Technik für die Energiewende 11.10.2025, 14:00 Uhr

Grüner Wasserstoff aus Elektrolyse: Das sind die wichtigsten Technologien

Elektrolyse gilt als Mittel der Wahl für die Produktion von grünem Wasserstoff. Doch welche Elektrolyse-Technologie eignet sich wofür? Wir vergleichen die vier wichtigsten Verfahren – von der bewährten Alkalischen Elektrolyse über die PEM bis hin zu den Newcomern AEM und SOEC.

Das standardisierte 20-MW-Modul scalum® für die alkalische Wasserelektrolyse von thyssenkrupp nucera am Module Yard in Spanien.

Es gibt vier wichtige Elektrolysetechnologien – am längste ist die alkalische Elektrolyse auf dem Markt. Das Bild zeigt ein 20-MW-Modul des Dortmunder Herstellers Thyssenkrupp Nucera.

Foto: Maoz Eliakim/Thyssenkrupp Nucera

Deutschland will seine Elektrolysekapazität massiv ausbauen. Die konkreten Zahlen variieren je nach Studie. Im Jahr 2023 hatte die Bundesregierung in ihrer „Nationalen Wasserstoffstrategie“ ein Ziel von 10 GW bis 2030 genannt. Für das Jahr 2037 nennt eine Analyse des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) eine Zielleistung von 37 GW; bis 2045 könnte sich diese Zahl auf 60 GW steigern.

Fakt ist: In den nächsten Jahrzehnten dürfte in Deutschland deutlich mehr Elektrolysekapazität entstehen, als in den letzten 100 Jahren weltweit errichtet wurde. Denn nach Angaben der International Energy Agency (IEA) waren Ende 2023 gerade einmal 1,4 GW – global – in Betrieb.

Die richtige Technologie für jede Anwendung

Allerdings wird keine Elektrolyse-Technologie die ambitionierten Ausbaupläne alleine erreichen. Denn die Anforderungen an einen Elektrolyseur unterscheiden sich je nach Anwendung erheblich. Während manche Use Cases einen kontinuierlichen Energiefluss benötigen, brauchen andere eine hohe Flexibilität für den Betrieb mit fluktuierender Wind- und Solarenergie.

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Aktuell dominieren zwei Verfahren den Markt: Die alkalische Elektrolyse (AEL) und die Proton-Exchange-Membrane (PEM)-Elektrolyse. Die beiden Newcomer Festoxid-Elektrolyse (Solide Oxide Fuel Cell, SOEC) und Anion-Exchange-Membrane (AEM) befinden sich noch in der Entwicklung, haben aber ein großes Potential.

Alle vier Technologien spalten Wasser bzw. Wasserdampf in Sauerstoff und Wasserstoff – aber auf höchst unterschiedliche Weise.

Alkalische Elektrolyse: Der bewährte Standard

Die alkalische Elektrolyse gilt als die älteste und am weitesten entwickelten Technologie. Bereits in den 1950er Jahren erreichte sie die technische Reife und wird seitdem großindustriell eingesetzt: 2023 waren laut IEA rund 820 MW weltweit im Einsatz.

So funktioniert sie

Als Elektrolyt dient eine stark alkalische Lösung, typischerweise 20- bis 40-prozentige Kalilauge (KOH) oder Natriumhydroxid (NaOH). Die Betriebstemperatur liegt zwischen 60 und 90 °C. An der Kathode werden Wassermoleküle zu Wasserstoff (H₂) und Hydroxidionen (OH⁻) reduziert. Diese Ionen wandern durch den Elektrolyten zur Anode, wo sie zu Sauerstoff (O₂) und Wasser oxidiert werden. Ein poröses Diaphragma (z. B. aus Zirkoniumoxid oder Polysulfon) trennt die Kammern und verhindert die Vermischung von Wasserstoff und Sauerstoff.

Die typischen Stromdichten liegen bei 0,2 bis 0,8 Ampere pro Quadratzentimeter – deutlich niedriger als bei anderen Technologien, was zu größeren Elektrolyseur-Einheiten führt. Die Systemwirkungsgrade erreichen 60 bis 70 %, wobei moderne Anlagen auch darüber liegen können.

