Warum Amazon stärker auf fühlende Roboter setzen will
Hunderttausende Roboter sind bereits in den Warenlagern von Amazon unterwegs. Jetzt hat der Onlinehändler ein weiteres Modell präsentiert, das menschliche Fähigkeiten kopiert.

Um Gegänstände in kleine Fächer sortieren zu können, nutzt Amazon seit Neuestem feinfühlige Roboter. Das System trägt den Namen Vulcan und verwendet Roboterarme von Universal Robots.
Foto: Amazon
Schon länger arbeiten Roboterhersteller und Forschungseinrichtungen an feinfühligen Robotern. Jetzt macht Amazon einen großen Schritt in die Richtung. Bei seinem Innovations-Event „Delivering the Future“ in Dortmund hat der Onlinehändler automatisierte Verpackungstechnologien vorgestellt, die in den kommenden drei Jahren im europäisches Logistiknetzwerk zum Einsatz kommen sollen. Neben einer Maschine, die Kartonverpackungen maßgeschneidert zur Bestellung anfertigt, gehört dazu ein neues Robotersystem namens Vulcan.
Der typische Roboter sei „gefühllos und stumm“, erklärt Aaron Parness, Direktor für angewandte Wissenschaft bei Amazon. Das gelte vor allem für Roboter, die in kommerziellen Umgebungen arbeiten. „Wenn Industrieroboter in der Vergangenheit einen unerwarteten Kontakt hatten, haben sie entweder einen Notstopp eingelegt oder sind durch den Kontakt hindurchgefahren. Oft wissen sie nicht einmal, dass sie etwas berührt haben, weil sie es nicht spüren können.“ Erstmals setzt Amazon deshalb jetzt neben seiner Vielzahl an Transport- und Palettierrobotern auf Roboterarme mit Tastsinn.
Das Unternehmen nennt sein Modell Vulcan und Parness schwärmt: „Er sieht die Welt nicht nur, er fühlt sie auch und ermöglicht Fähigkeiten, die für Roboter bisher unmöglich waren.“ Das ist allerdings nicht korrekt. Denn auch andere haben bereits solche Lösungen entwickelt. Der deutsche Roboterhersteller Agile Robots gewann beispielsweise kürzlich die „Robotik Challenge 2025“. Bei dem Wettbewerb mussten biegeschlaffe Kabel in verschiedene Stecker eingeführt. Auch Kabelbinder kamen dabei zum Einsatz.
Aufgaben für feinfühlige Roboter im Amazon-Warenlager
Bei Amazon stehen dagegen andere Anforderungen im Vordergrund. Da geht es vor allem um weitere Verbesserungen der Arbeitsabläufe in den Warenlagern. Denn durch maschinelles Sehen (Computer Vision) konnten die Amazon-Robotersysteme Sparrow, Cardinal und Robin beispielsweise schon früher Gegenstände mit ihren Saugnäpfen greifen. Bei separierten Gegenständen ist das kein Problem. In seinen Fulfillment-Zentren maximieret der Onlinehändler die Effizienz aber auch dadurch, dass Inventar in mit Stoff überzogenen Behältern lagert, die wiederum in Fächer von etwa 1 m² unterteilt sind. Jedes davon fasst durchschnittlich bis zu zehn Artikel. Einen Artikel in diesen überfüllten Raum zu legen oder aus ihm herauszuholen, war bisher eine Herausforderung für Roboter. Hier ist bisher die natürliche Geschicklichkeit des Menschen gefragt.
Der neue Vulcan-Roboter soll Objekte in diesen Fächern nun leicht manipulieren und verstauen können. Er registriert dazu, wann er sie berührt und wie viel Kraft er dabei aufwendet. Anstelle des menschlichen Tastsinns nutzt Vulkan ein Werkzeug, das einem Lineal ähnelt, das auf ein Haarglätteisen geklebt ist. Dazu kommen Kraftrückkopplungssensoren, die dem Roboter sagen, wie stark er drückt oder wie fest er etwas hält. Er verhindert damit Schäden.
So arbeitet der Roboter mit Tastsinn bei Amazon
Mit dem „Lineal“ schiebt der Roboter die Gegenstände beiseite, die sich bereits im Fach befinden. Damit schafft er Platz für weitere Gegenstände. Die Arme des „Haarglätters“ (Paddles) halten den hinzuzufügenden Gegenstand. Dabei passen sie ihre Griffstärke je nach Größe und Form des Gegenstands an. Ebenfalls im Greifer integrierte Förderbänder schieben den Gegenstand schließlich in den Behälter. Um Gegenstände aus einem Fach zu entnehmen, nutzt der Vulcan dann wieder ganz klassisch ein Kamerasystem sowie einen Sauggreifer. Dadurch wird auch die Mitnahme anderer Gegenstände vermieden.
Auf diese Weise könne der Vulcan-Roboter derzeit etwa drei Viertel der Millionen von Produkten handhaben, die Amazon anbietet. Der Warenbestand werde dabei mit vergleichbarer Geschwindigkeit bewegt wie durch die menschlichen Mitarbeitenden, heißt es vom Konzern. Eingesetzt wird der Roboter laut dem Unternehmen bereits im US-Fulfillment-Center in Spokane, Washington. Hier ist durch seinen Einsatz bereits eine Veränderung zu erkennen. Während die Beschäftigten bei Sortierarbeiten entlastet werden, sind zunehmend technische Fähigkeiten gefordert.
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