Karrierebremse Frau: EY-Studie zeigt massive Unterschiede in Top-Positionen
EY-Studie zeigt: Managerinnen fühlen sich seltener anerkannt, schlechter bezahlt und haben geringere Aufstiegschancen. Wo Unternehmen jetzt handeln müssen.
Team von Geschäftspartnern schaut aus dem Fenster.
Foto: PantherMedia / GaudiLab
Während nur 39 % der Frauen in leitenden Positionen angeben, dass sie mit ihrem Job zufrieden sind, ist es bei ihren männlichen Kollegen fast jeder zweite Befragte (46 %). Geht es um die Wertschätzung der Arbeit, klafft sogar eine noch deutlichere Lücke zwischen den Geschlechtern. Das hat eine Studie der Unternehmensberatung EY ergeben.
Inhaltsverzeichnis
Anerkennung und Motivation
So geben 72 % der Managerinnen an, Anerkennung für die eigene Arbeit zu bekommen. Der Anteil bei den Managern ist mit 82 % höher. Auch wenn es um die Motivation am Arbeitsplatz geht, liegen die Männer (87 %) in Top-Positionen vor ihren Kolleginnen (82 %).
Zudem sind Managerinnen besonders oft der Meinung, dass sie für die Arbeit, die sie leisten, nicht angemessen entlohnt werden: 62 % der Frauen in Top-Positionen sagen, dass sie mehr verdienen sollten, bei den Männern sind es 56 %. Insgesamt, also unabhängig von der jeweiligen Position, halten mehr als sechs von zehn Angestellten (62 %) in Deutschland das Gehaltsgefüge bei ihrem Arbeitgeber für fair.
Frauen halten Lohnstruktur häufiger für ungerecht
Frauen halten die Lohnstruktur in ihrem Unternehmen allerdings deutlich häufiger für ungerecht: 43 % sind dieser Ansicht, bei den Männern liegt der Anteil nur bei 35 %. Ähnlich ist das Verhältnis bei Führungskräften: Knapp ein Drittel der Managerinnen (32 %) bewertet das Gehaltsgefüge im eigenen Unternehmen als nicht fair – bei ihren männlichen Kollegen ist es nur jeder Vierte (25 %).
Unterschiedlich bewerten Managerinnen und Manager in der EY-Umfrage nicht nur die Gehaltsstruktur, sondern auch die Karrierechancen: Drei von vier Managern (75 %) bewerten die Chancengleichheit in puncto Karriere als gut bis sehr gut, bei ihren Kolleginnen liegt der Anteil nur bei 56 %. 17 % der weiblichen Führungskräfte sehen sich mittelfristig auf einer neuen Position in einem anderen Unternehmen, bei den Managern sind es 14 %. Insgesamt sind es bei den weiblichen Befragten 19 %, bei den männlichen 15 %.
Fehlende Anerkennung
Jan-Rainer Hinz, Mitglied der Geschäftsführung, Leiter Personal und Unternehmenskultur bei EY: „Dass Frauen in Führungspositionen seltener Anerkennung erhalten, häufig unzufriedener und entsprechend weniger motiviert sind, sollte zu denken geben. Gesellschaftlich, aber auch aus Sicht der Unternehmen.
Die Frage ist, woher diese Unzufriedenheit kommt und was Arbeitgeber dagegen tun können. Denn es besteht offensichtlich Handlungsbedarf, was sich auch am höheren Anteil der weiblichen Beschäftigten zeigt, die es zu einem neuen Arbeitgeber zieht. Zum einen, weil wechselwillige Angestellte weniger motiviert sind. Zum anderen, weil es mit hohem Aufwand und Kosten verbunden ist, adäquaten Ersatz für Führungskräfte zu finden.“
Arbeitsbelastung hat deutlich zugenommen – bei Frauen stärker als bei Männern
Die deutliche Mehrheit aller Befragten (60 %) gibt zudem an, dass die Arbeitsbelastung in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Bei den Managerinnen liegt der Anteil sogar bei 67 % – bei ihren männlichen Kollegen bei 64 %. Besonders groß ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern beim Anteil derer, die eine starke Zunahme der Arbeitsbelastung sehen: Bei Frauen im Management liegt der Anteil bei 31 %, bei den Männern ist er mit 22 % deutlich niedriger.
