NRW zeigt mit dem Industriepakt, wie Klimaschutz gelingen kann
Nordrhein-Westfalen gibt mit dem Industriepakt Klimaschutz konkrete Hilfestellung für Unternehmen auf dem Weg zur klimaneutralen Produktion bis 2045.

Symbolbild für das Treibhausgas CO2: Nordrhein-Westfalen gibt mit dem Industriepakt konkrete Hilfestellung für Unternehmen auf dem Weg zur klimaneutralen Produktion bis 2045.
Foto: PantherMedia / Hans-Joachim Bechheim
Der Industriepakt für Klimaneutralität und Wettbewerbsfähigkeit des Landes Nordrhein-Westfalen sollte zeigen, wie Klimaschutz und wirtschaftlicher Erfolg Hand in Hand gehen können. Am 26. Juni 2025 stellten die Beteiligten in Düsseldorf das zentrale Ergebnis von zweieinhalb Jahren Arbeit vor: eine Transformations-Roadmap. Mit ihr sollen vor allem mittelständische Unternehmen konkrete und praxisnahe Hilfestellungen für den Umstieg auf eine klimafreundliche Produktion erhalten. Denn: In den kommenden drei Jahren schon – 2025 bis 2027 -, so eine Beispiel, sollten die Unternehmen über eine Auswahl optimierter Konzepte entscheiden. Damit 2045 Vollzug gemeldet werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- Klimaschutz in der Industrie hängt auch mit dem Strompreises zusammen
- Roadmap aus der Praxis: Portlandzement Wittekind buchstabiert den Klimaschutz durch
- Es gibt keinen Business Case für eine klimaneutrale Zementproduktion
- Klimaschutz in der Industrie: Maschinen- und Anlagenbau doppelt gefordert:
- Maschinenbau sieht in Bürokratie und Fachkräftemangel Herausforderungen bei der Emissionsbilanzierung
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur sprach von einem „Kochbuch“: Da stünden „jetzt die Rezepte drin, wie man es hinkriegen kann“. Gemeint ist, das eigene Unternehmen, egal aus welcher Industriebranche, fit zu machen für treibhausgasneutrales Produzieren und Wirtschaften bis 2045. Das hatte sich NRW unter der schwarz-grünen Landesregierung vorgenommen, Neubaur den Industriepakt daher Ende 2022 selbst aus der Taufe gehoben.
„Klimaschutz ist nicht irgendwas, was man on top mal machen kann, wenn es gerade richtig gut läuft“, betonte die Ministerin. Die Roadmap sehr konkrete Antworte auf wichtige Fragen, die die Industrieunternehmen hätten, so die Ministerin: „Wie schaffen wir es eigentlich, die Prozesswärme zu dekarbonisieren? Wie schaffen wir es, in der Frage der Defossilisierung der Kohlenstoffkreisläufe in einen Kreislauf zu kommen?“ Fragen, auf die sich in der Roadmap Antworten finden.
Klimaschutz in der Industrie hängt auch mit dem Strompreises zusammen
Neubaur betonte, es sei wichtig, dass bei der Transformation der Industrie für den Klimaschutz der Bund und Europa „in solchen Zeiten mit dabei“ sind. Umso weniger Verständnis hat die schwarz-grüne NRW-Landesregierung für die zu Wochenanfang von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil vorgestellten Pläne zur Strompreissenkungen. Die fielen wesentlich geringer aus, als im Koalitionsvertrag vereinbart. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hate vor einem Bruch des Koalitionsvertrages gewarnt: Die Senkung der Stromsteuer habe zu den wichtigsten wirtschaftspolitischen Versprechen im Bundestagswahlkampf gehört.
Wüsts Stellvertreterin Mona Neubaur verdeutlichte in Düsseldorf die verheerende Wirkung der Pläne: „Wir hatten gestern Sommerfest des Landes in unserer Landesvertretung in Berlin, und ich kann Ihnen sagen, das war das Topthema aller Vertreter der Wirtschaft, die ich gesprochen haben. Und das geht ehrlich gesagt nicht.“ Neubaur verwies darauf, dass die „demokratische Mitte“ sich einig gewesen sei: „Wir brauchen international wettbewerbsfähige Strom und Energiepreise.“ Das sei nichts, was die Unternehmen motiviere sich in Sachen Klimaschutz anzustrengen.
Roadmap aus der Praxis: Portlandzement Wittekind buchstabiert den Klimaschutz durch
Einer der Branchen, denen die Defossilisierung auf der Seele brennt ist die Herstellung von Zement und Beton. Das Bauen mit so viel Treibhausgasemissionen gehaftet ist, hat mit diesen Baustoffen zu tun:„Die CO2-Emissionen eines Zementwerks ergeben sich im Wesentlichen durch dem Klinkerbrennprozess“, so Werner Cordes, Werksleiter bei Portlandzement Wittekind, einem familiengeführten, mittelständischen Unternehmen in Erwitte, das am Industriepakt beteiligt war. „Sie bestehen zu einem Drittel aus den Brennstoffen und zu zwei Dritteln aus den unvermeidbaren Prozessemissionen durch die Kalksteinentsäuerung.“ Heißt: Die CO2-Emissionen aus der Kalksteinentsäuerung müssten aufgefangen und entweder gespeichert oder genutzt (CCUS) werden können.
