Energiewende: Monitoringbericht und Reiche erhalten Lob und Tadel
Für Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hagelte es Kommentare nach dem Monitoringbericht zur Energiewende. Kritik bekam Reiche für ihre Maßnahmen.
Energiewende: Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hatte kaum den Monitoringbericht zur Energiewende vorgestellt, da hagelte es Kommentare. Kritisiert wurden dabei Reiches Schlussfolgerungen, nicht der Bericht selbst.
Foto: PantherMedia / Randolf Berold
Als VDI-Direktor Adrian Willig gestern den vorgestellten Monitoringbericht der Bundesregierung zur Energiewende, und was die Bundeswirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche daraus folgerte, kommentierte, befand er sich in guter Gesellschaft. Wie immer nach wichtigen Veröffentlichungen der Politik für die Energiewirtschaft veröffentlichten Unternehmen und Organisationen Kommentare und Einordnungen. Diesmal aber aus der Sicht eines langjährigen Branchenbeobachters erstaunlich viele.
Willig begrüßte das Monitoring an und für sich. Es zeige, dass es nicht an Energie fehle, „sondern an der besseren Nutzung und besseren Integration, gebremst durch schleppende Genehmigungen, fehlende Standards und mangelnde Synchronisierung von Erzeugung und Netzen“. Gerade diese Synchronisierung sei entscheidend. Auch Reiches Ankündigung, was die Bundesregierung nun daraus für ihre weitere Politik ableitet, geht für den VDI-Direktor in die richtige Richtung. Sie habe die „richtigen Schlüsse“ gezogen: „Die Energiewende benötigt ein Update. Mehr Pragmatismus und Realismus sind der richtige Weg. Die kommenden Monate und Jahre entscheiden, ob Deutschland den Wandel bezahlbar, praktikabel und mit breiter Akzeptanz schafft“, so Willig.
Umstrittene Schlüsselmaßnahmen
Reiches Sicht, die Energiewende befinde sich an einem „Scheideweg“, ist aber umstritten. Der Begriff wird in keiner der Stellungnahmen aufgegriffen. Ihre Äußerungen zur langfristigen Abschaffung der Einspeisevergütung bei Strom aus erneuerbaren Energiequellen zog ebenso Kritik auf sich wie die geplanten Änderungen für den Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland. Der Tenor der Kommentare ist:
- Der Monitoringbericht ist wichtig,
- die Energiewende bleibt,
- auf die Kosten schauen ist gut,
- Vernetzung, Digitalisierung und Synergien beachten ist noch besser,
- und es kommt jetzt ganz drauf an, WAS die Bundesregierung jetzt unternimmt, und dass sie es schnell macht.
Inhaltsverzeichnis
- Umstrittene Schlüsselmaßnahmen
- Kritische Stimmen zum Monitoringbericht zur Energiewende
- Energiewende ist wesentlich mehr als Klimaschutz
- Strombedarf nicht unterschätzen
- Wasserstoff wird unterschätzt
- Energieeffizienz wird gelobt, aber kommt in den Maßnahmen aber zu kurz
- Biomasse wegen falscher Daten unterschätzt
- Forscher warnen vor falschen Schlussfolgerungen
- Zustimmende Stimmen zum Monitoringbericht zur Energiewende
- Branchenchefs mit Monitoringbericht und Schlussfolgerungen zufrieden
- Gewerkschaft fühlt sich bestätigt
- Offshore-Verband offen für Neuerungen
- Stahlbranche mahnt Schnelligkeit an
Kritische Stimmen zum Monitoringbericht zur Energiewende
Allen voran Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VDMA, sieht den am 15. September vorgestellten Bericht und die abgeleiteten Schlussfolgerungen nicht als hilfreich an: „Das Monitoring zeigt, was alle wussten. Die Energiewende kann und muss effizienter werden. Weder die Studie noch die zehn Schlüsselmaßnahmen des Ministeriums ergeben aber ein klares Konzept für die Zukunft.“