Einer der möglichen Gründe: die zusätzlichen Aufgaben zum Job, die das Stresslevel dort erhöhen können. Ein Beispiel: Frauen leisten noch immer den Löwenanteil bei der sogenannten „Care-Arbeit“ – auch, wenn sie gleichzeitig eine Tätigkeit im Managementbereich haben: 34 % der Frauen in leitenden Positionen sagen, dass sie sich neben ihrer Arbeit auch mehr um Haushalt, Erziehung und Betreuung der Kinder oder anderer Angehörigen kümmern als ihr Partner oder ihre Partnerin. Bei den Männern sind es nur 16 %, die diese Aussage treffen. In gerade einmal jedem dritten Haushalt mit Befragten aus dem Bereich Management (33 %) ist die Care-Arbeit insgesamt gleich verteilt.
Thema Care-Arbeit gewinnt Sichtbarkeit
Nicole Dietl, Partnerin Assurance und Talent Leaderin bei EY: „Das Thema Care-Arbeit hat in den vergangenen Jahren in der öffentlichen Wahrnehmung enorm an Bedeutung und Sichtbarkeit gewonnen, es hat enormes gesellschaftliches Gewicht bekommen. An der Grundproblematik hat sich aber bedauerlicherweise wenig geändert: Diese Arbeit wird überwiegend von Frauen geleistet – oftmals zusätzlich zur fordernden beruflichen Tätigkeit, was sehr viel Energie kostet.
Arbeitgeber sollten nicht unterschätzen, dass hier schon kleine Maßnahmen große Wirkungen erzielen können. So haben sich flexible Arbeitszeitmodelle und Homeoffice-Möglichkeiten bewährt, um engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, Privat- und Berufsleben besser zu vereinbaren – und zwar ohne dass die Arbeitsleistung darunter leidet.“
Schwangerschaft als Karrierebremse
Viele Frauen leisten im familiären Kontext oft deutlich mehr Arbeit als Männer – hinzu kommt, dass die Gründung einer Familie, eine Schwangerschaft, oftmals eine deutliche Verschlechterung der Karrierechancen bedeutet: Fast vier von zehn Frauen, die schon einmal schwanger waren, sagen, dass ihre Schwangerschaft ihre Karriere negativ beeinflusst habe.
Im öffentlichen Dienst liegt der Anteil laut EY bei 31 %, in der freien Wirtschaft hingegen bei 43 %. 40 % aller berufstätigen Frauen sind laut EY der Meinung, dass eine Schwangerschaft generell die Karrierechancen von Frauen negativ beeinflusst, bei den Männern liegt der Anteil nur bei 33 %.
Männer setzen Karrierechance positiver ein
Männer schätzen die Karrierechancen von Frauen deutlich positiver ein als die Frauen selbst: 67 % der Männer, aber nur 51 % der Frauen sind der Meinung, dass es um die Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen im eigenen Unternehmen gut bestellt sei. Ausdrücklich als schlecht bezeichnen 15 % der Frauen und nur 5 % der Männer die Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern.
Auch unter den Führungskräften der Unternehmen gehen die Meinungen bei diesem Thema deutlich auseinander: So loben 75 % der Manager das eigene Unternehmen, während nur 56 % der weiblichen Führungskräfte eine echte Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen in Bezug auf Karriere, Bezahlung und interessante Projekte sehen.
„Die Erfahrungen von Frauen auf dem Weg nach oben unterscheiden sich offensichtlich deutlich von denen der Männer“, sagt Dietl. „Während die große Mehrheit der männlichen Führungskräfte gute Aufstiegschancen für Frauen sehen, sind die Frauen selbst deutlich skeptischer. Das Problem: Das Top-Management der meisten Unternehmen besteht immer noch überwiegend aus Männern. Wenn da kein Problembewusstsein besteht, stehen die Chancen schlecht, dass es zukünftig für Frauen leichter wird, im Unternehmen aufzusteigen.“
Für die EY-Jobstudie wurden 1555 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland befragt.
Ein Beitrag von: