Milliardenprojekt 07.08.2025, 17:12 Uhr

Hängebrücke zwischen Italien und Sizilien: Vision oder Übermut?

Italien plant die längste Hängebrücke der Welt nach Sizilien. Doch wie sinnvoll ist das Milliardenprojekt wirklich?

Hängebrücke Sizilien

Geplante Hängebrücke über die Straße von Messina: Mit einer Spannweite von 3.300 Metern soll sie Sizilien mit dem italienischen Festland verbinden – und wäre damit die längste Hängebrücke der Welt.

Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Webuild – Eurolink Image Library

Einmal quer über das Meer – fast vier Kilometer in einer der seismisch aktivsten Regionen Europas. Das ist die Idee hinter einem Bauwerk, das seit Jahrzehnten geplant, diskutiert, verworfen und wiederbelebt wird: Die Brücke über die Straße von Messina. Sie soll Sizilien mit dem italienischen Festland verbinden, ein Symbol der nationalen Einheit sein, die Wirtschaft im Süden ankurbeln – und vielleicht auch einen Beitrag zur NATO-Verteidigungsstrategie leisten.

Doch hinter dem Prestigeprojekt stehen Fragen: Ist die Brücke technisch überhaupt umsetzbar? Und wenn ja, um welchen Preis? Wer profitiert davon – und wer zahlt am Ende die Rechnung?

Eine Verbindung mit langer Geschichte – und vielen Brüchen

Die Idee, Sizilien dauerhaft mit dem Festland zu verbinden, ist nicht neu. Schon im Römischen Reich soll es Versuche gegeben haben, etwa mit Pontonbrücken aus Fässern. Doch erst im 20. Jahrhundert rückte eine feste Querung wieder ernsthaft in den Fokus der Politik. In den 1960er Jahren begannen erste konkrete Planungen, 1981 gründete der Staat sogar eigens die Projektgesellschaft Stretto di Messina S.p.A., die sich um Planung und Bau kümmern sollte. Doch das Vorhaben blieb stecken – aus politischen, technischen und finanziellen Gründen.

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Ein erster offizieller Baubeginn erfolgte 2009 unter Silvio Berlusconi. Doch schon wenige Jahre später war das Projekt erneut gestoppt. Kritik kam vor allem aus der Umweltpolitik und von Infrastrukturfachleuten: Die vorhandenen Straßen- und Schienenverbindungen auf Sizilien seien marode – eine Brücke alleine bringe wenig, wenn die Anschlussinfrastruktur fehle. Außerdem sei das Gebiet um die Straße von Messina hochgradig erdbebengefährdet.

Der aktuelle Stand: Jetzt soll wirklich gebaut werden

Im Frühjahr 2023 kündigte die Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni an, das Projekt endgültig voranzutreiben. Im April verabschiedete der Ministerrat ein Gesetzesdekret, das den Weg für Bau und Finanzierung freimacht. Im Sommer 2025 erhielt das Projekt schließlich grünes Licht vom zuständigen Ausschuss – dieses Mal mit einer klaren Timeline.

Baubeginn ist für Sommer 2026 angesetzt. Die Fertigstellung ist für 2032 geplant – nach rund sieben Jahren Bauzeit. Die staatliche Projektgesellschaft Stretto di Messina wurde dafür wieder aktiviert. Generalunternehmer ist ein Konsortium unter der Leitung des italienischen Baukonzerns Webuild, der unter anderem bereits die Çanakkale-Brücke in der Türkei realisiert hat – derzeit die längste Hängebrücke der Welt.

Webuild-CEO Pietro Salini sprach von einem „Projekt, das der Stolz unseres Landes sein wird“. Es gehe darum, Italien zu verbinden und gleichzeitig wirtschaftliche Entwicklung im Süden zu fördern. Der Bau werde, so Salini, mit „den modernsten Sicherheits- und Wartungstechnologien“ ausgestattet und nach internationalen Standards umgesetzt.

Eckdaten der längsten Hängebrücke der Welt

Die Brücke soll in mehrfacher Hinsicht Rekorde brechen. Mit einer gesamten Länge von 3.666 Metern und einer Hauptspannweite von 3.300 Metern würde sie die bisherige Weltrekordhalterin um über 1.200 Meter übertreffen. Zwei Pylone mit einer Höhe von jeweils 399 Metern sollen das Gewicht tragen. Damit wäre sie nicht nur die längste, sondern auch eine der höchsten Hängebrücken weltweit.