Rauen beklagt, dass aus Monitoring und Aussagen der Ministerin das Bild entstehe, dass nun allein die Kostenfrage in den Fokus rücke und es damit in den 2030er-Jahren zum dauernden Nacharbeiten kommen wird. Von strategischer Technologie- und Marktentwicklung keine Spur.„Nur wer die Technologieentwicklungen und die heimische Wertschöpfung durch Transformationstechnologien im Blick hat, kann erfolgreich sein.“
Energiewende ist wesentlich mehr als Klimaschutz
Die von der Industrie seit Jahren geforderten verlässlichen Rahmenbedingungen für Energiewende und Transformation sind für Rauen nicht mehr sichtbar: „Somit bleibt offen, wie wir zügig zu einem modernisierten Rahmen für die notwendigen Investitionen in Technologie, Fertigung und Anwendung der global umkämpften Transformationstechnologien kommen. Sonst helfen auch die Bekenntnisse zu mehr Pragmatismus beim Wasserstoff-Hochlauf und zum Carbon-Management wenig.“
Sein Kollege Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer VDMA Power Systems, lenkt den Blick darauf, dass mit dem Klimaschutz eine strategische Industrieausrichtung erfolgt: „Investitionen in Energieinfrastruktur sind nicht nur Ausgaben, sondern zugleich Wertschöpfungsimpulse für die deutsche Volkswirtschaft. Sie schaffen Nachfrage nach Komponenten, sichern Beschäftigung und generieren Steueraufkommen. Damit leisten sie einen Beitrag zur langfristigen wirtschaftlichen Stabilität.“
Strombedarf nicht unterschätzen
Carsten Körnig, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW-Solar), warnte davor, den zukünftigen Strombedarf zu unterschätzen und daher nicht schnell genug erneuerbare Energien auszubauen: „Neue stark wachsende Stromverbraucher wie Wärmepumpen, E-Fahrzeuge, KI-Rechenzentren und Klimageräte werden den Strombedarf künftig stark steigen lassen. Vor diesem Hintergrund muss die Bundesregierung den Ausbau erneuerbarer Energien und Speichertechnologien jetzt massiv vorantreiben. Anstelle von Einschnitten bei der Solarförderung benötigen Betreiber und Branche einen verlässlichen Investitionsrahmen und weniger Marktbarrieren.“
Der übergeordnete Bundesverband erneuerbare Energie (BEE) betonte ebenfalls, dass der Ausbau der Erneuerbaren unvermindert weitergehen müsse. „Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie der weiteren Umsetzung der Energiewende“, betonte BEE-Präsidentin Simone Peter. „Die im Vorfeld viel beschworene kategorische Neuausrichtung der Energiewende braucht es nicht. Die Politik ist nun gefordert, die Vorschläge sachgerecht umzusetzen, um Kosteneffizienz, Versorgungssicherheit, wirtschaftliche Erholung und Klimaneutralität zu sichern.“
Wasserstoff wird unterschätzt
Für den Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) blendet die Bundesregierung mit ihren Schlussfolgerungen die Potentziale des Wasserstoffs in Teilen aus. „ Skeptisch sehen wir, dass der Einsatz von Wasserstoff vor allem in der Industrie, im Energiesektor sowie zur Erzeugung von Prozesswärme auf hohem Temperaturniveau als notwendig erachtet wird“, sagte DVGW-Präsident Gerald Linke. Seine Potenziale im Gebäude- und im Verkehrssektor sowie das Gasverteilnetz als wichtiges Element der Energieinfrastruktur hingegen würden weiterhin als nicht signifikant eingestuft. „Da geht noch mehr“, so Linke.
Energieeffizienz wird gelobt, aber kommt in den Maßnahmen aber zu kurz
Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) begrüßt zwar die Absicht des Monitoring-Berichts, sie meint aber, er greife entscheidend zu kurz: „Energieeffizienz wird zwar als wichtig anerkannt, wird aber wie eine unbekannte Größe behandelt. Die Potenziale werden weder beziffert noch bei den Handlungsempfehlungen systematisch berücksichtigt. Damit liefert der Bericht selbst das deutlichste Signal: Ohne eine konsequente Ausrichtung auf Energieeffizienz wird die Energiewende unnötig teuer, riskant und langsam.