Die Stärken

Die alkalische Umgebung erlaubt den Einsatz kostengünstiger Katalysatoren aus Nickel oder Nickel-Eisen-Legierungen. Durch die fortschreitende Skalierung dürfte es hier in den kommenden Jahren weitere Kostendigression geben: Das Fraunhofer ISE prognostiziert, dass die Preise von rund 200 € pro kW (2020) auf unter 90 € pro kW bis 2030 sinken können. Das entspricht einer Reduktion von über 55 %.

Aufgrund ihrer hohen Kosteneffizienz eignet sich die AEL für leistungsstarke Anlagen im kontinuierlichen Basislastbetrieb – viele Großprojekte in energiereichen Regionen nutzen daher die Technologie. Zu den bekanntesten Beispielen zählen NEOM Green Hydrogen in Saudi-Arabien oder der 700-MW-Großelektrolyseur des Stahlproduzenten Stegra in Schweden. In beiden Fällen kommen Anlagen des Dortmunder Herstellers Thyssenkrupp Nucera zum Einsatz.

Die Schwächen

Alkalische Elektrolyseure reagieren langsam auf Lastwechsel. Dadurch eignen sie sich weniger für die direkte Kopplung mit Wind- oder Solaranlagen. Zudem liefern sie Wasserstoff meist bei geringerem Druck und niedrigerer Reinheit als andere Anlagentypen – zusätzliche Kompression und Aufbereitung sind nötig.

In Kombination mit der niedrigen Stromdichte macht dies die Anlagen relativ teuer und komplex. Zudem sind aufgrund der hochkonzentrierten Lauge aufwendige Sicherheitsmaßnahmen im Betrieb zu beachten.

PEM-Elektrolyse: Flexibel, kompakt – und kostspielig

Einige Schwächen der AEL soll die in den 1970er Jahren entwickelte PEM-Elektrolyse ausgleichen. Mit 300 MW (2023) ist sie die am zweitstärksten etablierte Technologie weltweit. Der größte Unterschied zur AEL ist die namensgebende Polymermembran, die hier anstelle eines flüssigen Elektrolyten zum Einsatz kommt.

So funktioniert sie

An der Anode oxidiert Wasser zu Sauerstoff (O₂) und Protonen (H⁺). Die Protonen wandern anschließend durch die protonenleitende Membran zur Kathode, wo sie zu H₂ reduziert werden. Die Stromdichten liegen mit 1 bis 3 Ampere pro cm² deutlich höher als bei der AEL, die Wirkungsgrade sind mit 60 bis 75 % ähnlich hoch.

Die Stärken

PEM-Elektrolyseure reagieren extrem schnell auf Lastwechsel – ideal für die direkte Kopplung mit Wind- und Solaranlagen. Zudem liefern sie Wasserstoff mit hoher Reinheit und höherem Ausgangsdruck als die AEL; nachgeschaltete Kompression und Aufreinigung fallen geringer aus. Des Weiteren ermöglicht die hohe Stromdichte kleinere Baugrößen.

Hier sehen viele Experten den größten Vorzug von PEM-Elektrolyseuren: Im Gegensatz zu den wuchtigen AEL-Anlagen lassen sie sich in der Fertigung containerisieren und standardisiert ausliefern. Das erlaubt eine unkompliziertere Installation sowie schlankere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Gerade Stadtwerke und kleinere Industriebetriebe setzen daher auf PEM-Elektrolyseure, um sich ein kleines Wasserstoff-Ökosystem vor Ort aufzubauen.

Die Schwächen

Die saure Betriebsumgebung der PEM erfordert Edelmetall-Katalysatoren. An der Kathode kommt dabei meist Platin (0,5-2 mg/cm²) zum Einsatz, an der Anode Iridiumoxid (1-3 mg/cm²). Diese seltenen Materialien treiben die Kosten: 2020 lagen PEM-Stacks bei rund 380 € pro kW.

