Leichtbau-Kleinwindanlage soll schwachen Wind nutzbar machen
Neue Kleinwindanlage startet schon bei 2,7 m/s. Leichter Rotor nutzt schwachen Wind effizient – ein Projekt des Fraunhofer IAP und der BBF Gruppe.
Raúl Comesaña M., Geschäftsführer der BBF Gruppe und Marcello Ambrosio, Leiter Simulation und Auslegung im Forschungsbereich Polymermaterialien und Composite des Fraunhofer IAP, bei der Übergabe der Prototypen der Kleinwindkraftanlagen (v.l.n.r.).
Foto: BBF Gruppe
Wer Strom für den Eigenverbrauch erzeugen will, braucht eine Kleinwindanlage, die auch bei schwachem Wind zuverlässig läuft. Genau daran arbeitet ein Forschungsteam am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP gemeinsam mit der BBF Gruppe. Das Ziel: Ein Rotor aus Leichtbau-Materialien, der selbst bei geringer Windgeschwindigkeit effizient Energie erzeugt. Die ersten Prototypen wurden jetzt ausgeliefert.
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Früher Start dank geringer Anlaufgeschwindigkeit
Die neue Kleinwindanlage beginnt sich bereits bei einer Windgeschwindigkeit von 2,7 m/s zu drehen. Zum Vergleich: Viele herkömmliche Systeme benötigen mindestens 4 m/s, um überhaupt anzulaufen. Das bedeutet, dass die Anlage auch in windschwachen Regionen zuverlässig Strom liefert. Für Privathaushalte, Gewerbebetriebe oder Hilfsorganisationen eröffnet das neue Möglichkeiten, erneuerbare Energie dezentral zu nutzen.
„Unser Ziel ist es, die Kraft des Winds so wirksam wie möglich für die Erzeugung elektrischer Energie zu nutzen“, erklärt Marcello Ambrosio, Leiter Simulation und Auslegung im Forschungsbereich Polymermaterialien und Composite PYCO des Fraunhofer IAP. Das Team verfolgte bei der Entwicklung des Rotors einen ganzheitlichen Ansatz. „Wir haben die aerodynamische Auslegung der Rotorblätter und das Fertigungsverfahren optimiert“, so Ambrosio weiter.
Kompakte Technik mit hoher Drehzahl
Die Ergebnisse aus den Windkanaltests zeigen, dass sich die Arbeit gelohnt hat. Das Windrad erreicht bis zu 450 Umdrehungen pro Minute und liefert bei einer Windgeschwindigkeit von 10 m/s eine Leistung von 2 500 Watt. Damit ist es im Durchschnitt rund 83 % leistungsstärker als vergleichbare Anlagen. Der Wirkungsgrad liegt bei 53 %. Ambrosio ordnet die Werte ein: „Physikalisch sind maximal 59 % möglich.“
Auch die BBF Gruppe sieht großes Potenzial. Geschäftsführer Raúl Comesaña M. sagt: „Effiziente Kleinwindanlagen leisten einen wichtigen Beitrag für eine unabhängige Energieversorgung. Als Projektentwickler und Bauunternehmen in der Region Berlin-Brandenburg zeigen wir mit diesem Projekt, wie Endverbraucher und Gewerbetreibende dezentrale Energieerzeugung individuell und nachhaltig gestalten können.“
Leichtbau macht den Unterschied
Der Schlüssel zur Effizienz liegt im Aufbau der Rotorblätter. Sie bestehen aus zwei dünnen Schalen in Leichtbauweise und werden aus sogenannten Faserverbundwerkstoffen gefertigt. Dabei werden feine Fasern – meist aus Glas oder Kohlenstoff – in Kunststoff eingebettet, um stabile und zugleich leichte Bauteile zu erzeugen. Anders als bei klassischen Rotorblättern mit Schaumkern sind die neuen Blätter innen hohl. Diese Konstruktion reduziert das Gewicht um bis zu 35 %.
Die Fertigung übernimmt eine sogenannte Automated-Fibre-Placement-Anlage. Sie legt die Faserstreifen automatisiert in präzise Muster. Das sorgt für gleichbleibende Qualität und spart Material, weil sich Überlappungen minimieren lassen. Die Formen für die Rotorblätter stammen aus einem industriellen 3D-Drucker, der Bauteile bis zu zwei Meter Größe herstellen kann – ein klarer Vorteil für die Entwicklung individueller Rotorformen.
Flexibel bei Sturm – ohne zusätzliche Steuerung
Ein spezieller Laminataufbau – also die Schichtung der einzelnen Materiallagen – schützt die Anlage bei starkem Wind. „Wir haben die einzelnen Schichten des Verbundwerkstoffs so gestaltet, dass sich die Rotorblätter bei Sturm elastisch verbiegen und aus dem Wind drehen“, erklärt Ambrosio.
Dadurch reguliert sich die Drehgeschwindigkeit automatisch, ohne dass eine komplizierte Steuertechnik nötig ist. Das verringert die Wartungskosten und macht die Anlage robuster.
Praxisversuch mit fünf Prototypen
Fünf Prototypen des neuen Windrads wurden bereits an die BBF Gruppe ausgeliefert. Die Systeme werden an verschiedenen Standorten getestet, um zu prüfen, wie sich Standort, Höhe und Windverhältnisse auf die Leistung auswirken.
Parallel arbeiten die Forschenden an der nächsten Entwicklungsstufe: Rotorblätter aus Monomaterial, also aus einem einzigen Kunststofftyp. Diese lassen sich leichter recyceln und könnten künftig die Umweltbilanz weiter verbessern.
Ambrosio sieht in der Kombination aus Leichtbau, intelligenter Aerodynamik und einfacher Wartung einen entscheidenden Vorteil für den Markt. „Wir wollen zeigen, dass Kleinwindanlagen auch unter realen Bedingungen wirtschaftlich betrieben werden können – selbst dort, wo der Wind schwach ist.“
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