Zwei Elektronen statt eines 20.12.2025, 15:23 Uhr

Chemischer Kniff macht Brom-Flussbatterie plötzlich langlebig

Neuer Chemie-Ansatz bindet Brom in Flussbatterien. Das senkt Korrosion, erhöht die Lebensdauer und senkt die Systemkosten.

Brom-Flussbatterie

Forschende reduzieren aggressives Brom in Zink-Brom-Flussbatterien drastisch. Das Ergebnis: stabile Zyklen und geringere Kosten.

Foto: DICP

Brombasierte Flussbatterien gelten seit Jahren als interessante Option für stationäre Energiespeicher. Sie nutzen günstige, gut verfügbare Materialien und liefern hohe Zellspannungen. In der Praxis scheiterten viele Konzepte jedoch an einem alten Problem: elementares Brom. Es entsteht beim Laden, ist hochreaktiv und greift nahezu alles an, was ihm im Batteriesystem begegnet. Genau hier setzt nun ein neuer chemischer Ansatz an, der das bekannte Dilemma entschärft.

Warum Brom-Flussbatterien bisher Probleme machten

Das Grundprinzip ist einfach. Beim Laden und Entladen wechseln Bromidionen zwischen zwei chemischen Zuständen. Dieser sogenannte Redoxprozess liefert elektrische Energie. Brom bietet dabei ein hohes Redoxpotenzial und lässt sich gut in Wasser lösen. Beides sind klare Vorteile für Flussbatterien, die große Energiemengen speichern sollen.

Das Problem entsteht beim Laden. Dann bildet sich elementares Brom (Br₂). Dieses Molekül ist stark oxidierend. Es greift Elektroden, Stromkollektoren und Membranen an. Die Folge sind Korrosion, sinkende Effizienz und steigende Wartungskosten. Um das zu bremsen, setzen viele Systeme auf sogenannte Bromkomplexbildner. Sie binden Brom chemisch. Das hilft, bringt aber neue Schwierigkeiten mit sich. Oft trennen sich Phasen im Elektrolyten. Die Lösung wird inhomogen, das System komplexer und teurer.

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Zwei Elektronen statt eines

Ein Forschungsteam unter Leitung von Prof. LI Xianfeng vom Dalian Institute of Chemical Physics, das zur Chinese Academy of Sciences gehört, hat nun einen anderen Weg eingeschlagen. Die Arbeit erschien in der Fachzeitschrift Nature Energy.

Der Kern der Idee: Brom soll gar nicht erst in relevanten Mengen als freies Br₂ auftreten. Statt der üblichen Ein-Elektronen-Reaktion entwickelten die Forschenden ein Zwei-Elektronen-Transfersystem. Dazu mischten sie gezielt Aminverbindungen in den Elektrolyten. Diese wirken als Bromfänger.

Während des Betriebs reagiert das entstehende Brom sofort weiter. Es bildet bromierte Aminverbindungen. Freies Br₂ bleibt nur noch in Spuren zurück. Die gemessene Konzentration lag bei rund 7 mM. Das ist um Größenordnungen niedriger als in klassischen Systemen.

Weniger Korrosion, mehr Energiedichte

Dieser chemische Kniff hat zwei Effekte. Erstens sinkt die Aggressivität des Elektrolyten deutlich. Materialien, die zuvor schnell angegriffen wurden, bleiben stabil. Zweitens ändert sich die Art, wie Ladung gespeichert wird. Durch den Zwei-Elektronen-Transfer steigt die nutzbare Energiedichte der Batterie. Pro umgesetztem Bromidion fließen mehr Elektronen.

Beide Punkte zusammen adressieren genau die Schwächen, die Zink-Brom-Flussbatterien bislang ausgebremst haben. Statt komplexer Schutzmaßnahmen setzt das Konzept auf eine gezielte Umleitung der Chemie im Inneren der Zelle.

Test im Kilowatt-Maßstab

Die Forschenden beließen es nicht bei Laborzellen. Sie übertrugen das Reaktionsprinzip auf eine Zink-Brom-Flussbatterie im größeren Maßstab. Entscheidend ist dabei ein Detail: Durch die niedrige Bromkonzentration reicht eine konventionelle, nicht fluorierte Ionenaustauschmembran aus. Zum Einsatz kam eine SPEEK-Membran, die deutlich günstiger ist als viele Spezialmaterialien.

In einem 5-kW-System lief die Batterie über mehr als 700 Zyklen stabil. Die Stromdichte lag bei 40 mA cm⁻². Der gemessene Wirkungsgrad überschritt 78 %. Wichtiger noch: Vor und nach dem Test fanden sich keine Korrosionsspuren an Elektroden, Stromkollektoren oder Membranen.

Das deutet darauf hin, dass der chemische Ansatz nicht nur theoretisch funktioniert, sondern auch unter praxisnahen Bedingungen trägt.

Einordnung für die Energiewende

Flussbatterien konkurrieren nicht mit Lithium-Ionen-Akkus im Auto. Ihr Einsatzfeld liegt woanders. Sie sollen Strom aus Wind- und Solaranlagen über Stunden oder Tage speichern. Dafür zählen Lebensdauer, Sicherheit und Kosten mehr als maximale Energiedichte.

Zink-Brom-Systeme punkten hier mit günstigen Rohstoffen. Der neue Ansatz reduziert zusätzlich Materialstress und Systemkomplexität. Ob sich daraus ein marktfähiges Produkt entwickelt, hängt von weiteren Faktoren ab. Dazu zählen Langzeittests, Skalierung und industrielle Fertigung.

Prof. LI ordnet die Ergebnisse zurückhaltend ein. „Unsere Studie bietet einen neuartigen Ansatz für die Konstruktion langlebiger Brom-basierter Flussbatterien und legt den Grundstein für die weitere Anwendung und Förderung von Zink-Brom-Flussbatterien“, sagt er.

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Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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