Gondel-Absturz in Horb: Bauarbeiten gehen weiter
Nach tödlichem Unfall: Staatsanwaltschaft gibt Arbeiten an der Horber Hochbrücke wieder frei – Kran weiterhin beschlagnahmt.

Einsatzkräfte der Polizei stehen auf der Hochbrücken-Baustelle neben der verunglückten Gondel.
Foto: picture alliance/dpa/Christoph Schmidt
Nach einem tragischen Arbeitsunfall mit drei Toten können die Bauarbeiten an der Horber Hochbrücke wieder aufgenommen werden. Die Transportgondel, in der die Männer abstürzten, soll sich zuvor in Drahtseilen verfangen haben. Während die Ursachen noch untersucht werden, arbeitet man in den nicht betroffenen Bereichen weiter – freiwillig und begleitet von psychologischer Betreuung.
Inhaltsverzeichnis
- Update 26. Mai: Staatsanwaltschaft gibt Brücke frei
- 20. Mai: Drei Bauarbeiter sterben
- Seilbruch als Ursache
- Einschätzung von Experten
- Kann es ein Fehler des Kranführers gewesen sein?
- Betroffenheit bei Politik und Bevölkerung
- Baustelle vorerst gestoppt
- Die Hochbrücke: Ein Großprojekt mit Vorgeschichte
- Technische Fragen: Wie sicher sind Arbeitsgondeln?
Update 26. Mai: Staatsanwaltschaft gibt Brücke frei
Nach dem tödlichen Unfall an der Hochbrücke bei Horb hat die Staatsanwaltschaft grünes Licht für eine Wiederaufnahme der Arbeiten gegeben. Seit Montag wird auf der Baustelle wieder gearbeitet – allerdings nur in Bereichen, die vom Unfallgeschehen nicht betroffen sind. Ein kompletter Neustart des Projekts ist es damit nicht.
Am 20. Mai waren drei Männer ums Leben gekommen. Sie befanden sich in einer Transportgondel, die an einem Kran befestigt war und sie auf einen Brückenpfeiler heben sollte. Die Gondel stürzte ab. Zwei der Verunglückten stammten aus Polen, einer aus Deutschland.
Kran bleibt beschlagnahmt – Ursache weiter unklar
Die genaue Ursache des Unglücks ist noch nicht geklärt. Nach bisherigen Erkenntnissen könnte sich das Stahlseil der Gondel beim Hochziehen in quer verlaufenden Drahtseilen verfangen haben. Ob es dabei zu einem Riss oder Versagen kam, ist Gegenstand laufender Ermittlungen.
Der Kran, an dem die Gondel befestigt war, bleibt weiterhin beschlagnahmt. Das bestätigte die zuständige Staatsanwaltschaft. Auch ein Video, das Teile des Unfalls zeigt, wird derzeit ausgewertet. Es handelt sich laut Angaben der Ermittlungsbehörde um „Teilsequenzen des Unfallgeschehens“. Ob das Videomaterial den entscheidenden Hinweis liefert, ist noch offen.
Arbeit nur auf freiwilliger Basis – psychologische Hilfe angeboten
Der Unfall hat auf der Baustelle tiefe Spuren hinterlassen. Das belegen auch Aussagen gegenüber der „Südwestpresse“. Demnach erfolgt die Wiederaufnahme der Bauarbeiten ausschließlich auf freiwilliger Basis. Viele Beschäftigte hätten in den Tagen nach dem Vorfall psychologische Unterstützung angenommen, heißt es.
In Abstimmung mit der Belegschaft plant das Bauunternehmen zudem einen internen Gedenkgottesdienst – in deutscher und polnischer Sprache. Damit soll den Verstorbenen gedacht werden. Öffentlichkeit ist bei der Zeremonie nicht zugelassen.
20. Mai: Drei Bauarbeiter sterben
Auf einer der größten Brückenbaustellen Baden-Württembergs ist es am Dienstagmittag zu einem folgenschweren Arbeitsunfall gekommen. Eine an einem Kran befestigte Arbeitsgondel stürzte aus großer Höhe in die Tiefe. Drei Bauarbeiter, die sich in der Gondel befanden, starben noch an der Unfallstelle. Rettungskräfte konnten nur noch den Tod der Männer feststellen.
Die Brückenbaustelle an der künftigen Hochbrücke über das Neckartal ist stellenweise bis zu 90 Meter hoch. Die genaue Absturzhöhe ist bislang nicht bekannt. Laut Feuerwehr war der Aufprall so heftig, dass es für die Arbeiter keine Überlebenschance gab.