Die Fahrbahn ist aufgeteilt in:

  • vier Fahrstreifen für den Autoverkehr (zwei je Richtung),
  • flankiert von zwei Bahngleisen,
  • dazu kommt ein spezieller Konstruktionsaufbau mit getrennten Fahrbahnbalken für mehr Windstabilität.

Die Brücke soll rund 6.000 Autos pro Stunde und 200 Züge täglich transportieren können. Die geplante Durchfahrtshöhe unter dem Brückenzug beträgt 65 Meter, sodass auch größere Containerschiffe und Kreuzfahrtschiffe passieren können.

Sizilien Brücke

Bis zu 6.000 Fahrzeuge pro Stunde und 200 Züge pro Tag sollen über die Brücke fahren können.

Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Webuild – Eurolink Image Library

Geologische Herausforderung: Bauen in einem Erdbebengebiet

Ein Hauptkritikpunkt an dem Projekt bleibt die geologische Lage. Die Straße von Messina liegt in einer der aktivsten seismischen Zonen Europas. Das letzte große Beben im Jahr 1908 forderte über 100.000 Menschenleben in Messina und Reggio Calabria. Ein solches Szenario darf sich nicht wiederholen.

Die Projektleitung betont: Hängebrücken gelten als besonders erdbebenresistent, da sie flexibler auf Bodenbewegungen reagieren können als etwa massive Pfeilerkonstruktionen im Wasser. Aus diesem Grund habe man sich bewusst gegen eine Tunnellösung oder Brückenpfeiler auf dem Meeresgrund entschieden.

Doch nicht alle Expert*innen sind überzeugt. Die geologischen Spannungen in der Region sind schwer vorhersehbar. Und selbst wenn die Brücke standhält – ob auch die Zufahrtswege und Versorgungsleitungen sicher bleiben, ist fraglich.

Kostenexplosion und Anschlussprobleme

Die Baukosten der Brücke selbst werden aktuell auf 13,5 Milliarden Euro geschätzt. Doch das ist nur ein Teil des Gesamtaufwands. Denn: Damit das Bauwerk wirklich sinnvoll genutzt werden kann, müssen auch die Anschlussstellen modernisiert werden – sowohl auf kalabrischer als auch auf sizilianischer Seite.

Dafür werden weitere Milliarden fällig:

  • 15 Milliarden Euro für Infrastruktur auf Sizilien,
  • 12,8 Milliarden Euro in Kalabrien,
  • sowie zusätzliche 25 Milliarden Euro für die Anbindung an das Hochgeschwindigkeitsbahnnetz in Salerno.

Insgesamt könnte das Projekt also deutlich über 60 Milliarden Euro kosten. Und genau hier beginnt die Debatte um die Sinnhaftigkeit.

Technische Daten im Überblick

  • Mittelspannweite: 3.300 m – und damit über 1.000 m länger als die bisherige Rekordhalterin, die türkische Çanakkale-1915-Brücke (2.023 m). Die Mittelspannweite ist der Abstand zwischen den beiden stützenden Pylonen, die die Tragseile halten. Gesamtlänge: 3.666 m.
  • Pylone: Zwei Türme aus hochfestem Stahl, je 399 m hoch, rund 55.000 t schwer. Jeder Turm steht auf zwei Beinen, verbunden durch drei Querträger. Die Dimensionen bedeuten massive Eingriffe in die Landschaft – viele Anwohnende vor Ort lehnen das Vorhaben ab.
  • Fundamente: Jeder Turm ruht auf zwei kreisförmigen Stahlbetonfundamenten, verbunden über einen Querträger.
  • Hauptkabel: Vier Tragkabel mit jeweils 1,26 m Durchmesser; pro Kabel 44.323 Stahldrähte.
  • Fahrbahnträger: Etwa 60 m breit. Geplant sind drei Fahrspuren je Richtung, dazu zwei Pannenstreifen und zwei Bahngleise.
  • Kapazität: Bis zu 6.000 Fahrzeuge pro Stunde und 200 Züge pro Tag.
  • Zeiteffekt: Statt heute insgesamt ca. 100 Minuten mit der Fähre soll die Querung per Auto rund 10 Minuten dauern. Laut Salvini verkürzen sich Bahnfahrzeiten um 2 bis 12 Stunden. Geplante Verfügbarkeit: 24/7, 365 Tage im Jahr.

