. Geringe Margen und hoher bürokratischer Aufwand graben kleinen Höfen das Wasser ab.

Kein Wunder, dass bei zwei Dritteln der Höfe die Nachfolge in den Sternen steht. Wahlweise gibt es keine Erben oder sie haben andere Berufe. Eine Betriebsaufgabe liegt dann nahe.

Keinen Erben: Hofgruender.de bringt Landwirte ohne Nachfolger und Gründer zusammen

Doch es gibt Ausnahmen. So suchen aktuell 75 Landwirte in der Börse von Hofgruender.de Nachfolger. Das von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft getragene Portal bringt Landwirte ohne Nachfolger und Gründer zusammen. Neben der reinen Kontaktvermittlung berät es beide Seiten – vor, während und nach der Übergabe.

Umfragen unter angehenden Agrartechnikern an Hoch- und Fachschulen zeigen, dass zwei Drittel die Selbstständigkeit in der Landwirtschaft erwägen, auch wenn sie keinen Hof erben. Gleichzeitig setzt in Bauernfamilien ein Umdenken ein: Statt ihr Land an Großbetriebe abzugeben, wollen sie ihre Höfe lieber als Ganzes weiter bewirtschaftet sehen. Im Prinzip müssen beide Gruppen nur zusammengeführt werden. Doch der Teufel steckt im Detail.

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Das beginnt beim Kapital. Gebäude, Maschinenpark, Tierbestand und Ländereien sind meist zu viel wert, als dass Gründer sie auf einen Schlag erwerben könnten. Oft stehen zusätzliche Investitionen in Modernisierung und Erweiterungen an. Daneben müssen die Gründer in einem schwierigen Marktumfeld Fuß fassen, in dem sie es mit hoch technisierten, oft sehr viel größeren Wettbewerbern zu tun bekommen. Und nicht zuletzt müssen sie einen langen Katalog an Regularien und behördliche Fristen verinnerlichen.

Gleitende Hofübergabe als eine Möglichkeit

Bei all diesen Problemen kann eine gleitende Hofübergabe helfen. Weil ein solcher Übergabeprozess voller Tücken steckt, sammeln die Macher von Hofgruender.de praktische Erkenntnisse aus außerfamiliären Hofübergaben in Leitfäden. Auch andere Ratgeber erleichtern Gründern den Einstieg: So listet die Landwirtschaftskammer NRW die wichtigsten bürokratischen Pflichten von Landwirten in spe auf. Und der Bund der deutschen Landjugend informiert über Finanzierung, Steuern, Vertragsgestaltung, Businesspläne sowie Förderangebote. Neben den üblichen Gründerprogrammen der KfW können Hofgründer demnach auf Hilfe der Landwirtschaftlichen Rentenbank, auf das Agrarinvestitionsförderungsprogramm des Bundes und auf verschiedene Bürgschaftsangebote bauen.

Hofgründungen sind nur eine Möglichkeit, sich im Agrarsektor selbstständig zu machen. Daneben suchen viele Gründer ihr Glück im Bereich der Landtechnik. Allein unter den Ausstellern der beiden Leitmessen Agritechnica und Eurotier fanden sich zuletzt rund 35 Unternehmen, die jünger als zehn Jahre waren. Viele dieser Firmen sind im wachsenden Bioenergiemarkt unterwegs. Sie bauen oder optimieren Biogasanlagen, bieten Pellet-Pressen, mit denen Landwirte Holz- und Pflanzenresten oder auch Mist zu Heizmaterial verpressen können, oder sie betreiben Kurzumtriebsplantagen mit schnell wachsenden Hölzern. So bewirtschaftet die 2011 gegründete Wald21 GmbH bundesweit Energiewälder auf rund 100 ha. Vor allem Pappeln und Weiden pflanzt das hoch technisierte Unternehmen auf Äcker, die dann nach drei bis fünf Jahren abgeerntet werden können. Nach der Ernte schlagen die Pflanzen wieder aus und können nach weiteren drei bis fünf Jahren erneut geerntet werden.

Wachsende Holzplantagen gelten als zukunftsträchtiger Markt

Wie Wald21 tummelt sich auch die Lignovis GmbH in dem als zukunftsträchtig geltenden Markt schnell wachsender Holzplantagen. Die Firma ist vor zwei Jahren nach einem Management-Buy-out aus dem insolventen Biokraftstoff-Start-up Choren hervorgegangen. Sie hat nach eigenen Angaben schon 500 ha bepflanzt und erste Ernten von früheren Choren-Äckern eingefahren.

Neben Bioenergie bleibt die Digitalisierung von Landmaschinen und Ställen einer der zentralen Treiber für Gründungen in der Landtechnik. Steuerungseinheiten und Software für Maschinen oder RFID-Chips für Tier-Ohren zählen ebenso zum Ideenspektrum, wie Drohneneinsätze im Zuge des Pflanzenmonitorings beim Precision-Farming oder hoch
automatisierte Systeme für das Management von Tierbeständen.

Aber auch im Bereich der Ställe und Futtermittel suchen Gründer ihr Glück. So hat sich die junge Ilox GmbH aus Vechta auf naturnahe, energieeffiziente Stallbeleuchtung spezialisiert. Und seit 2008 machen die Gründer der Cattle Comfort GmbH aus den oberbayrischen Töging Kühen und ihren Haltern das Leben mit einem unverwüstlichen Bodenbelag das Leben leichter. Das junge Unternehmen wirbt mit einer „nachgewiesenen Haltbarkeit von 1 Mio. Tritten“ des Kunststoffüberzugs für herkömmliche Betonspaltenböden. Die Kühe stehen auf dem Boden weich und sicher und haben weniger Stress. Und weil der Belag zudem auch isoliert, stehen sie laut Cattle Comfort wärmer und nehmen wegen des reduzierten Energieverbrauchs schneller zu.

 

Ein Beitrag von:

  • Peter Trechow

    Peter Trechow ist Journalist für Umwelt- und Technikthemen. Er schreibt für überregionale Medien unter anderem über neue Entwicklungen in Forschung und Lehre und Unternehmen in der Technikbranche.

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