KI-Boom in Deutschland – nur die Wunschprodukte fehlen
Die Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) hat in Deutschland laut Branchenverband Bitkom in den vergangenen Monaten rasant zugenommen. Inzwischen verwenden zwei Drittel (67 %) der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger ab 16 Jahren zumindest hin und wieder generative KI wie ChatGPT, Microsoft Copilot oder Google Gemini. Im vergangenen Sommer waren es erst 40 %. Die Herkunft der KI ist entscheidend.

KI im Job findet die Mehrheit zwar ganz gut, aber 43 % der Befragten wollen sie nicht.
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Zugleich gibt es eine weit verbreitete Sorge vor einer zu großen Abhängigkeit von ausländischen KI-Anbietern. So sagen 68 %, dass Deutschland im Bereich KI von den USA und China zu stark abhängig ist. 60 % wollen, dass Deutschland unabhängiger von US-amerikanischen KI-Unternehmen wird. Und 53 % fordern, dass die neue Bundesregierung KI zum Schwerpunkt ihrer Wirtschaftspolitik macht, unter anderem sollte die Regulierung von KI gelockert werden, damit Deutschland wettbewerbsfähiger wird (56 %). Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von 1005 Personen ab 16 Jahren in Deutschland im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. „Noch nie hat sich eine neue Technologie so schnell verbreitet wie künstliche Intelligenz. KI hat Deutschland im Sturm erobert und wurde von den Menschen in der Breite der Gesellschaft angenommen“, sagt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst.
Künstliche Intelligenz soll Schwerpunkt der Wirtschaftspolitik werden
Wintergerst sagte: „Umso wichtiger ist, dass wir bei KI nicht in neue digitale Abhängigkeiten rutschen. Wir müssen jetzt schnell die Voraussetzungen für eine souveräne deutsche und europäische KI- Industrie schaffen.“ 53 % der Befragten fordern, dass die neue Bundesregierung KI zum Schwerpunkt ihrer Wirtschaftspolitik macht, unter anderem sollte die Regulierung von KI gelockert werden, damit Deutschland wettbewerbsfähiger wird (56 %). Bitkom schlägt dazu unter anderem die Fortschreibung der nationalen KI-Strategie vor, ergänzt um eine KI-Anwendungsstrategie, die messbare Ziele enthält. Mindestens 10 Mrd. € aus dem Sondervermögen müssten deshalb in den kommenden fünf Jahren zur Förderung des KI-Standorts bereitgestellt werden.
Bitkom fordert eine KI-Gigafactory
Darüber hinaus seien massive Investitionen in hochleistungsfähige nationale KI-Rechenzentren und eine deutsche AI Gigafactory notwendig, verbunden mit einem leichteren Zugang für Unternehmen und Start-ups. „Es geht bei KI nicht nur um Technologie, es geht mindestens ebenso um die Menschen, die sie entwickeln und einsetzen. Wir müssen KI-Talente fördern und gewinnen“, sagt Wintergerst. Dazu brauche es ein ganzes Bündel an Maßnahmen, von einem Pflichtfach Informatik an Schulen über mehr englischsprachige KI-Studiengänge bis zur Förderung von KI-Weiterbildungsprogrammen für Beschäftigte. Und schließlich plädiert der Bitkom für eine innovationsfreundliche Ausgestaltung des Regulierungsrahmens. „Dabei geht es um neue Regulierungen wie den AI Act, aber auch um die Auslegung der Datenschutz-Grundverordnung mit Blick auf KI-Anwendungen“, so Wintergerst. „Wir dürfen uns im weltweiten Wettbewerb bei KI nicht selbst ein Bein stellen, die Unternehmen brauchen mehr Freiheit für KI-Innovationen.“
Zwei Drittel halten KI für die wichtigste Zukunftstechnologie
Für eine deutliche Mehrheit von 67 % der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger ist KI die wichtigste Zukunftstechnologie (2024: 63 %). 28 % sehen KI dagegen als massiv überschätzt und einen Hype an (2024: 32 %). Zugleich überwiegt bei KI in der Bevölkerung die Chancenperspektive: 20 % sehen KI ausschließlich als Chance, 54 % eher als Chance. Eher eine Gefahr in KI sehen 18 %, ausschließlich eine Gefahr nur 5 %. Geht es nach dem Willen der Menschen, sollte KI in einer Vielzahl von Lebensbereichen genutzt werden. So wünschen sich 82 % KI in der Verwaltung, 81 % in der Cybersicherheit, 79 % im Gesundheitswesen und 78 % im Verkehr. Dahinter folgen eine KI-Nutzung für Umwelt und Nachhaltigkeit (74 %), bei der Polizei (71 %), in der Schule (60 %), im Onlinehandel (58 %), in der Justiz (56 %) sowie bei Banken und Versicherungen (51 %). Keine Mehrheit für die KI- Nutzung gibt es dagegen beim Militär (48 %), in der Politik (46 %), im Sport (41 %), in Rechtsabteilungen (40 %) sowie in Kunst und Kultur (36 %). „KI kann heute schon eine Vielzahl von Aufgaben schnell und effizient erledigen, insbesondere dann, wenn es um große Text- und Datenmengen geht. Angesichts der demografischen Entwicklung, die zu einem Rückgang der erwerbstätigen Bevölkerung führen wird, brauchen wir KI wirklich überall: in Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft“, so Wintergerst. Bei KI geht es um Vertrauen in die Anbieter – und ums Herkunftsland.
Russische KI-Software würde nur 1 % nutzen
Bei der Auswahl einer KI ist für eine deutliche Mehrheit (62 %) das Vertrauen in den Anbieter ein ausschlaggebendes Kriterium, für 48 % zudem sein Herkunftsland. Erst dahinter folgen die Qualität der Ergebnisse (39 %), die einfache Bedienbarkeit (35 %) und die Leistungsfähigkeit wie zum Beispiel die Geschwindigkeit (27 %). Die geringste Rolle spielen die Kosten: Sie ist für lediglich 19 % bei der Anbieterauswahl entscheidend. „Aus Russland würde nur 1 % der Befragten KI nutzen“, so Wintergerst. Entsprechend gibt es einen großen Wunsch nach KI-Angeboten aus Deutschland. Zwei Drittel (69 %) würden einen KI-Anbieter aus Deutschland nutzen, deutlich dahinter folgen Frankreich (49 %), Südkorea und Japan (48 % bzw. 45 %) sowie die übrigen EU-Länder und die USA (jeweils 41 %). Einen KI-Anbieter aus Israel würden 31 % nutzen, aus China 30 %. „Das Angebot, was heute da ist, trifft auf einen Wunsch, der nicht Realität ist“, so Wintergerst mit Blick auf das Angebot aus Deutschland. „Deutschland hat die Chance, zu einer KI-Nation zu werden. Es gilt jetzt, dem Interesse der Menschen entsprechend leistungsstarke, deutsche Angebote gegenüberzustellen“, sagt Wintergerst. In der Praxis dominieren bei generativer KI allerdings die drei großen US-amerikanischen Anbieter. Sie teilen den Großteil des Marktes unter sich auf. So nutzen 43 % der Menschen in Deutschland ChatGPT, 39 % Microsoft Copilot und 28 % Gemini von Google. Weitere 43 % kennen ChatGPT, nutzen es aber nicht, für 43 % gilt das bei Gemini und für 35 % beim Copilot. Andere Dienste sind aktuell weit abgeschlagen. DeepSeek und Claude nutzen jeweils nur 2 %, 9 % kennen sie zumindest. 1 % verwendet Perplexity, 4 % kennen es. Und weniger als 1 % verwendet Grok, gerade einmal 2 % kennen den Dienst, der zu Elon Musks Unternehmen xAI gehört. Andere generative KI-Dienste verwendet 1 %.
Gründe für die Nichtnutzung der künstlichen Intelligenz
Wer KI nicht nutzt, dem fehlen laut Bitkom vor allem Interesse und Vertrauen. Jeweils 77 nennen diese beide Faktoren als Grund, weshalb sie keine generative KI verwenden. Dahinter folgen fehlendes technisches Wissen (64 %) und fehlender Bedarf (48 %). 32 % kennen keine passenden Anwendungen, 16 % fehlt die Zeit und 14 % ist KI zu teuer. Bei denen, die bereits generative KI einsetzen, ist fehlendes Vertrauen mit 33 % der meistgenannte Grund, warum sie KI nicht häufiger verwenden. 30 % kennen keine passenden Anwendungen, 29 % fehlt technisches Wissen, 26 % ist KI zu teuer, 22 % fehlt Zeit, 19 % sehen dafür keine Notwendigkeit und 10 % haben schlicht kein Interesse an einer häufigeren Nutzung. 18 % geben an, dass sie KI bereits häufig verwenden.
