Studie 23.09.2024, 10:03 Uhr

Ressourcen nutzen: So bleiben Ältere länger im Job

Der demografische Wandel wird die Zahl der 55- bis 70-Jährigen in Deutschland bis 2035 deutlich senken, während die Zahl der nicht erwerbstätigen Älteren gleich bleibt. Um das Potenzial älterer Arbeitnehmer besser zu nutzen, sind gezielte Maßnahmen nötig, wobei Schweden als positives Beispiel dient.

Ältere Mitarbeitende

Erfahrung zählt: Ältere als wertvolle Arbeitskräfte.

Foto: PantherMedia / Dmyrto_Z

Der demografische Wandel wird die Anzahl der 55- bis 70-Jährigen in den kommenden Jahren deutlich verringern. Statt 18,5 Millionen im Jahr 2020 wird es 2035 nur noch etwa 17 Millionen sein. Die Zahl der Menschen, die aus Gründen wie Rente, Krankheit oder Arbeitslosigkeit nicht erwerbstätig sind, bleibt hingegen konstant bei rund 8 Millionen. Der Rückgang betrifft ausschließlich die Erwerbstätigen in dieser Altersgruppe, deren Zahl um 1,5 Millionen bzw. 14,3 % auf knapp 9 Millionen sinkt.

„Das ist eine paradoxe Situation“, kommentiert Eric Thode, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung. „Angesichts des Fachkräftemangels sind wir mehr denn je auf die Arbeitskraft und Erfahrung Älterer angewiesen, doch der Anteil derjenigen, die sich früh aus dem Erwerbsleben zurückziehen, wird immer größer.“

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Beschäftigungspotenziale älterer Menschen nutzen

Deshalb ist es umso wichtiger, effektive Maßnahmen zu ergreifen, um die Beschäftigungspotenziale älterer Menschen zu nutzen. Ein Blick auf Schweden bietet wertvolle Orientierung für eine realistische Einschätzung dieser Potenziale. Dort gelingt es seit langem, älteren Menschen bessere Beschäftigungschancen zu bieten und sie länger im Berufsleben zu halten. Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin haben verschiedene Szenarien für Deutschland entwickelt, bei denen zentrale Merkmale des schwedischen Arbeitsmarkts für Ältere auf Deutschland übertragen werden. Dabei haben sie auch die Gründe berücksichtigt, warum viele ältere Menschen nicht oder nur in geringem Umfang erwerbstätig sind.

Einer Studie zufolge können durch umfassende Maßnahmen bis 2035 rund 1,36 Millionen Vollzeitarbeitskräfte unter den 55- bis 70-Jährigen gewonnen werden, was etwa 1,5 Millionen älteren Personen entspricht, wie Eric Thode von der Bertelsmann Stiftung berichtet. Um ältere Menschen dazu zu bewegen, länger zu arbeiten, ihre berufliche Tätigkeit auszudehnen oder sogar aus dem Ruhestand zurückzukehren, seien vielfältige Schritte und Veränderungen notwendig. Dazu zählten finanzielle Anreize, Anpassungen im Arbeitsrecht, die Schaffung altersgerechter Arbeitsplätze sowie der Ausbau von Gesundheitsvorsorge, Pflege- und Betreuungsangeboten.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht in einer aktuellen Modellrechnung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung davon aus, dass die Zahl der Erwerbstätigen in der Altersgruppe der 55- bis 70-Jährigen bis 2035 aufgrund des demografischen Wandels um etwa 1,5 Millionen sinken wird, sodass noch knapp 9 Millionen Erwerbstätige verbleiben. Dieses Schrumpfen könne jedoch ausgeglichen werden, wenn es Wirtschaft und Politik gelinge, ältere Arbeitnehmer mit gezielten Angeboten anzusprechen. Dafür müssten unter anderem steuerliche und rechtliche Rahmenbedingungen angepasst werden, erklärte Thode der Deutschen Presse-Agentur.

„Für unterschiedliche Berufsgruppen braucht man natürlich auch unterschiedliche Maßnahmen“, sagte Thode.

Beispiel Schweden

Konkrete Beispiele zeigen, wie ältere Arbeitnehmer entlastet werden können: Ein langjähriger Produktionsmitarbeiter könnte im Alter eine weniger körperlich anstrengende Aufgabe im Betrieb übernehmen. Ein erfahrener Dachdecker wechselt ins Büro und kümmert sich dort um die Materialbeschaffung. Älteren Pflegekräften stehen technische Hilfsmittel wie Hebelifte zur Verfügung, um Patienten schonender aus dem Bett zu heben.

Das Land braucht die Arbeitskraft und Erfahrung der Älteren. Das DIW orientierte sich in seiner Simulation an Schweden, wo ältere Menschen häufiger arbeiten und gleichzeitig eine hohe Lebenszufriedenheit genießen.

Etwa 6,1 Millionen Menschen in dieser Altersgruppe erhalten eine Alters- oder Erwerbsminderungsrente. Drei Viertel der Altersrentner ab 65 Jahren geben an, keine gesundheitlichen Einschränkungen zu haben. „Für sie wären finanzielle Anreize und passgenaue Arbeitsangebote geeignete Maßnahmen.“

In Deutschland arbeiten derzeit 3,6 Millionen Menschen zwischen 55 und 70 Jahren in Teilzeit, im Schnitt 20,3 Stunden pro Woche. Viele von ihnen könnten motiviert werden, ihre Arbeitszeit zu erhöhen, bis hin zu Vollzeit, wenn die Angebote stimmen und sie von Betreuungs- und Pflegeaufgaben entlastet würden. DIW und die Stiftung sehen zudem großes Potenzial bei Älteren, die nicht mehr arbeiten, aber noch keine Rente beziehen und ihren Lebensunterhalt anderweitig sichern.

Anpassungen in der Steuer- und Sozialpolitik sowie im Arbeitsrecht notwendig

Um das ungenutzte Beschäftigungspotenzial älterer Menschen zu erschließen, sollten Barrieren abgebaut und ihre Arbeit stärker wertgeschätzt werden. Weiterbildung spiele eine zentrale Rolle und müsse von der Politik sichergestellt werden. Zudem seien Anpassungen in der Steuer- und Sozialpolitik sowie im Arbeitsrecht notwendig, heißt es in der Untersuchung. Thode betonte, dass nicht alle älteren Menschen gesundheitlich in der Lage seien zu arbeiten, weshalb frühzeitige Gesundheitsförderung von entscheidender Bedeutung sei.

Für das IAB erklärte Vizedirektor Ulrich Walwei: „Es gibt ein Können, ein Wollen und ein Dürfen.“ Beim „Dürfen“ müsse man laut Walwei die Rahmenbedingungen überdenken, wie etwa Tarifverträge, betriebliche Vereinbarungen und Einzelverträge. Beim „Können“ spiele Prävention, insbesondere in den Bereichen Bildung und Gesundheit, eine entscheidende Rolle für die längere Beschäftigungsfähigkeit. „Unsere Analysen zeigen: Wer über formale Qualifikation und lebenslanges Lernen auch im Alter mit seinen Kompetenzen gut aufgestellt ist, ist auch eher in der Lage, länger erwerbstätig zu sein.“ Eine wichtige Voraussetzung dafür seien körperliche, mentale und psychische Fitness, wofür sowohl Staat und Wirtschaft als auch jeder Einzelne Verantwortung trügen.

Beim „Wollen“ stehe laut Walwei vor allem die persönliche Motivation im Vordergrund. „Da geht es auch um die Vergütung, also inwieweit lasse ich mir meine Zeit abkaufen – und die Frage, ob das Potenzial wertgeschätzt wird und man altersgemäß und nach seinen Kompetenzen eingesetzt wird.“ Wichtig sei, dass es möglichst keine längeren Unterbrechungen im Berufsleben gebe. Wenn Menschen beispielsweise durch Altersteilzeit oder Frühverrentung frühzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden, sei es schwer, sie nach einer Pause wieder für den Arbeitsmarkt zu gewinnen. Die Anreize, die die Ampelregierung derzeit plane, könnten dabei hilfreich sein.

Rentenaufschubprämie geplant?

Die Ampel-Koalition plant unter anderem eine neue Prämie für Personen, die über das reguläre Rentenalter hinaus arbeiten möchten. Zwar steigern Beschäftigte, die nach dem Renteneintrittsalter weiter arbeiten, bereits jetzt ihre späteren Rentenzahlungen. Zukünftig soll es jedoch zusätzlich die Option geben, sich diese Ansprüche auf einmal auszahlen zu lassen – in Form einer sogenannten Rentenaufschubprämie.

Die IBA-Modelle deuten rein rechnerisch sogar auf Potenziale hin, die den Umfang von 1,36 Millionen Vollzeitbeschäftigten übertreffen könnten. Walwei äußerte jedoch, dass es schwierig sein werde, solche großen Sprünge in so kurzer Zeit zu erreichen. In seinem aktuellen „IAB Forschungsbericht“ zu älteren Arbeitskräften betonte er, dass hohe oder steigende Erwerbstätigenquoten bei älteren Menschen keinesfalls „Selbstläufer“ sind. Er wies darauf hin, dass es in vielen Bereichen einen langen Atem erfordere, jedoch sei Nichtstun keine Option.
„Wenn Politik und Wirtschaft an einem Strang ziehen, können 1,36 Millionen Ältere in Zukunft zusätzlich für den Arbeitsmarkt aktiviert werden und den demografisch bedingten Rückgang nahezu ausgleichen“, erklärtAndré Schleiter, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung.

Im Vergleich dazu hätte die geplante Abschaffung der abschlagsfreien Rente für langjährig Versicherte („Rente mit 63“) nur einen geringen Einfluss auf die Beschäftigung.

„Die Simulation bis zum Jahr 2035 zeigt, dass die Abschaffung der ‚Rente mit 63‘ nur etwas mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer:innen bewegen würde, die Rente hinauszuschieben, und das im Schnitt auch nur um wenige Monate“, sagt Thode.

Studie „Beschäftigungspotenziale Älterer – Umfang und Realisierungschancen bis 2035“

Die Studie „Beschäftigungspotenziale Älterer – Umfang und Realisierungschancen bis 2035“ wurde von Hermann Buslei, Dr. Johannes Geyer und Prof. Dr. Peter Haan am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellt. Sie zeigt auf der Grundlage des Mikrozensus und des Sozio-oekonomischen Panels, wie sich das Beschäftigungspotenzial älterer Menschen bis 2035 voraussichtlich entwickeln wird. Dabei werden bestehende Hemmnisse und förderliche Faktoren für die Erhöhung der Erwerbstätigkeit in verschiedenen Potenzialgruppen untersucht. Auf dieser Basis entwickeln die Forscher mit dem Simulationsmodell PenPro Szenarien, die auf dem schwedischen Modell basieren, um aufzuzeigen, in welchem Umfang ungenutzte Beschäftigungspotenziale durch Reformen in Politik und Wirtschaft aktiviert werden können. (mit dpa)

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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