Seilbruch als Ursache
Nach ersten Erkenntnissen hatte sich die Gondel von dem Kran gelöst, an dem sie befestigt war. Nun ist klar, dass das Seil gerissen ist, an dem die Gondel befestigt war. „Es gibt ein gerissenes Seil, an dem die Gondel befestigt war“, sagte ein Sprecher der Polizei. Weitere Details wurden nicht genannt. Derzeit würden mehrere Zeugen und Augenzeugen befragt.
Die Staatsanwaltschaft Rottweil leitete ein Todesermittlungsverfahren ein. In die Untersuchung sind auch die Kriminalpolizei und ein unabhängiger Gutachter eingebunden. Polizeisprecher Benjamin Koch betonte: „Wir erheben alle subjektiven und objektiven Beweismittel, um zu klären, weshalb es zu diesem Unfall kam.“
Neben Augenzeugen werden auch andere Beteiligte der Baustelle befragt – darunter Bauleitende, Behördenvertreterinnen und -vertreter sowie Fachfirmen. Ob die Leichen der Verstorbenen obduziert werden, muss die Staatsanwaltschaft noch entscheiden.
Wie kann ein Seil plötzlich reißen?
Ein Seilbruch liegt vor, wenn ein Seil plötzlich und unerwartet reißt. Das kann bei Hebevorrichtungen wie Kränen oder Arbeitsgondeln gravierende Folgen haben.
Mögliche Ursachen für einen Seilbruch:
- Materialermüdung: Wiederholte Belastung kann zur Schädigung des Seils führen – besonders bei Drahtseilen durch Biegevorgänge über Rollen.
- Korrosion: Rost schwächt das Material und kann Querschnitt und Festigkeit deutlich verringern.
- Überlastung: Wird ein Seil über seine spezifizierte Tragkraft hinaus belastet, steigt die Bruchgefahr erheblich.
- Mechanische Beschädigungen: Knicke, Quetschungen oder unsachgemäße Lagerung können zur Schwächung des Seils führen.
- Fehlende oder unzureichende Wartung: Ohne regelmäßige Kontrolle und Schmierung sinkt die Lebensdauer erheblich.
- Fehler des Kranführers: Das Seil kann sich durch Fehler des Bedienenden an einem Hindernis verfangen und dadurch beschädigt werden.
In sicherheitsrelevanten Anwendungen müssen Seile regelmäßig visuell und technisch geprüft werden. Sobald die Anzahl der Drahtbrüche einen Grenzwert überschreitet, ist das Seil auszutauschen.
Einschätzung von Experten
Stahlseile wie das in Horb eingesetzte bestehen in der Regel aus Kohlenstoffstahl – einem Material, das nicht rostfrei ist und daher korrosionsanfällig sein kann. Das erklärt Thomas Ummenhofer, Professor für Stahl- und Leichtmetallbau am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Prüfingenieur für Bautechnik. Solche Seile setzen sich aus mehreren Strängen zusammen, den sogenannten Litzen. Ob bereits vor dem Unfall Schäden an diesen Litzen vorhanden waren, müsse nun untersucht werden, so Ummenhofer. Zum konkreten Fall in Horb könne er allerdings keine Einschätzung abgeben.
Reißt ein Stahlseil, kommen verschiedene Ursachen infrage, wir haben sie oben beschrieben. Für das Gutachten erfolgt zunächst eine Sichtprüfung, anschließend werden die Bruchstellen unter dem Mikroskop analysiert. Solche Untersuchungen seien aufwendig und dauerten in der Regel mehrere Monate, so Ummenhofer, der selbst als Gutachter tätig ist.
Neben Überlastung lässt sich wohl auch Materialermüdung ausschließen, wie Friedhelm Schwicker von der Sachverständigen-Organisation Dekra gegenüber der Bild äußerte: „Ein solches Stahlseil könnte vermutlich das Zehnfache an Gewicht tragen. Zudem gibt es regelmäßige Prüfintervalle, ein starker Verschleiß wäre aufgefallen.“ Dazu kommt laut Schwicker: Jedes Mal, wenn ein großer Kran aufgestellt werde, sei die Berufsgenossenschaft vor Ort. Sie untersuche, ob der Arbeitsschutz gewährleistet sei.
Kann es ein Fehler des Kranführers gewesen sein?
