Elbtower-Debakel: Wie Hamburg sein Prestigeprojekt retten will
Hamburg kämpft mit dem Elbtower-Fiasko: Stillstand, Kosten, Streit und neue Pläne – jetzt soll ein Naturkundemuseum den Turm retten.
Der Elbtower in Hamburg wird nicht in der ursprünglich geplanten Höhe von 246 Metern gebaut, sondern auf 199 Meter schrumpfen.
Foto: picture alliance / www.neumayr.cc / picturedesk.com
Es sollte das neue Wahrzeichen Hamburgs werden – ein Turm, der die Silhouette der HafenCity prägt, ein architektonisches Statement für eine moderne, selbstbewusste Metropole. Heute ist vom Elbtower jedoch nur ein rund 100 Meter hoher Rohbau zu sehen. Seit zwei Jahren steht die Baustelle still. Wo einst Glas, Stahl und Prestige versprochen wurden, herrschen jetzt Stillstand, Streit und Sorgen.
Ursprünglich sollte der von Stararchitekt David Chipperfield entworfene Turm 245 Meter hoch werden. Ein Hotel, Büros, Gastronomie, eine Aussichtsplattform – das Konzept klang nach urbaner Zukunftsvision. Doch nach der Pleite der Signa-Gruppe des österreichischen Investors René Benko stoppte im Oktober 2023 das Bauunternehmen Lupp die Arbeiten – wegen unbezahlter Rechnungen in Millionenhöhe. Seither steht der Rohbau am Oberhafenkanal wie ein Mahnmal der Überforderung.
Inhaltsverzeichnis
Stadt will Naturkundemuseum im Elbtower unterbringen
Nun scheint sich eine neue Wendung abzuzeichnen. Die Stadt Hamburg plant, fast die Hälfte des Gebäudes zu übernehmen und dort das neue Naturkundemuseum zu errichten. Dafür will sie laut Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) 595 Millionen Euro bezahlen – ein Festpreis, der sämtliche Kosten für Ausbau, Technik und Innenarchitektur abdecken soll.
Damit würde Hamburg eine Verpflichtung einlösen, die sie 2021 mit Nordrhein-Westfalen eingegangen ist. Damals schlossen beide Länder einen Staatsvertrag zur Gründung des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB). Darin wurde vereinbart, dass Hamburg ein modernes Forschungsmuseum errichtet, das an die Tradition des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Naturhistorischen Museums anknüpft.
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) begründet die Entscheidung so: „Es soll die Sammlung der Universität in einem modernen Forschungsmuseum zugänglich machen und die Lücke schließen, die 1943 mit der Zerstörung des Naturhistorischen Museums am Steintorwall entstanden ist.“
Laut Wissenschaftssenatorin Maryam Blumenthal (Grüne) soll das neue Museum bis zu 500.000 Besucherinnen und Besucher pro Jahr anziehen. Rund 200 Mitarbeitende aus über 40 Nationen sollen dort forschen, lehren und Wissen vermitteln.
Ein Deal mit Risiko
So vielversprechend die Idee klingt – sie ist nicht ohne Risiko. Denn Hamburg würde mit dem Kauf zwar knapp die Hälfte des Turms erwerben, sich aber nicht an der Fertigstellung des Gebäudes beteiligen. Die Stadt will erst zahlen, wenn der Elbtower außen vollständig fertig und innen weitgehend ausgebaut ist.
Das soll verhindern, dass öffentliche Gelder in eine weitere Baustelle fließen. Finanzsenator Dressel betont, dass Hamburg im Falle eines Rückzugs der privaten Investoren ein Optionsrecht behält. So könne die Stadt selbst übernehmen, falls das Projekt erneut scheitert – ohne mit „irgendeinem saudischen Immobilienfonds über die Aufzugreparatur verhandeln“ zu müssen, wie Dressel es pointiert formulierte.
Politisch bleibt das heikel. Denn Bürgermeister Tschentscher hatte nach der Signa-Pleite mehrfach betont, dass sich die Stadt nicht finanziell am Elbtower beteiligen werde. Nun werfen ihm Opposition und Bund der Steuerzahler Wortbruch vor. Tschentscher hält dagegen, die Entscheidung sei „die wirtschaftlichste Lösung“ und diene allein den Interessen der Stadt.
