Hermannsdenkmal: Die ganze Baugeschichte unter der Kupferhaut
Nach Fertigstellung war das Hermannsdenkmal die größte Statue der westlichen Welt. Wir schauen uns die Baugeschichte an.
Seit 150 Jahren steht der Hermann auf seinem Denkmal. Wir blicken zurück auf seinen Bau.
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Das Hermannsdenkmal ist weit mehr als nur ein imposantes Bauwerk. Es erzählt von politischer Zersplitterung, dem Wunsch nach Einheit und von einem Mann, der sein Leben für eine Idee einsetzte. Aus Sandstein, Eisen und Kupfer entstand eine Konstruktion, die seit rund 150 Jahren Wind und Wetter trotzt. Mythen und Anekdoten begleiten das Denkmal ebenso wie die Debatte um die historische Varusschlacht. Uns interessiert jedoch mehr die Baugeschichte – wir blicken dem Hermann unter die Kupferhaut.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte zur Arminiussäule
Im Jahr 1819, nur wenige Jahre nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon, skizzierte Ernst von Bandel erstmals seine Idee für ein Denkmal. Die Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig 1813 war noch frisch. Viele in den deutschen Staaten sehnten sich nach Einheit – politisch gab es sie jedoch nicht. Statt eines Nationalstaats existierten 38 souveräne Kleinstaaten, lose verbunden im Deutschen Bund.
Bandel wollte mit seiner „Arminiussäule“, wie er sie selbst nannte, ein sichtbares Zeichen schaffen. Es sollte nicht nur an die Vertreibung Napoleons erinnern, sondern auch an den Sieg germanischer Stämme unter Arminius über die Römer im Jahr 9 n. Chr. – die Varusschlacht. Für ihn verbanden sich diese beiden Ereignisse zu einer Botschaft: Nur gemeinsame Stärke könne Fremdherrschaft abwehren.
Der Bildhauer und Architekt widmete diesem Ziel sein gesamtes Leben und opferte schließlich auch sein Privatvermögen. „Deutschland brauchte einen Gründungsmythos. Und mit Arminius, der die Germanenstämme geeint hat, passte das“, sagt Gästeführerin Cornelia Müller-Hisje heute über Bandels Vision.
Die Wahl des Bauplatzes
Die Entscheidung fiel auf die Grotenburg bei Detmold. Dort befand sich eine alte germanische Wallburg – der „Große Hünenring“. Mit einer Höhe von 386 Metern bot der Berg eine weithin sichtbare Lage. Der lippische Fürst stellte das Grundstück allerdings nur unter der Bedingung zur Verfügung, dass das Denkmal auf der Berghöhe errichtet würde.
Nach damaliger Überzeugung hatte die Varusschlacht tatsächlich im Teutoburger Wald stattgefunden. Heute vermuten Archäologinnen und Archäologen den Ort eher bei Kalkriese in Niedersachsen. Für die Menschen in Lippe spielt das jedoch keine große Rolle – für sie zählt die Verbindung von Landschaft und Geschichte.
Baubeginn mit Unterbrechungen
1838 legte man den Grundstein, und der Sockelbau begann. Schon 1841 konnte Bandel die Grundsteinlegung für den massiven Unterbau feiern. Bis 1846 entstand der fast 27 Meter hohe Sockel aus Osning-Sandstein.
Doch dann kam der Stillstand. Politische Umbrüche nach der Revolution von 1848, Streit mit dem Förderverein und vor allem Geldmangel stoppten das Projekt. Bandel zog sich enttäuscht nach Hannover zurück. Kupferplatten, die für die Statue gedacht waren, lagerte man in Detmold ein. Einige gingen verloren, andere wurden gestohlen.
Rückkehr nach fast zwei Jahrzehnten
Ab 1862 arbeitete Bandel in Hannover wieder an den technischen Grundlagen für die Statue. Unterstützt von seinem Sohn Roderich, entwickelte er das innere Eisengerüst – eine statische Herausforderung. Die Konstruktion musste die schweren Kupferplatten von innen zusammenhalten und gleichzeitig Windlasten aushalten. Ein Modell dieses Gerüsts steht heute im Lippischen Landesmuseum.