 

Was Befürworter versprechen

Für die italienische Regierung ist die Brücke weit mehr als ein Verkehrsbauwerk. Verkehrsminister Matteo Salvini nannte das Projekt eine „Revolution für Süditalien“. Die Verbindung soll die wirtschaftliche Entwicklung im strukturschwachen Süden ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen und das Land infrastrukturell zusammenführen.

Tatsächlich sind viele Regionen in Kalabrien und Sizilien schlecht an das überregionale Verkehrsnetz angebunden. Fähren sind bislang die einzige Verbindung über die Meerenge von Messina – anfällig für Ausfälle, wetterabhängig und oft überlastet. Eine durchgängige Straßen- und Schienenverbindung könnte den Warentransport vereinfachen und Pendler*innen deutlich entlasten.

Pietro Salini von Webuild spricht von einem „großartigen Infrastrukturprojekt“, das ein „integriertes System aus Straßen, Bahnlinien, Viadukten und Tunneln“ umfassen werde. Über 40 Kilometer neue Verkehrswege sollen entstehen. Drei U-Bahn-Stationen, zehn Viadukte und ein multifunktionales Zentrum sind Teil des Plans.

Auch symbolisch spielt die Brücke eine Rolle. Sie soll die Trennung zwischen Festland und Insel – oft auch zwischen Nord und Süd Italiens – überwinden. Salvini spricht von einem „Traum von Millionen Italiener*innen seit Jahrhunderten“.

Verteidigungsargumente – Infrastruktur als Militärstrategie?

Ein weiterer Aspekt hat die Diskussion zuletzt stark beeinflusst: die mögliche Einstufung der Brücke als militärisch relevante Infrastruktur. Damit könnte ein Teil der Kosten aus dem Verteidigungshaushalt gedeckt werden. Hintergrund ist die NATO-Vorgabe, dass Mitgliedstaaten 3,5 % des BIP für Verteidigung und 1,5 % für verteidigungsnahe Infrastruktur bereitstellen sollen.

Die Regierung argumentiert: Die Brücke ermögliche schnelle Truppenbewegungen im Fall von Krisen im Mittelmeerraum. Sie sei ein strategischer Korridor für die NATO und daher sicherheitsfördernd. Diese Argumentation ist neu – und in Fachkreisen umstritten.

Alessandro Marrone vom Istituto Affari Internazionali in Rom hält die Begründung für überzogen. Der eigentliche Fokus der NATO liege auf der schnellen Verlegung von Truppen in Richtung Osteuropa – über die Alpen, nicht über den Stiefelabsatz. Auch andere Militärexperten*innen sehen die sicherheitspolitische Einstufung als Vorwand zur Legitimation eines teuren Prestigeprojekts.

Kritik: Umwelt, Erdbebenrisiken und politische Symbolik

Neben ökonomischen und sicherheitspolitischen Debatten gibt es starke Kritik von Umweltverbänden, Geowissenschaftlern und Bauingenieuren. Besonders drei Punkte stehen im Fokus:

  1. Erdbebengefahr unterschätzt?

Die Region um den Messina-Graben ist geologisch instabil. Die Plattengrenze zwischen der afrikanischen und der eurasischen Platte verläuft mitten durch die Meerenge. Ein starkes Erdbeben wie 1908 ist auch in Zukunft möglich. Zwar betont das Baukonsortium die Stabilität von Hängebrücken bei seismischen Bewegungen – doch absolute Sicherheit gibt es nicht.

Eine seismische Bewertung ist komplex. Auch wenn die Brücke selbst sicher konzipiert sein mag, bleibt fraglich, ob die Anbindungen und Versorgungssysteme in einem Krisenfall standhalten würden. Die Einstufung als „sicherheitsfördernde Infrastruktur“ könnte sich somit als riskant herausstellen.

  1. Umweltschutz bleibt unklar

Mehrere Umweltverbände haben Beschwerden bei der EU eingereicht. Sie kritisieren, dass der Einfluss der Brücke auf das sensible Ökosystem der Straße von Messina nicht ausreichend untersucht sei. Vor allem Zugvögel, die hier rasten oder überwintern, könnten durch das Bauwerk gestört werden. Auch Meeressäuger seien potenziell betroffen.

Hinzu kommt: Der Bau würde in bislang unberührte Gebiete eingreifen – sowohl auf der kalabrischen als auch auf der sizilianischen Seite. Straßen, Tunnel und Rampen durchschneiden Naturlandschaften, die teilweise unter Schutz stehen. Ob und wie diese Eingriffe kompensiert werden, ist offen.

  1. Kosten-Nutzen-Verhältnis fragwürdig

Die Brücke kostet – Stand heute – 13,5 Milliarden Euro. Doch mit den zusätzlichen Infrastrukturmaßnahmen steigt der Gesamtpreis auf über 60 Milliarden. Ob sich diese Summe durch mehr Mobilität und Wirtschaftswachstum amortisiert, bleibt zweifelhaft.

Kritiker*innen führen an, dass eine solche Investition besser in die generelle Verbesserung des süditalienischen Verkehrsnetzes fließen sollte. Marode Straßen, veraltete Bahnhöfe und langsame Regionalzüge seien heute ein viel gravierenderes Problem als das Fehlen einer Brücke. Solange der Ausbau auf Sizilien und in Kalabrien nicht Schritt hält, bleibe die Brücke ein Solitär ohne System.

Was sagen Ingenieure? Zwischen Machbarkeit und Zweifel

Aus rein technischer Sicht ist der Bau der Brücke möglich – aber mit hohen Anforderungen verbunden. Die geplante Hauptspannweite von 3.300 Metern setzt neue Maßstäbe. Noch nie wurde eine freitragende Konstruktion dieser Länge realisiert. Selbst die Çanakkale-Brücke, die bislang den Weltrekord hält, ist kürzer – und wurde in weniger seismisch aktiver Zone gebaut.

Für die ausführenden Ingenieurinnen und Ingenieure bedeutet das: Jedes Detail muss stimmen. Die gewählte Konstruktion – ein sogenannter Dreisegment-Überbau mit getrennten Trägern für Auto- und Bahnverkehr – dient der Stabilisierung gegen Windschwingungen. Ein durchdachtes Belüftungskonzept zwischen den Trägern soll Schwingungen reduzieren und die Aerodynamik verbessern.

Ebenfalls besonders: Die Positionierung der Fahrstreifen. Der LKW-Verkehr wird über eine gekreuzte Führung zur Brückenmitte geleitet. Das verringert Torsionskräfte – also Verwindungen – und sorgt für eine ausgeglichene Lastverteilung auf der Brückenkonstruktion. Aus statischer Sicht ein raffinierter Ansatz.

Dennoch warnen einige Expert*innen: Die Kombination aus extrem langer Spannweite, starkem Wind, seismischer Aktivität und Korrosionsgefahr durch salzhaltige Meeresluft stellt ein Risiko dar. Die geplanten Wartungssysteme und Sensorik zur Echtzeitüberwachung müssten dauerhaft funktionieren – auch nach Jahrzehnten im Betrieb.

Alternativen: Tunnel, Fähren, Regionalausbau?

Ein Tunnel wäre unter geologischen Gesichtspunkten keine echte Alternative gewesen. Die Gesteinsstrukturen und die seismische Aktivität im Untergrund machen unterirdische Verbindungen unsicher. Der Bau eines Tunnels wäre zudem extrem teuer und technisch noch aufwändiger gewesen als die Brücke.

Die aktuell genutzten Fähren zwischen Messina und dem Festland haben ihre Kapazitätsgrenzen erreicht. Zwar könnten sie modernisiert und digitalisiert werden – doch bei steigendem Verkehrsaufkommen bieten sie keine langfristige Lösung. Auch der Güterverkehr per Bahn leidet unter fehlender Direktverbindung.

Viele Fachleute fordern daher, zuerst das vorhandene Netz zu modernisieren. Eine leistungsfähige Autobahnstruktur auf Sizilien, zuverlässige Bahnverbindungen und moderne Bahnhöfe könnten die Wirtschaftskraft der Insel deutlich schneller fördern als eine Brücke, die erst 2032 fertiggestellt ist.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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