Verkehrsinfrastruktur sanieren 08.04.2025, 13:00 Uhr

Ausgezeichnete Technik: Tunnelumbau im Zugbetrieb

Das Tunnel Enlargement System der Herrenknecht AG erneuert bestehende Bahntunnel bei laufendem Betrieb, ohne deren Funktion zu beeinträchtigen.

Tunnelerweiterung im laufenden Betrieb

Das TES von Herrenknecht erlaubt eine Tunnelerweiterung bei laufendem Bahnbetrieb.

Foto: Herrenknecht AG

Der Erhalt und die Modernisierung bestehender Bahninfrastruktur zählt zu den größten Herausforderungen im europäischen Schienennetz. Besonders betroffen sind historische Eisenbahntunnel, die zwischen 1850 und 1910 gebaut wurden. Rund 800 solcher Bauwerke sind allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz noch in Betrieb. Doch sie genügen oft nicht mehr den heutigen Anforderungen: Die Tunnelprofile sind zu eng für moderne Züge, Sicherheitsstandards müssen angehoben werden, die Elektrifizierung der Strecken schreitet voran.

Ein System, das diesen Anforderungen begegnet, wurde nun mit dem bauma Innovationspreis 2025 ausgezeichnet: Das Tunnel Enlargement System (TES) der Herrenknecht AG. Es ermöglicht es erstmals, Bahntunnel grundlegend zu erneuern, ohne den laufenden Zugverkehr einzustellen.

Tunnelbau unter Verkehr – eine Lösung für die Zukunft

Bei der feierlichen Eröffnung der bauma 2025 in München lobte die Jury das TES in der Kategorie „Maschinentechnik“. Johann Sailer, geschäftsführender Gesellschafter von GEDA, formulierte es so: „Diese Technik ermöglicht, alle Eisenbahntunnel sicher zu sanieren und auszuweiten – bei laufendem Bahnbetrieb.“

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Diese Fähigkeit war bisher keine Selbstverständlichkeit. Tunnelarbeiten bedeuteten häufig Vollsperrungen, aufwendige Umleitungen oder jahrelange Verzögerungen im Bauverlauf. Mit dem TES steht nun ein Verfahren zur Verfügung, das Altbauten sanieren und zugleich modernisieren kann – wirtschaftlich und nachhaltig.

Wie funktioniert das TES?

Zunächst wird im bestehenden Tunnel eines der Gleise entfernt. Stattdessen wird mittig ein neues Gleis verlegt, über das der Bahnbetrieb auch während der Bauarbeiten weiterläuft. Die Maschine selbst bewegt sich schrittweise entlang des Tunnels – auf Hilfsschienen montiert und in mehrere Sektionen gegliedert.

Das TES besteht aus drei Hauptteilen:

  1. Vorderer Maschinenteil: Er schützt die Tunnelstruktur sowie das Betriebsgleis vor Einsturzgefahren und herabfallendem Gestein. Zudem ist hier die Entstaubungs- und Belüftungstechnik untergebracht.
  2. Mittelteil: Hier sitzen die Kernkomponenten für den Aushub und die Sicherung. Dazu zählen Teleskopbohrgeräte, ein hydraulischer Schlaghammer und ein Spritzbetonmanipulator.
  3. Hinterer Maschinenteil: Er enthält die Versorgungs- und Steuerungstechnik – darunter Energieversorgung, Druckluftsysteme, Elektrik und Materiallager.

Sicher und platzsparend

Ein wesentliches Element des Systems ist die Schutzeinhausung. Sie trennt die Bauarbeiten vollständig vom laufenden Zugverkehr. So können Arbeiterinnen und Arbeiter gefahrlos im Tunnel agieren, während auf dem mittig geführten Gleis Züge passieren. Zudem sind ergonomisch gestaltete Arbeitsbühnen integriert, die einen sicheren Zugang zur Tunnelwand und zur Tunnelbrust ermöglichen.

Die eigentlichen Bauarbeiten erfolgen in Etappen: Zunächst wird das vorhandene Mauerwerk entfernt. Dann erfolgt der Ausbruch des angrenzenden Gesteins. Je nach Beschaffenheit kommen Meißel oder kontrollierte Sprengungen zum Einsatz. Das herausgelöste Material fällt auf die Tunnelsohle und wird durch Förder- und Ladegeräte abtransportiert.

Direkt im Anschluss sichert ein Spritzbetonroboter das freigelegte Profil. Zusätzlich kommen Anker, Stahlgitterbögen und Bewehrungsmatten zum Einsatz. So entsteht eine temporäre Auskleidung, die später durch Ortbeton ersetzt wird.

Praxisbeispiel Lahntalbahn

Seit Januar 2024 sind zwei TES-Einheiten auf der Lahntalbahn im Einsatz. Diese verbindet Koblenz mit Wetzlar. Dort werden zwei über 160 Jahre alte Tunnel bei laufendem Betrieb saniert: der 426 Meter lange Fachinger Tunnel und der 732 Meter lange Cramberger Tunnel.

Beide Tunnel erhalten einen erweiterten Querschnitt – konkret wird der Radius um rund zwei Meter vergrößert. Damit erreichen sie Maße, wie sie bei Neubauten Standard sind. Der Einbau erfolgt auf festen Fundamenten und speziellen Schienen. Das System, rund 46 Meter lang und 270 Tonnen schwer, hat einen Durchmesser von etwa zwölf Metern.

Dr.-Ing. Ulf Kirsten von PORR, verantwortlich für die Maschinentechnik, sagte dazu:
„Die PORR hat mit dem TES den ersten Tunnel erfolgreich erweitert und wir freuen uns sehr, dass dies nun mit dem Innovationspreis gekrönt wurde.“

Die Projektdaten in Kürze:

  • Bauherr: DB InfraGO AG
  • Durchmesser TES: 12.060 mm
  • Bohrlänge: Fachinger Tunnel: 426 m, Cramberger Tunnel: 732 m
  • Gesteinsart: Tonschiefer
  • Auftraggeber: ARGE mit PORR, Feldhaus Bergbau und Heinz Schnorpfeil Bau

Mehr als ein Pilotprojekt

Die Erfahrung aus früheren Anwendungen floss in die Entwicklung der Maschinen ein. So wurde das System bereits im Gaintxurizketa-Tunnel im spanischen Baskenland eingesetzt. Dort diente es der Ertüchtigung eines 558 Meter langen Tunnels zwischen Astigarraga und Irun – ebenfalls ohne Unterbrechung des Verkehrs. Das Projekt ist Teil des geplanten Atlantikkorridors, der Frankreich und Spanien miteinander verbinden soll.

Auch in Zukunft könnten viele weitere Tunnel von dieser Technologie profitieren. In den kommenden Jahrzehnten stehen zahlreiche Infrastrukturerneuerungen an. Das TES erlaubt es, sie mit minimalen Eingriffen in den laufenden Betrieb durchzuführen – ohne neue Trassenführung, ohne Planänderungsverfahren und mit geringeren Auswirkungen auf Umwelt und Bevölkerung.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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