Erst 1870 begannen die Vorarbeiten am Bauplatz erneut. 1871 kehrte Bandel in den Teutoburger Wald zurück. Er ließ Gerüste errichten und den Sockel für die Montage vorbereiten. Doch selbst in dieser Phase verzögerten sich die Arbeiten durch langwierige Verhandlungen mit Stahlfirmen.

Tag der Einweihung – auch Kaiser Wilhelm I. wohnte der Zeronomie bei.
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Ein Leben auf dem Bauplatz
Bandel verbrachte seine letzten Jahre direkt am Denkmal, in der schlichten „Bandelhütte“ aus Holz. Hier arbeitete, lebte und schlief er. Halb erblindet und gesundheitlich angeschlagen, erlebte er dennoch am 16. August 1875 die feierliche Einweihung – im Beisein von Kaiser Wilhelm I. Die Ordensverleihung an diesem Tag war eine späte Anerkennung.
Fun Fact am Rande: Das Hermannsdenkmal war von 1875 bis zur Erbauung der Freiheitsstatue 1886 die höchste Statue der westlichen Welt. Das hat Bandel aber nicht mehr mitbekommen. Der Erbauer starb ein Jahr nach der Einweihung „seiner“ Statue, am 25. September 1876. Die Bandelhütte blieb bis Dezember 2021 erhalten, ehe sie bei einem Brand zerstört wurde.
Technische Daten des Hermannsdenkmals
- Gesamthöhe: 53,46 m
- Unterbauhöhe: 26,89 m (inkl. Kuppel 7,03 m)
- Figurhöhe: 26,57 m
- Gewicht der Figur: 42,8 t
- Konstruktion: Eisenrohr-Innengerüst mit >200 vernieteten Kupferplatten
- Kupfergewicht: ca. 11,8 t
- Schwert: Länge 7,00 m, Gewicht 550 kg
- Schild: Länge 10,00 m, Gewicht 1.150 kg
- Material Unterbau: Osning-Sandstein
- Bauzeit: 1838–1875 (mit Unterbrechungen)
- Erbauer: Ernst von Bandel
Konstruktion des Denkmals
Das Hermannsdenkmal ist ein Bau- und Figurendenkmal zugleich. Der Unterbau ist rund, 26,89 Meter hoch und besteht aus grob behauenem Osning-Sandstein. Zehn mächtige Pfeiler bilden zusammen mit dazwischenliegenden Nischen die sogenannte „Ruhmeshalle“. Ursprünglich sollte sie berühmten Persönlichkeiten gewidmet werden, doch dieser Teil blieb unvollendet.
Die Pfeiler sind sechseckig, ihre Kapitelle verbinden sich mit Spitzbögen zu den Nachbarpfeilern und mit Rundbögen zu den übernächsten – ein Stil-Mix aus Gotik und Romanik. Darüber führt ein Besucherumlauf einmal um den Bau. Eine steinerne Kuppel trägt schließlich den Sockel, auf dem die Statue steht.
Im Inneren windet sich eine Spindeltreppe nach oben. Sie führt bis zur Galerie knapp unterhalb der Kuppel, von der aus Sie den Blick über den Teutoburger Wald genießen können.

Oft heißt es, der Hermann zeigt in Richtung Frankreich, das ist aber ein Mythos.
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Die Statue: Eisen und Kupfer
Die Figur des Arminius, oft „Hermann“ genannt, ist 26,57 Meter hoch. Das Innengerüst besteht aus einer Eisenrohrkonstruktion, die Oberfläche aus 200 getriebenen Kupferplatten. Ein recht schwieriges Unterfangen, mussten doch die Kupferplatten von innen her zusammengehalten werden. Es brauchte mehrere Modelle des inneren Eisengerüstes, ehe Brandel zufrieden war.