Laut Cordes würden folgende Maßnahmen zur CO2-Reduktion aktuell schon bei Wittekind durchgeführt:
- Einsatz abfallstämmiger Brennstoffe mit biogenen Anteilen und steigendem Anteil an der Feuerungswärmeleistung des Ofens.
- Herstellung klinkereffizienter Zemente zur Reduzierung des Carbon Foodprints.
- Seit 2022 werden durch Eigenstromerzeugung mit sechs ORC-Modulen aus Abwärme jährlich rund 8000 MWh Strom erzeugt. Das entspricht ca. 10 % des Strombedarf für die Zementproduktion.
- Seit 2024 wird die CO2-Abscheidung durch Membrantechnologie erprobt. Das abgeschiedene CO2 soll der chemischen Industrie zur Verfügung gestellt werden.
Zusätzlich, so der Werksleiter gegenüber VDI nachrichten, würden die aufgezeigten Maßnahmen durch zahlreiche Netzwerkprojekte, Management-Systeme, Forschungsvorhaben und personelle Verstärkung unterstützt. „Dennoch kann der überwiegende Teil der CO2-Emissionen durch die aufgeführten Maßnahmen nicht vermieden werden. Für den verbleibenden Rest sind Carbon Capture-Technologien in Verbindung mit einem Use bzw. Storages erforderlich“, betont er.

Symbolbild für die deutsche Bauindustrie mit Zementsäcken. Die Herstellung von Zement gehört zu den Prozessen im Baubereich, bei denen die meisten Treibhausgasemissionen entstehen.
Foto: picture alliance / Flashpic/Jens Krick
Es gibt keinen Business Case für eine klimaneutrale Zementproduktion
Cordes, der sich schon seit Jahren mit der Problematik befasst, kommt zum Urteil, dass einen „keinen Business Case für eine klimaneutrale Zementproduktion“ gebe. Er listet auf Anfrage fünf Punkte auf, die aus seiner Sicht auf, die Voraussetzungen für eine klimaneutrale Zementproduktion seien:
- Kurzfristiger Nachweis einer funktionsfähigen, ggf. nachrüstbaren und wirtschaftlichen Lösung zur CO2-Abscheidung im Klinkerbrennprozess
- Zugang zu bezahlbarem, grundlastfähigem und klimaneutralem Strom bzw. Wasserstoff
- Schneller Zugang zu einer finanziell tragbaren Prozesskette für Pipelinetransport und Speicherung des abgeschiedenen CO2
- Nachweis der zeitlichen Umsetzbarkeit und Finanzierbarkeit der Verschärfung des EU-ETS von den Unternehmungen
- Politischer Konsens und gesellschaftliche Akzeptanz für CCUS in Deutschland
Er meint, dass alle Zementhersteller Machbarkeitsstudien zahlreicher Pilotprojekte auswerten werden und auf deren Grundlage Investitionsentscheidungen treffen werden.
Klimaschutz in der Industrie: Maschinen- und Anlagenbau doppelt gefordert:
Mit dabei beim Industriepakt war auch der Landesverband NRW des VDMA. „Etwa 20 % unserer Mitglieder stammen aus NRW – diese Unternehmen sind überwiegend mittelständisch geprägt und beschäftigen im Schnitt rund 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, so Kevin Löpke vom Landesverband. NRW-spezifische Auswertungen zum Thema gebe es nicht. Aber schon 2020 hätten der VDMA zusammen mit Boston Consulting ermittelt, dass rund 86 % der CO2-Emissionen in OECD-Staaten durch Technologien und Lösungen des Maschinen- und Anlagenbaus reduziert werden könnten.
Für die VDMA-Mitglieder bundesweit ließe sich sagen, so Löpke, dass etwa 55 % ihre CO2-Emissionen erfassten: „Haupttreiber dafür sind regulatorische Anforderungen (ca. 55 %) und der Kundenwunsch (ca. 50 %)“. Zu den häufigsten, bereits implementierten, Maßnahmen zur Emissionsreduktion zählten:
- Energieeffizienz im Gebäude (ca. 80 %)
- Abfallvermeidung und Recycling (ca. 70 %)
- Energieeffizienz im Produktionsprozess (ca. 60 %)
- Darüber hinaus verfügten rund 55 % der Unternehmen über eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie.
Maschinenbau sieht in Bürokratie und Fachkräftemangel Herausforderungen bei der Emissionsbilanzierung
Allgemein ließe sich sagen, so VDMA-Experte Löpke, dass größere Unternehmen (gemessen an der Mitarbeiterzahl) tendenziell eher ihre Emissionen bilanzierten. Neben dem bürokratischen Aufwand und dem Fachkräftemangel (oftmals werden hierfür eigens Stellen geschaffen), stellten insbesondere die Erhebung von Scope-3-Emissionen eine Herausforderung bei der Bilanzierung der Treibhausgasemissionen dar.
Bei der Berichterstattung zu Treibhausgasemissionen wird in mehrere Bereiche unterteilt, die so genannten Scopes. Bei Scope drei sollen die Treibhausgasemissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette erfasst werden. „Hier fehlt es häufig an verlässlichen Primärdaten von Lieferanten, Kunden oder Dienstleistern. Stattdessen muss auf kostenpflichtige Sekundärdaten oder branchenspezifische Emissionsfaktoren zurückgegriffen werden – was zu lückenhaften, schwer vergleichbaren Ergebnissen führt“, so Löpke. Daher fordere der VDMA eine EU-weite, kostenlose Datenbank mit standardisierten Emissionsfaktoren.
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