Forschungs- und Entwicklungsarbeit im PEM-Bereich verfolgt daher zwei Ansätze: Minimierung des Edelmetallbedarfs und Entwicklung effizienter Recycling-Verfahren, um die Edelmetalle ausgedienter Katalysatoren zurückzugewinnen. Durch Fortschritte in der Forschung und zusätzliche Skaleneffekte erwarten gängige Prognosen eine Kostensenkung auf etwa 220 € pro kW bis 2030.

Ein weiteres Langzeit-Risiko der PEM: Die protonenleitende Membran besteht in der Regel aus perfluorierten Polymermembranen wie Nafion, Aquivion oder Fumion. Dabei handelt es sich um PFAS – die sogenannten Ewigkeitschemikalien. Eine strengere Regulierung in diesem Bereich könnte mittelfristig also auch der PEM schaden.

SOEC-Elektrolyseur von Sunfire. Foto: Sunfire

SOEC-Elektrolyseur von Sunfire.

Foto: Sunfire

Hochtemperatur-Elektrolyse: Hocheffizient dank Abwärme

Ein Elektrolyseur mit Festoxid-Elektrolysezelle (Solide Oxide Electrolyser Cell, SOEC) arbeitet bei extrem hohen Temperaturen zwischen 600 und 850 °C. Denn anders als AEL und PEM spaltet die SOEC nicht flüssiges Wasser in Wasser- und Sauerstoff auf, sondern gasförmigen Wasserdampf.

So funktioniert sie

In der Hochtemperatur-Elektrolyse spielt der Elektrolyt die Schlüsselrolle. Im Gegensatz zu AEL und PEM handelt es sich hierbei weder um eine Flüssigkeit noch eine Polymermembran, sondern eine keramische Feststoffmembran. Üblich ist Yttria-stabilisiertes Zirkonoxid (YSZ) – Zirkonoxid (ZrO₂), das durch eine gezielte Zugabe von Yttriumoxid (Y₂O₃) stabilisiert und leitfähig wird.

Diese spezielle Keramik leitet bei Temperaturen zwischen 600 und 850 °C Sauerstoffionen (O²⁻), während sie für Elektronen und Gase undurchlässig bleibt. Dadurch lassen sich Sauerstoff und Wasserstoff sauber voneinander trennen.

Die Stärken

Der zentrale Vorzug der SOEC liegt in ihrer Energieeffizienz: Da ein Großteil der Reaktionsenergie thermisch eingebracht wird, sinkt der elektrische Energiebedarf deutlich. Bei der Nutzung von industrieller Abwärme, zum Beispiel in einer Raffinerie oder einem Stahlwerk, lassen sich Wirkungsgrade von bis zu 85 % erzielen, durchschnittlich etwa 20 % mehr als bei AEL und PEM.

Hochtemperatur-Elektrolyse gilt damit als eine der effizientesten Wasserstofftechnologien, sofern kontinuierliche Wärmequellen vorhanden sind. Ein weiterer Pluspunkt ist die Möglichkeit der Co-Elektrolyse: Dabei werden Wasserdampf und CO₂ gleichzeitig zu Synthesegas umgesetzt – perfekt für Power-to-X-Anwendungen wie die Produktion von E-Fuels.

Die Schwächen

Die hohen Betriebstemperaturen der SOEC sind ihre größte Stärke und Schwäche zugleich. Denn die Hitze erlaubt zwar einen hohen Wirkungsgrad, stellt aber gleichzeitig hohe Anforderungen an das verwendete Material. Zudem benötigen die Systeme lange zum Hochfahren und reagieren träge auf Lastwechsel. Für den direkten Betrieb mit fluktuierenden Erneuerbaren sind sie daher eher ungeeignet.

Was hinzukommt: Der Wasserstoff verlässt die Anlage mit niedrigem Druck und muss anschließend komprimiert werden. Pro Kilogramm H₂ fallen so 1,5 bis 2 kWh Strom zusätzlich an. Außerdem hat die SOEC noch nicht den technologischen Reifegrad von PEM oder AEL erreicht. Das zeigt sich auch an den Dimensionen: Die weltweit größte Anlage hat der Dresdener Hersteller Sunfire Anfang Oktober in Betrieb genommen. Ihre Leistung liegt bei 2,6 MW.