Auf Youtube gibt es ein Video, auf dem zu sehen ist, wie die Gondel abstürzt. Wir möchten es an dieser Stelle nicht zeigen. Interessant sind auf jeden Fall die Kommentare zu dem Unfall. So soll der Kranführer beispielsweise seinen ersten Tag auf der Baustelle gehabt haben und sich mit den Gegebenheiten noch nicht ausreichend ausgekannt haben.
Außerdem soll es zwischen dem Bediener und den Personen in der Gondel keinen Funkkontakt gegeben haben. Zudem soll unten kein Signalgeber vorhanden gewesen sein. Der Bediener soll zudem nicht darauf reagiert haben, dass sich der Kran neigte. Dafür hätte er laut Kommentar genug Zeit gehabt. Der Kommentator meint außerdem, dass die Hubgeschwindigkeit zu hoch gewesen sei.
Generell ist der polnische Kommentator, der ebenfalls Kranführer sein soll, der Meinung, dass bei der Bedienung gravierende Fehler gemacht worden sind. Diese hätten letztlich dafür gesorgt, dass die Gondel an der Brücke hängen geblieben ist. Daraufhin sei ein Seil gerissen und die Kabine sei zu Boden gestürzt.
Betroffenheit bei Politik und Bevölkerung
Die Nachricht von dem Unfall löste breite Anteilnahme aus. Bundesverkehrsminister Volker Wissing und Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann drückten ihr Mitgefühl aus. Hermann sagte: „Das ist einer der schwersten Arbeitsunfälle, den es je auf einer Straßenbaustelle im Land gegeben hat.“ Auch Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder, Landrat Klaus Michael Rückert und Horbs Oberbürgermeister Peter Rosenberger zeigten sich tief betroffen.
Rosenberger war direkt nach dem Unglück vor Ort. In einer gemeinsamen Erklärung betonten die Politikerinnen und Politiker: „Die Tragik des heutigen Ereignisses ist schwer zu fassen. Wir sind in Gedanken bei den Angehörigen der Opfer.“ Auch Notfallseelsorgende wurden hinzugezogen, um die Kolleginnen und Kollegen der Verunglückten zu betreuen. Einige von ihnen hatten den Absturz offenbar direkt miterlebt.
Baustelle vorerst gestoppt
Die Baustelle wurde unmittelbar nach dem Vorfall stillgelegt. Das für die Baustelle zuständige Bauunternehmen Porr gab am Mittwoch bekannt, dass die Arbeiten eingestellt bleiben. Das gelte für die Dauer des Ermittlungsverfahrens, mindestens aber noch für diese Woche.

Ein Kran steht auf der Brückenbaustelle neben einem Gerüst. Beim Absturz einer Brückenbaugondel auf einer der größten Baustellen Baden-Württembergs sind drei Arbeiter ums Leben gekommen.
Foto: picture alliance/dpa/Christoph Schmidt
Für den Mittag wurden am Unglücksort Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder und Horbs Oberbürgermeister Peter Rosenberger erwartet.
Die Hochbrücke: Ein Großprojekt mit Vorgeschichte
Die Neckartalbrücke bei Horb ist Teil der geplanten Ortsumfahrung, die die Bundesstraße 32 künftig über das Tal hinweg führen soll. Derzeit verläuft die Bundesstraße noch durch die Innenstadt. Mit dem Neubau soll der Verkehr entlastet und die Innenstadt vom Durchgangsverkehr befreit werden.
Die Brücke wird laut Regierungspräsidium Karlsruhe rund 2.100 Meter lang und an der höchsten Stelle etwa 90 Meter hoch. Die Fertigstellung ist bis spätestens 2028 vorgesehen. Seit dem Baubeginn im Jahr 2018 kam es bereits zu Verzögerungen. Im Februar 2024 mussten Arbeiten unterbrochen werden, weil mehrere Verbindungsbolzen an einem Brückenpfeiler gebrochen waren. Auch damals wurde die angrenzende Bahnstrecke vorübergehend gesperrt.
Technische Fragen: Wie sicher sind Arbeitsgondeln?
Arbeitsgondeln gelten grundsätzlich als sichere Hilfsmittel für den Zugang zu schwer erreichbaren Stellen – etwa an Brücken, Hochhäusern oder Windkraftanlagen. Sie sind in der Regel mehrfach gesichert und werden regelmäßig gewartet. Bei dem Unfall in Horb scheint jedoch eine dieser Sicherungen versagt zu haben, so dass das Seil gerissen ist. (mit dpa)
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