Künstliche Intelligenz wird die Gesellschaft spürbar verändern
Rund ein Drittel (32 %) der Deutschen ist der Meinung, dass künstliche Intelligenz unsere Gesellschaft bereits spürbar verändert hat. Weitere 11 % rechnen damit bis zum kommenden Jahr, 24 % in den nächsten zwei bis fünf Jahren. Einen längeren Zeitraum von sechs bis zehn Jahren erwarten 14 %, 16 % rechnen mit mindestens zehn Jahren. Nur jede und jeder Hundertste (1 %) geht davon aus, dass KI die Gesellschaft auch künftig nicht verändern wird. „Wir müssen KI in Deutschland nutzen, wir müssen KI aber vor allem auch gestalten und voranbringen. Bei KI geht es darum, unsere Werte nicht über Bord zu werfen, wir müssen sie in dieser Schlüsseltechnologie
verankern“, so Wintergerst.
43 % lehnen die Unterstützung durch KI bei der Arbeit ab
Sechs von zehn wollen künstliche Intelligenz nutzen, vier von zehn lehnen das ab. Bei der KI-Nutzung im Beruf sind die Erwerbstätigen gespalten. 56 % wünschen sich grundsätzlich, dass sie eine KI bei der Arbeit unterstützt, 43 % lehnen das dagegen ab. Schon heute nimmt KI 17 % der Erwerbstätigen Aufgaben ab, 22 % gehen davon aus, dass das möglich wäre, nutzen aber noch keine KI. Rund ein Viertel (27 %) sieht dafür aktuell noch keine Möglichkeiten, glaubt aber, dass eine KI in Zukunft Aufgaben übernehmen könnte. Und 30 % halten das heute und in Zukunft für ausgeschlossen. „KI hat in jüngster Zeit rasante Fortschritte gemacht hat und kann jetzt zum Beispiel neben Texten, Bildern und Videos auch Softwarecode oder CAD-Anweisungen für die Konstruktion erstellen. Künftig wird KI in durch die Bank allen Berufen eine zumindest unterstützende Rolle einnehmen“, so Wintergerst.
Künstliche Intelligenz als Assistent für Routineaufgaben
KI wird im Job eher als Assistent für Routineaufgaben gesehen, nicht als Experte. Fragt man die Erwerbstätigen nach den Vorteilen von KI am Arbeitsplatz, so dominieren aktuell die klassischen Assistenzfunktionen. 59 % sagen, KI spare Arbeitszeit, für 56 % entstehen so Freiräume für wichtigere Aufgaben und 47 % geben an, dass KI Fehler reduziere. Es wird aber auch die Sorge geäußert, dass man sich zu sehr auf die KI verlasse und Kompetenzen verliere (29 %), die Nutzung zu kompliziert sei (25 %), KI-Einsatz die eigene Arbeit weniger wertvoll mache (24 %) oder sogar den eigenen Arbeitsplatz wegfallen ließe (22 %). Ein Fünftel (21 %) hat Angst, durch KI kontrolliert zu werden.
Oft wird KI im Job ohne des Wissens des Arbeitgebers eingesetzt
Das zeige auch ein Blick auf die Nutzung generativer KI unter den Erwerbstätigen. 74 % nutzen generative KI für private Zwecke, im vergangenen Jahr lag der Anteil erst bei 39 %. Erstmals setzt mehr als jede und jeder Zweite KI auch im Job ein, nicht selten ohne Wissen des Arbeitgebers. So hat sich der Anteil der Erwerbstätigen, die KI im Beruf mit Wissen des Arbeitgebers einsetzen, von 22 % auf 45 % verdoppelt. Ebenfalls verdoppelt hat sich die Zahl derer, die KI ohne Wissen des Arbeitgebers im Job verwenden, von 5 % auf 10 %. „Unternehmen sollten ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern KI zur Verfügung stellen – auch um eine Schatten-KI zu vermeiden, die eine Vielzahl rechtlicher und organisatorischer Probleme mit sich bringen kann“, so Wintergerst. „Dabei geht es nicht nur darum, ein technisches KI-Angebot zu schaffen, sondern auch um ein verbindliches Regelwerk und Schulungen.“
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