Insgesamt wiegt die Figur übrigens rund 42,8 Tonnen. Der rechte Arm ist erhoben und hält ein sieben Meter langes Schwert – ein Geschenk der Familie Krupp, 550 Kilogramm schwer. Der linke Arm stützt sich auf ein zehn Meter langes Schild, das 1150 Kilogramm wiegt. Unter dem linken Fuß liegen ein römischer Adler und ein Rutenbündel, Symbole der besiegten Macht.
Die Rüstung und der Flügelhelm orientieren sich an Beschreibungen des römischen Historikers Tacitus. Stammeszeichen fehlen bewusst – Bandel wollte eine allgemein verständliche Figur, frei von regionalen Symbolen.
Warum Kupfer als Verkleidungsmaterial?
Die Wahl fiel nicht zufällig auf Kupfer – das Metall brachte für das Bauvorhaben gleich mehrere Vorteile mit sich. Zum einen ist Kupfer vergleichsweise leicht und lässt sich hervorragend verformen. In der Werkstatt konnten die Platten durch Treiben in die gewünschte Form gebracht und anschließend vor Ort mit Tausenden von Nieten verbunden werden – ein entscheidender Faktor bei der Montage in luftiger Höhe.
Zum anderen trotzt Kupfer der Witterung auf ganz eigene Weise: Es rostet nicht wie Eisen, sondern entwickelt im Laufe der Jahre eine schützende Patinaschicht. Diese grünliche Oberfläche, oft als „Kupferrost“ bezeichnet, wirkt nicht nur konservierend, sondern gibt der Figur heute ihr markantes Aussehen. Ursprünglich glänzte die Statue übrigens in metallischem Kupferton und reflektierte das Sonnenlicht weithin sichtbar.

Der kupferne Kopf des Hermann ist wie der restliche Körper mit einer grünen Patina überzogen.
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So trotzt die Statue den Windlasten
Eine besondere Ingenieurleistung ist das innere Röhrengerüst. Roderich von Bandel, Sohn von Ernst von Bandel, entwickelte es so, dass es tief im Sockel verankert ist. Dadurch kann die Statue hohe Windlasten aushalten. Vor dem Bau prüfte der Ingenieurverein Hannover das Konzept.
Die Kupferplatten wurden vernietet, nicht verschweißt. Das macht die Hülle flexibler und weniger anfällig für Spannungsrisse. Bis heute hält diese Konstruktion dem rauen Klima auf der Grotenburg stand.
Seit 150 Jahren in Pflege – und kein Ende in Sicht
Als das Hermannsdenkmal vor eineinhalb Jahrhunderten fertiggestellt wurde, war seine Bauweise eine kleine Sensation: Ein Tragwerk aus Eisenrohren, darüber Kupferplatten, sauber vernietet. Innovativ – aber nicht ohne Tücken. Denn wo Eisen und Kupfer zusammentreffen, droht Kontaktkorrosion.
Deshalb mussten schon ab dem ersten Jahr die Stahlträger regelmäßig gestrichen werden. Die erste größere Instandsetzung erfolgte zwischen 1895 und 1897. 1931 stand erneut eine Sanierung an: In den Füßen der Statue hatte sich Regenwasser gesammelt, das die Kupferhaut in Mitleidenschaft zog.
Im Zweiten Weltkrieg beschossen
Der Zweite Weltkrieg hinterließ Spuren – Beschussschäden inklusive. In den 1950er-Jahren wurde es dramatisch: Das Schwert drohte abzustürzen. Eine umfassende Restaurierung war unumgänglich. Sorgenkind blieb auch der Sockel. Immer wieder bereitete die Wasserableitung Probleme, was zu wiederholtem Neuverfugen, Abdichten und Erweitern führte.
Über die Jahrzehnte sammelten sich Gutachten an, und nicht selten musste die Sanierung selbst saniert werden – etwa 1986, als ein Gewölbestein herausbrach, weil das in den 1960er-Jahren verwendete asbesthaltige Fugenmaterial versagte. Im Großen und Ganzen hat sich der Hermann jedoch als zäh erwiesen – auch wenn weiterhin regelmäßig Instandsetzungen notwendig sind. (mit Material der dpa)
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