Enapters AEM-Multicore gilt mit 1 MW Leistung als stärkster AEM-Elektrolyseur der Welt. Foto: Enapter

Enapters AEM-Multicore gilt mit 1 MW Leistung als stärkster AEM-Elektrolyseur der Welt.

Foto: Enapter

AEM-Elektrolyse: Das Beste aus beiden Welten?

Die Anionen-Austausch-Membran-Elektrolyse (AEM) ist die jüngste der vier Elektrolysetechnologien. Sie wurde gezielt entwickelt, um die Vorteile der PEM – hohe Flexibilität und kompakte Bauweise – mit der Kosteneffizienz der AEL zu verbinden.

So funktioniert sie

PEM und AEM haben vor allem eins gemeinsam: Sie nutzen eine feste Polymermembran. Der entscheidende Unterschied: Die AEM-Membran ist, wie der Name schon sagt, alkalisch. Sie transportiert also Hydroxidionen (OH⁻) nach der Abspaltung an der Kathode zur Anode, wo sie zu Sauerstoff und Wasser reagieren.

Mit der AEL teilt die AEM das alkalische Milieu: Es ermöglicht den Einsatz von Nicht-Edelmetall-Katalysatoren, insbesondere Nickel, statt teurer Iridium- oder Platin-Katalysatoren. Die Betriebstemperatur liegt zwischen 40 und 60 °C.

Die Stärken

Der zentrale Vorteil liegt in der alkalischen Betriebsumgebung: Nickel-Katalysatoren sind nicht nur deutlich günstiger als Platin-Gruppe-Metalle, sondern auch in größeren Mengen verfügbar. Gleichzeitig erlaubt die feste Polymermembran die kompakte Bauweise von PEM-Systemen – AEM-Elektrolyseure können auch in sehr kleinen Modulen ausgeliefert werden. Und im Gegensatz zur AEL, die mit hochkonzentrierter Lauge arbeitet, entfallen bei der AEM ein Großteil der Umwelt- und Sicherheitsrisiken, die etwa durch Leckagen auftreten können.

Die Schwächen

Wie die SOEC befindet sich auch die AEM noch in einem frühen Entwicklungsstadium: Den größten AEM-Elektrolyseur der Welt präsentierte der deutsch-italienische Hersteller Enapter im Mai 2023. Sowohl Leistung als auch Lebensdauer liegen also noch deutlich unter jenen etablierter PEM- oder AEL-Systeme.

Der Weg zu 60 GW

Die nächsten Jahre werden zeigen, welche Technologien sich in welchen Marktsegmenten durchsetzen. Eines scheint jedoch sicher: Deutschland steht vor einem massiven Elektrolyse-Ausbau.

Heute sind laut einer aktuellen Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) nur rund 170 MW installiert. Ob es bis 2045 tatsächlich 60 GW werden, ist daher zweitrangig – Hauptsache, der Ausbau kommt in die Gänge.

Entscheidend sind dafür nun drei Faktoren:

  • Kostenreduktion: Die Preise für Elektrolysekapazitäten müssen durch Skaleneffekte und Effizienzgewinne weiter sinken.
  • Schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren: Projektierern dürfen keine Steine in den Weg gelegt werden. Hierzu braucht es Maßnahmen wie eine Verschlankung der notwendigen Genehmigungsverfahren – mit dem Wasserstoffbeschleunigungsgesetz geht die Bundesregierung bereits in diese Richtung.
  • Systemintegration: Der geplante Elektrolyseausbau muss intelligent mit erneuerbaren Energien, Speichern und Transportinfrastruktur verzahnt werden. Dafür braucht es sowohl eine stabile Wasserstoffnachfrage als auch eine intakte Wasserstoff- und Strominfrastruktur. Nur so entsteht letztlich eine resiliente Wasserstoffwirtschaft – die sich auf eine Vielzahl starker Technologien stützen kann.

Ein Beitrag von:

  • Magnus Schwarz

    Magnus Schwarz schreibt zu den Themen Wasserstoff, Energie und Industrie. Nach dem Studium in Aachen absolvierte er ein Volontariat und war mehrere Jahre als Fachredakteur in der Energiebranche tätig. Seit Oktober 2025 ist er beim VDI Verlag.

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