TU Wien zeigt erstmals Katalysatoren bei der Arbeit in Echtzeit
TU Wien zeigt erstmals live, wie Katalysatoren Methan in Syngas verwandeln. Ein Blick ins Labor und auf dynamische Nanopartikel.
Bilder der Strukturen und Grenzflächen von PdO (rot) und Pd (blau) in atomarer Auflösung mit Darstellung der Katalysatoroberfläche (rechts) und des Mikroreaktors im Elektronenmikroskop (links).
Foto: TU Wien
Methan, Sauerstoff, ein Katalysator – und schon soll Synthesegas entstehen. So einfach klingt es in der Theorie. Doch was dabei im Detail passiert, blieb lange ein Rätsel. Forschende der TU Wien haben nun zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Singapur einen Weg gefunden, den Vorgang in Echtzeit zu beobachten. Möglich wurde das mit einem Spezialmikroskop, das sogar chemische Reaktionen sichtbar macht.
Inhaltsverzeichnis
Was ist eigentlich Syngas?
Syngas – kurz für Synthesegas – besteht aus Wasserstoff (H₂) und Kohlenmonoxid (CO). Diese Mischung ist eine Art Allround-Rohstoff der Industrie. Aus ihr lassen sich Treibstoffe, Kunststoffe und viele Chemikalien herstellen. Klassisch gewinnt man Syngas durch Dampfreformierung. Das braucht jedoch viel Energie. Eine Alternative ist die partielle Oxidation von Methan. Dabei wird Erdgas nicht komplett verbrannt, sondern nur teilweise mit Sauerstoff umgesetzt.
Klingt simpel, hat es aber in sich. Wird zu viel Sauerstoff eingesetzt, entsteht am Ende Wasser und CO₂ – kein Syngas. Wird zu wenig Sauerstoff verwendet, droht eine Ablagerung von Kohlenstoff, auch Koksbildung genannt. Der Balanceakt zwischen diesen Extremen ist technisch anspruchsvoll.
Die Rolle der Katalysatoren
Damit die Reaktion gelingt, braucht es Katalysatoren. Sie beschleunigen die Umwandlung, ohne selbst verbraucht zu werden. Palladium spielt dabei eine Schlüsselrolle. Doch bis jetzt war unklar, welche Form von Palladium eigentlich aktiv ist: das Metall selbst oder sein Oxid.
„Insbesondere wollten wir wissen: Wenn man die Reaktion mit Palladium-Nanopartikeln durchführt, ist dann das Palladium selbst für die Katalyse verantwortlich, oder Palladium-Oxid, das sich während der Reaktion bildet?“, sagt Prof. Günther Rupprechter von der TU Wien.
Kamera im Mikroskop
Um Antworten zu finden, setzten die Teams auf eine besondere Methode: die sogenannte operando Transmissionselektronenmikroskopie. Damit können Forschende winzige Metallpartikel nicht nur abbilden, sondern sie gleichzeitig in einer Reaktionsumgebung beobachten.
Dafür bauten sie im Mikroskop einen Mikroreaktor, in dem Methan und Sauerstoff auf die Palladium-Partikel trafen. Währenddessen zeichnete das Gerät jede Veränderung auf. Parallel kontrollierten Messungen, welche Produkte entstanden. Am Computer liefen dazu aufwendige Simulationen, die halfen, die Beobachtungen zu erklären.
Metall und Oxid – ein ungleiches Paar
Die Ergebnisse überraschten. Weder reines Palladium noch reines Palladiumoxid waren allein besonders effektiv. Erst an den Grenzflächen, also den Übergängen zwischen Metall und Oxid, lief die Reaktion optimal.
„Das Palladium dehydriert Methan zu Kohlenstoff und Wasserstoff, das Palladium-Oxid hingegen oxidiert den Kohlenstoff zu CO“, erklärt Rupprechter. Mit anderen Worten: Metall und Oxid teilen sich die Arbeit. Genau an den Nahtstellen zwischen beiden Phasen passiert am meisten.
Ein Tanz der Nanopartikel
Die Aufnahmen zeigten zudem, dass die winzigen Partikel alles andere als starr sind. Unter Hitze und Gasfluss verändern sie sich ständig. Große Partikel zerfallen in kleinere, kleine verschmelzen wieder. Dieses ständige Umbauen sorgt dafür, dass die Oberfläche aktiv bleibt und der Katalysator nicht schnell „ermüdet“.
Alexander Genest, der seit Jahren mit dem Team in Singapur zusammenarbeitet, beschreibt das so: „Wir wollten den Ursprung von partieller und totaler Oxidation verstehen und aufklären, was auf atomarer Ebene genau geschieht.“ Mit Hilfe von Dichtefunktionaltheorie – einer etablierten Berechnungsmethode – simulierten er und sein Kollege Parinya Tangpakonsab die Abläufe. Das Bild wurde dadurch schärfer: Palladium aktiviert das Methan, Palladiumoxid liefert den nötigen Sauerstoff für die nächsten Schritte.
Temperatur entscheidet
Die Studien zeigten auch, dass die Temperatur eine wichtige Rolle spielt. Bei rund 500 °C oxidieren Palladium-Partikel zunächst vollständig zu Palladiumoxid. In dieser Form sind sie allerdings kaum aktiv.
Erst wenn die Temperatur steigt oder weniger Sauerstoff vorhanden ist, entstehen die Mischphasen aus Palladium und Palladiumoxid. Diese Mischformen sind die eigentlichen Arbeitstiere des Prozesses.
Warum das wichtig ist
Erdgas und Methan werden auf absehbare Zeit nicht aus dem Energiesystem verschwinden. „Auch in Zukunft wird Methan deshalb für die Erzeugung von Syngas eine Rolle spielen, und kann im nächsten Jahrzehnt wohl nicht vollkommen ersetzt werden“, so Rupprechter.
Gerade deshalb ist es entscheidend, die Prozesse dahinter besser zu verstehen. Effizientere Katalysatoren bedeuten weniger Energieverbrauch und geringere Emissionen. Die neuen Erkenntnisse liefern dafür eine Grundlage.
Offene Fragen
Trotz aller Fortschritte bleiben Fragen. Warum entsteht im Mikroskopversuch mehr CO₂ als in klassischen Reaktoren? Liegt es nur an den kurzen Verweilzeiten der Gasmoleküle im kleinen Reaktor? Und wie lässt sich gezielt steuern, ob mehr CO oder mehr CO₂ entsteht? Antworten darauf könnten helfen, Katalysatoren künftig gezielt zu designen.
Die TU Wien baut derzeit neue Reaktorzellen, mit denen sich ähnliche Experimente unter noch realistischeren Bedingungen durchführen lassen. Damit wollen die Forschenden die Arbeit der Katalysatoren noch genauer verfolgen. Für die Industrie ist das mehr als eine Spielerei im Labor. Es könnte den Weg zu stabileren und langlebigeren Katalysatoren ebnen.
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