RNA und Aminosäuren verbinden sich 27.08.2025, 18:12 Uhr

Wie hat das Leben begonnen? Chemiker liefern neue Erklärung

Chemiker zeigen, wie RNA und Aminosäuren auf der frühen Erde zusammenfanden. Ein möglicher Schlüssel zum Ursprung der Proteinsynthese.

Heiße Quelle im Yellowstone Nationalpark

Heiße Quelle im Yellowstone Nationalpark: In solchen urzeitlich anmutenden Wasserbecken könnten chemische Reaktionen abgelaufen sein, die den Ursprung des Lebens ermöglichten.

Foto: Smarterpix / Dawn2Dawn

Vor rund vier Milliarden Jahren war die Erde ein anderer Planet. Heiße Quellen blubberten, kleine Wasserbecken bildeten sich in Kratern, und chemische Reaktionen liefen in unzähligen Variationen ab. Genau dort könnte etwas geschehen sein, das den Lauf der Geschichte für immer veränderte: die Entstehung der ersten Bausteine des Lebens.

Chemikerinnen und Chemiker vom University College London (UCL) haben jetzt einen Weg gefunden, wie RNA und Aminosäuren – zwei Grundpfeiler der Biologie – unter damaligen Bedingungen miteinander verbunden worden sein könnten. Damit rücken sie einer Antwort auf eine der ältesten Fragen der Menschheit näher: Wie hat das Leben begonnen?

RNA und Aminosäuren – ein ungleiches Paar

RNA, die Ribonukleinsäure, ist eng verwandt mit der DNA. Sie speichert und überträgt Informationen. Aminosäuren dagegen sind winzige Moleküle, die sich zu Proteinen zusammenschließen können. Diese Proteine übernehmen in heutigen Zellen fast jede Aufgabe – von der Energiegewinnung bis zum Transport von Nährstoffen.

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Ein Problem bleibt jedoch: Aminosäuren können ohne Anleitung keine komplexen Proteine bilden. Und RNA konnte zwar Informationen speichern, aber nicht ohne Weiteres Moleküle verketten. Wie also fand das erste Zusammenspiel statt?

Inspiration aus der Natur

Professor Matthew Powner von der UCL erklärt: „Das Leben beruht auf der Fähigkeit, Proteine zu synthetisieren – sie sind die wichtigsten funktionellen Moleküle des Lebens. Das Verständnis des Ursprungs der Proteinsynthese ist grundlegend für das Verständnis der Entstehung des Lebens.“

Sein Team hat etwas erreicht, woran Forschende seit den 1970er-Jahren scheiterten. Unter einfachen Bedingungen in Wasser gelang es ihnen, Aminosäuren chemisch an RNA zu binden. Und das ohne extreme Chemikalien, die sonst rasch zerfallen.

Die Forschenden nutzten dafür eine Idee, die die Natur selbst liefert: Thioester. Diese Verbindungen sind energiereich und kommen bis heute in vielen Stoffwechselwegen vor. Schon in den 1990er-Jahren schlug der Nobelpreisträger Christian de Duve vor, dass das Leben in einer „Thioesterwelt“ begonnen haben könnte.

Zwei Theorien verschmelzen

Die Ergebnisse der UCL-Studie verbinden zwei große Hypothesen zum Ursprung des Lebens:

  • Die „RNA-Welt“, in der selbstreplizierende RNA als Ausgangspunkt gilt.
  • Die „Thioester-Welt“, in der energiereiche Schwefelverbindungen den Antrieb für die ersten Stoffwechselreaktionen lieferten.

„Unsere Studie vereint zwei prominente Theorien zum Ursprung des Lebens“, sagt Powner. Damit entsteht erstmals ein Bild, wie RNA nicht nur Informationen speicherte, sondern gleichzeitig Aminosäuren an sich band – und so den Weg zu den ersten Proteinen ebnete.

Kleine Ketten mit großer Wirkung

Dr. Jyoti Singh, Hauptautor der Studie, beschreibt den Traum vieler Chemiker*innen: „Stellen Sie sich den Tag vor, an dem Chemiker einfache, kleine Moleküle aus Kohlenstoff-, Stickstoff-, Wasserstoff-, Sauerstoff- und Schwefelatomen nehmen und aus diesen LEGO-Bausteinen Moleküle bilden, die sich selbst replizieren können.“

In der aktuellen Arbeit gelang der erste Schritt dahin: RNA konnte aktivierte Aminosäuren aufnehmen. Diese wiederum verbanden sich zu Peptiden – kurzen Ketten aus wenigen Aminosäuren. Peptide sind klein, aber sie gelten als Vorstufe zu Proteinen. Sie hätten auf der frühen Erde bereits einfache Aufgaben übernehmen können.

Besonders interessant: Die Aktivierung der Aminosäuren erfolgte mit Pantethein, einem schwefelhaltigen Molekül, das nachweislich unter urzeitlichen Bedingungen entstehen konnte. Damit zeigt sich, dass die nötigen Bausteine durchaus spontan vorhanden gewesen sein könnten.

Die frühe Erde als Labor

Wo genau diese Reaktionen stattgefunden haben könnten, ist offen. Wahrscheinlich waren es keine Ozeane – dort wären die Konzentrationen zu gering gewesen. Viel eher spielten sich die Prozesse in kleineren Becken oder warmen Tümpeln ab.

Die Reaktionen selbst ließen sich nur mit modernen Methoden sichtbar machen: Magnetresonanztomographie zeigte die Anordnung der Atome, Massenspektrometrie die Größe der Moleküle. Für die frühe Erde war das alles unsichtbar – und doch liefen die Prozesse möglicherweise überall ab.

Der nächste Schritt: der genetische Code

Die entscheidende Frage ist nun: Kann RNA gezielt bestimmte Aminosäuren auswählen und so eine Abfolge vorgeben? Genau das macht die moderne Zelle. Sie liest Informationen von der DNA ab, schreibt sie in RNA um und baut mit Hilfe des Ribosoms Proteine.

Das Ribosom ist wie eine hochpräzise Fabrik. Es liest die RNA-Sequenz und setzt Aminosäuren wie an einem Fließband zusammen. Powner und sein Team konnten nun den ersten, einfachsten Teil dieses Prozesses im Labor nachstellen – ganz ohne Ribosom.

Doch bis RNA selbstständig eine Art Bauplan für Proteine vorgibt, sind noch viele Fragen offen. „Die größte Herausforderung und spannendste Frage bleibt der Ursprung der Proteinsynthese“, sagt Powner.

Warum uns diese Forschung betrifft

Die Studie ist kein Blick in eine ferne Vergangenheit allein. Sie hilft auch, den Zusammenhang zwischen Stoffwechsel, genetischem Code und Proteinaufbau besser zu verstehen. Sollte es eines Tages gelingen, aus einfachen Molekülen selbst replizierende Systeme zu bauen, wäre das nicht nur ein Modell für den Ursprung des Lebens. Es könnte auch neue Wege in der synthetischen Biologie eröffnen.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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