Biomasse wegen falscher Daten unterschätzt
„Bei den Potenzialen der Bioenergie haben die Studienautoren leider erneut darauf zurückgegriffen, alten Wein in neue Schläuche zu füllen“, darauf weist Sandra Rostek, Leiterin des „Hauptstadtbüro Bioenergie“ (HBB), hin. „Das Mengenpotenzial der Stromerzeugung aus Bioenergie wurde aufgrund eines Methodenfehlers erneut viel zu niedrig angesetzt, da man sich auf Szenarien bezieht, die bereits fälschlicherweise voraussetzen, dass die Stromerzeugung aus Biomasse perspektivisch sinkt.“
Allein durch eine Flexibilisierung des bestehenden Biogasanlagenbestands seien bis 2030 bis zu 12 GW an installierter elektrischer Leistung möglich – und das ganz ohne zusätzliche Biomassemengen erschließen zu müssen, wie Rostek betonte und forderte: „In den zukünftigen Strategien der Bundesregierung müssen diese Potenziale konsequenter mit einbezogen werden“.
Forscher warnen vor falschen Schlussfolgerungen
„Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie möchte offenbar den Ausbau der erneuerbaren Energien bremsen, um die Kosten der Energiewende zu reduzieren. Das hätte aber negative Folgen für Klimaschutz, industrielle Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz“, betonen zwei Forscher des Wuppertal Instituts in einer längeren Stellungnahme.
„Das Wuppertal Institut betrachtet die Verlangsamung des Ausbaus erneuerbarer Energien, insbesondere aus Gründen des Klimaschutzes, der industriellen Wettbewerbsfähigkeit sowie der Resilienz, eindeutig nicht als sinnvolle Strategie zur Minderung der Kosten der Transformation des Energiesystems“, schreiben Institutspräsident Manfred Fischedick und Sascha Samadi, Senior Researcher in der Abteilung Zukünftige Energie- und Industriesysteme.
Die Bundesregierung habe deutlich bessere Möglichkeiten, um die Kosten der Transformation zu reduzieren, ohne beim Klimaschutz, bei der industriellen Wettbewerbsfähigkeit und bei der Resilienz Kompromisse eingehen zu müssen. Fischedick und Samadi weisen darauf hin, dass nicht zuletzt die Rahmenbedingungen für die Elektrifizierung des Energieverbrauchs in den Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie – also der Rahmenbedingungen für den Ersatz fossiler Energieträger durch Strom – konsequent verbessert werden müssten.
Zustimmende Stimmen zum Monitoringbericht zur Energiewende
Timm Kehler, Vorstand des Verbandes Die Gas- und Wasserstoffwirtschaft, sieht angesichts des Monitoringberichts kurzfristig drei Handlungsschwerpunkte:
- den Start der Ausschreibung der wasserstofffähigen Gaskraftwerke und die Veröffentlichung der Rahmenbedingungen des zugehörigen Kapazitätsmarkts;
- die technisch umsetzbare Anerkennung von Low-Carbon-Wasserstoff im Rahmen der RED III in der Delegierten Verordnung der Europäischen Kommission
- die Ermöglichung des Zugangs der Bioenergie zum Flexibilitätsmarkt.“
Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, sieht im Monitoringbericht einen überzeugenden Angang, der vieles wiedergebe, was die Branche bereits vorbereitet habe:
- Der Ausbau der Erneuerbaren muss mehr mit den Netzen in Einklang gebracht werden.
- Der Zubau von Gaskraftwerken, die auf H2 umgestellt werden können, die Ausgestaltung eines technologieoffenen Kapazitätsmarkts bereits bis 2027 sowie der Hochlauf unterstützender Regulierung für Wasserstoff sind allesamt richtige Punkte.
Daher erwarte der BDEW „in den nächsten Wochen und Monaten eine enge Einbeziehung der Branche bei der Ausgestaltung der Schlussfolgerungen des Monitorings“. Es gelte, die überbordende Bürokratie zu verschlanken und die Digitalisierung voranzutreiben.
Branchenchefs mit Monitoringbericht und Schlussfolgerungen zufrieden
„Es ist gut, dass mit dem Energiewende-Monitoring nun eine fundierte Grundlage für die weitere Arbeit der Bundesregierung vorliegt“, lobte Sven Becker, Sprecher der Geschäftsführung der Trianel GmbH. Er bestätigt, was in der Branche bereits weitgehend Konsens sei: „Wir müssen den Ausbau der Erneuerbaren enger mit den Netzen verzahnen, mehr Flexibilitätsoptionen schaffen, den Wasserstoffhochlauf beschleunigen, H2-ready-Kraftwerke als Rückgrat der Versorgung aufbauen und ein verlässliches Kapazitätsmarktdesign etablieren.“ Becker favorisiert marktorientierte und bürokratiearme Lösungen.
Sein Kollege Andreas Feicht, Vorstandsvorsitzender der Kölner RheinEnergie AG, betonte: „Mehr Kosteneffizienz gelingt nur mit einem konsequenten Bürokratieabbau. Wir können nicht stabile Strompreise wollen, ohne die Kosteneffizienz im Gesamtsystem zu betrachten.“
Gewerkschaft fühlt sich bestätigt
Der in der Energiewende seit Jahren erfahrene Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Energie- und Chemie-Gewerkschaft IGBCE, reagierte erleichtert. „Spät ist die deutsche Energiepolitik endlich in der Realität angekommen.“ Der heute vorgelegte Monitoringbericht bestätige in vielen Teilen die langjährige Kritik der IGBCE am Management der Transformation.
„Entscheidend wird sein, dass aus den Schlussfolgerungen schnell konkretes Handeln wird: schneller Zubau gesicherter Leistung, Kostenentlastung bei der Energierechnung für Industrie und Haushalte, Pragmatismus in der Klimapolitik. Jetzt gilt es, das Richtige zu tun. Schnell!“, so Vassiliadis.
Offshore-Verband offen für Neuerungen
„Jetzt gilt es, Ertragsziele der Offshore-Windparks vor reine Leistungsziele zu stellen. Nur wenn Windparks auf See effizient und ertragreich betrieben werden können, leisten sie einen stabilen Beitrag zur Versorgungssicherheit und ermöglichen weitere Investitionen“, erklärt Stefan Thimm, Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie Offshore (BWO).
Effizienzsteigerungen durch bessere Flächenplanung und die Vermeidung von Abschattungseffekten seien entscheidend, um die Volllaststunden zu erhöhen und so Kosten zu senken. „Ebenso wichtig sei die Einführung von Contracts for Difference (CfDs), die bereits ab den Auktionen 2026 angewendet werden müssten und die Stromerzeugungskosten um bis zu 30 % senken könnten“, betonte er.
Stahlbranche mahnt Schnelligkeit an
Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl, will möglichst schnell eine Umsetzung der Erkenntnisse des Monitoringberichts. „Entscheidend ist jetzt, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um das Energiesystem effizienter zu machen und die Systemkosten zu senken. Dazu gehören dringend auch wirksame Entlastungen für die energieintensiven Industrien. Denn die Strompreise sind im internationalen Vergleich viel zu hoch – ohne Korrektur verliert unser Industriestandort den Anschluss.“
Es brauche hinreichend Back-up-Kapazitäten, ein Kapazitätsmechanismus, wie ihn Reiche angekündigt habe, sei daher notwendig, dürfe aber die Stromkosten der Industrie nicht weiter verteuern. Ganz wichtig sei die Wasserstoffroute, mit der die Branche planen können muss. „Beim Wasserstoffhochlauf muss endlich Fahrt aufgenommen werden. Die richtigen Rahmenbedingungen müssen jetzt gesetzt werden, damit langfristige Investitionsentscheidungen getroffen werden können“, sagte Rippel.
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