Wohnen im Fernsehturm? Lösungen für den Telemoritz gesucht
Hannovers Fernsehturm Telemoritz soll wiederbelebt werden. Architektur-Studierende der HAWK haben Entwürfe entwickelt, wie aus dem denkmalgeschützten Turm moderner Wohnraum entstehen könnte – mitten in der Innenstadt.
Der ehemalige Fernsehturm "Telemoritz" (auch "VW-Tower") steht an der Raschplatzhochstraße in Hannover. Der im Jahr 1959 gebaute und 141 Meter hohe Turm ist seit 2024 in Besitz eines Investors, der gerade Nutzungsideen sammelt - zum Beispiel als Wohngebäude.
Foto: picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte
Der Telemoritz ist eines der Wahrzeichen Hannovers. Jahrzehntelang diente der 141 Meter hohe Turm als Sendestation für Funk und Fernsehen. Dann wurde er stillgelegt – ein grauer Riese mitten in der Stadt, ohne neue Aufgabe. Nun gibt es Bewegung: Masterstudierende der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst haben Entwürfe vorgelegt, wie sich der Fernsehturm in ein Wohngebäude verwandeln ließe. Die Idee: Leben, Arbeiten und Begegnen in luftiger Höhe – mitten in Hannover.
Investor Oliver Blume, der den Turm 2024 für den symbolischen Preis von einem Euro von VW Nutzfahrzeuge gekauft hat, möchte den Telemoritz wiederbeleben. Seine Vision: ein Wohnkomplex mit öffentlich zugänglichen Bereichen, etwa einer Aussichtsplattform oder einem Restaurant in den oberen Etagen. Für die Studierenden war das eine willkommene Herausforderung – architektonisch, technisch und städtebaulich.
Denkmal trifft Wohnvision
Seit 2024 steht der Turm unter Denkmalschutz. Ihn zu erhalten und gleichzeitig mit neuem Leben zu füllen, sei aus vielen Gründen sinnvoll, erklärt Prof. Dr.-Ing. Till Böttger von der HAWK-Fakultät Bauen und Erhalten. Er betreute das Projekt gemeinsam mit Xhesika Osmani. „Wir wollen verhindern, dass Gebäude abgerissen werden müssen, weil enorm viel graue Energie in diesen Baukörpern steckt.“
Mit „grauer Energie“ ist die gesamte Energie gemeint, die in Bauwerken gebunden ist – von der Herstellung der Baustoffe über den Transport bis hin zum Bau selbst. Wird ein Gebäude abgerissen, geht diese Energie verloren. „Und andererseits gehört der Telemoritz einfach zur Identität der Stadt Hannover“, sagt Böttger.

Das Konzept von Nina Stolberg (links) und Laura Matula beinhaltet einen unterirdischen Zugang für Besucher*innen.
Foto: HAWK
Vom Rund zum Eckigen – ein schwieriger Entwurf
Ein Fernsehturm als Wohngebäude – das klingt futuristisch, und ist technisch hochkomplex. Für viele Studierende war es die erste Erfahrung mit einem runden Baukörper. „Der Austausch mit dem Investor war für die Studierenden sehr interessant“, betont Böttger. Durch die realen Rahmenbedingungen sei das Projekt greifbar geworden.
Studentin Amelie Wenzel beschreibt es so: „Wir konnten das Projekt auf einer ganz anderen Ebene angehen, weil es so praxisnah war.“ Gemeinsam mit Kommilitonin Fatme Mraiache entwickelte sie den Entwurf „Ein Pokal für Hannover“. Das Ziel: den charakteristischen Turmcharakter erhalten und gleichzeitig modernen Wohnraum schaffen. Durch Zwischenebenen entstanden 154 kleine Wohnungen – kompakt, aber funktional. Eine schlanke Hülle verleiht dem Bau eine elegante Form, die an den ursprünglichen Turm erinnert.

Juliana Torres und Yaren Kilic versahen den Fernsehturm mit 3 „Armen“ in denen 117 Appartements Platz finden sollen.
Foto: HAWK
Ein Turm, viele Ideen
Andere Teams gingen das Projekt ganz anders an. Nina Stolberg und Laura Matula etwa entschieden sich mit „Box Tower – Rundum vollendet“ für eine teils modulare Lösung. Sie ummantelten den Turm im oberen Bereich mit unterschiedlichen Wohngeschossen, ohne seine Grundstruktur zu verstecken. „Wir wollten kein neues Gebäude daraus machen, sondern den Bestand aufgreifen und verändern“, erklären sie.
Eine Besonderheit ihres Entwurfs: der Zugang. Neben dem bestehenden Eingang planten sie ein zusätzliches rundes Nebengebäude, das Besucher*innen unterirdisch zum Turm führt. Über diesen Weg sollen öffentliche Bereiche wie Restaurant und Aussichtsplattform erreichbar sein – getrennt von den privaten Wohnetagen.
Juliana Torres und Yaren Kilic wiederum ergänzten den Telemoritz um drei geschwungene „Arme“, die sich vom Turm aus in verschiedene Richtungen erstrecken. In diesen organisch geformten Erweiterungen sollen Appartements entstehen. Damit das Areal offen bleibt, sehen sie großzügige Durchgänge im Erdgeschoss vor. „Zusätzlich wollen wir im Erdgeschoss Gewerbeeinheiten schaffen, um den Ort zu beleben“, erklärt Torres.

Fatme Mraiache (links) und Amelie Wenzel gaben dem Telemoritz in ihrem Entwurf eine schlanke Hülle, um den Turmcharakter beizubehalten.
Foto: HAWK
Wohnen in der Vertikalen
Was alle Entwürfe verbindet, ist die Suche nach einem Gleichgewicht zwischen Wohnraum und öffentlicher Nutzung. „Was alle Entwürfe gemeinsam haben, ist, dass sie versuchen, möglichst viele Wohnungen zu schaffen“, fasst Böttger zusammen. Der Wohnraum sei ein zentraler Teil des Finanzierungsmodells, aber auch eine Antwort auf den wachsenden Bedarf an innerstädtischem Wohnen.
Gleichzeitig bleibt der Turm ein öffentlicher Ort – mit Terrassen, Veranstaltungsflächen und Aussichtsebenen. Besonders spannend fanden die Lehrenden, wie die Studierenden das Verhältnis zwischen Rundem und Eckigem lösten. „Eine runde Grundform ist für die Möblierung von Wohnungen zunächst einmal ungewöhnlich“, so Böttger. Manche Teams hätten es geschafft, die Räume zu „stapeln“ und um den Turm zu führen, andere hätten klare, kantige Strukturen hinzugefügt. „Und das war eigentlich für mich das Erstaunliche, dass beide Ansätze so gut funktioniert haben.“
Zukunft offen, Erfahrung gewonnen
Für Investor Blume sind die Entwürfe mehr als nur Studienarbeiten. „Die neun Konzepte bieten wertvolle Anregungen“, sagt er. Ob sich einzelne Ideen in der Realität umsetzen lassen, hängt jedoch von vielen Faktoren ab. Vor allem das Baurecht müsste angepasst werden, um den Fernsehturm in Wohnraum zu verwandeln.
Fest steht: Für die Studierenden war das Projekt eine wertvolle Erfahrung. Sie haben gelernt, wie schwierig, aber auch spannend es ist, mit denkmalgeschützten Gebäuden umzugehen. „Das, was ich am meisten mitnehme, ist, dass man sich oft auch ruhig trauen darf und sich dann auch darauf verlassen kann, dass gemeinschaftlich etwas Gutes dabei herauskommt“, sagt Böttger.
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