Schrumpfkur für den Turm
Der neue Elbtower wird kleiner. Statt 245 sollen es künftig nur noch 199 Meter werden. Zwölf Etagen fallen weg – vor allem Büroflächen. Für Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) ist das kein Problem: „Am Nutzungskonzept ändert sich nichts. Es bleibt bei Hotel, Büroetagen und Aussichtsplattform.“
Rund 46.000 Quadratmeter sollen künftig vom Naturkundemuseum genutzt werden – etwa 48 % der Gesamtfläche. Der Rest bleibt für kommerzielle Nutzung vorgesehen. Die Kürzung könnte auch technische Vorteile bringen. Denn der Baugrund am Oberhafenkanal gilt als heikel. Schon während der Gründungsarbeiten kam es zu Setzungen, also zu ungleichmäßigem Absinken des Bodens.
Grenzwerte noch im akzeptablen Rahmen
Im Dezember 2024 wurde die Bauaufsichtsbehörde darüber informiert, dass die festgelegten Grenzwerte für die Setzungen überschritten worden waren. Die Bahn ließ die Werte daraufhin von Sachverständigen überprüfen. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass die erhobenen Messwerte unkritisch und im erwartbaren Umfang sind.
Für die Überwachung der Setzungen der Bahnanlage durch den Elbtower ist die DB zuständig. Hintergrund ist, dass ungeplante Unterbrechungen und sonstige Einschränkungen des Bahnverkehrs unbedingt vermieden werden sollen. Bislang hat der Bau des Turms keine Schäden an der Bahninfrastruktur verursacht.
Der schwierige Spagat zwischen Technik und Politik
Der Elbtower ist längst mehr als ein Bauprojekt. Er ist ein politischer Prüfstein. Hamburgs Senat steht unter Druck, einerseits wirtschaftlich zu handeln, andererseits ein Symbol des Scheiterns zu vermeiden.
Ein Neubau für das Naturkundemuseum würde laut Stadt 824 Millionen Euro kosten – rund 230 Millionen mehr als der Einstieg in den Elbtower. Zudem wäre der Museumsbau dort rund fünf Jahre früher fertig, voraussichtlich Ende 2029.
Finanziell klingt das vernünftig. Doch Kritiker warnen: Ein halbfertiger Turm, dessen Statik bereits Probleme macht, ist keine ideale Grundlage für ein öffentliches Forschungsinstitut. Auch Architekt David Chipperfield musste seine ursprünglichen Pläne überarbeiten. Das war nicht selbstverständlich – schließlich besitzt er die Urheberrechte am Entwurf
Zwischen Hoffnung und Misstrauen
Hamburgs Politik präsentiert den geplanten Teilerwerb als Rettung – für den Elbtower und für das neue Museum. Doch der Plan wirft viele Fragen auf: Wie belastbar ist der Untergrund wirklich? Wer trägt die Verantwortung, falls die Schäden an der Bahn erneut auftreten? Und wie lässt sich sicherstellen, dass die Kosten am Ende nicht doch explodieren?
Auch die Bürgerschaft muss dem Deal erst noch zustimmen. Dort dürfte es hitzige Debatten geben. Denn das Projekt ist emotional aufgeladen – ein Symbol für den Umgang mit Großprojekten, für politische Glaubwürdigkeit und technische Grenzen.
Ein Blick nach vorn
Wenn alles nach Plan läuft, soll ab 2026 weitergebaut werden. 2029 könnte der Elbtower – dann 199 Meter hoch – eröffnet werden. Im besten Fall beherbergt er dann ein modernes Museum, das Wissen über Artenvielfalt vermittelt und Besucherinnen und Besucher aus aller Welt anzieht.
Doch bis dahin bleibt viel Unsicherheit. Der Baugrund muss stabilisiert, die Finanzierung abgesichert, das Vertrauen wiederhergestellt werden. Und selbst wenn der Elbtower fertig wird, wird er wohl nie das werden, was er einmal sein sollte: ein Symbol des Aufbruchs.
Einschätzung
Der Elbtower zeigt exemplarisch, wie riskant städtische Großprojekte sein können, wenn Politik, Investoren und Technik nicht im Gleichschritt arbeiten. Hamburg sucht nach einer Lösung, die Gesicht wahrt und finanziell vertretbar bleibt. Der Teilkauf könnte eine pragmatische Option sein – wenn es gelingt, die technischen Probleme dauerhaft zu lösen.
Noch aber steht der Turm wie ein Fragezeichen in Beton gegossen. Und es ist unklar, ob er je das halten kann, was seine Planer*innen einst versprochen haben.
(mit Material der dpa)
Ein Beitrag von: