Arbeiten nach der Rente: Chancen, Zahlen, Risiken
Ruhestand und Arbeit schließen sich nicht aus – ein Blick auf Beschäftigung nach der Rente, Zahlen, Motive und mögliche Fallstricke.
Beschäftigung im Rentenalter: Ältere Arbeitnehmer*innen bleiben aktiv, Unternehmen profitieren von Erfahrung.
Foto: panthermedia.net/ nyul
Längst ist es keine Ausnahme mehr: Immer mehr Rentnerinnen und Pensionärinnen arbeiten weiter – freiwillig oder weil sie gebraucht werden. In vielen Betrieben und öffentlichen Dienststellen gehören ältere Beschäftigte längst zum Alltag. Das zeigt eine neue Auswertung der Betriebs- und Personalrätebefragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
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Mehr als die Hälfte der knapp 3.700 befragten Betriebs- und Personalräte berichtet, dass in ihren Einrichtungen Menschen tätig sind, die das Renten- oder Pensionsalter bereits erreicht haben. Oft bleibt dabei alles beim Alten: Rund 82,5 % der Ruheständler*innen, die weiterarbeiten, waren schon vor ihrem Rentenbeginn in derselben Einrichtung beschäftigt – und machen meist in ihrer bisherigen Rolle weiter.
Allerdings mit angepasstem Pensum: Viele reduzieren ihre Arbeitszeit deutlich und sind überwiegend in Minijobs tätig.
„Offensichtlich ist also unter den bestehenden Rahmenbedingungen bereits viel möglich und die Beschäftigung dieser Personengruppe folgt auch den Wünschen und Fähigkeiten der Betreffenden und den Einsatzmöglichkeiten in Branchen und Betrieben“, schreiben die Studienautoren Dr. Florian Blank und Dr. Wolfram Brehmer.
Politisch ist das Thema hochaktuell: Die Bundesregierung plant mit der sogenannten „Aktivrente“ steuerliche Anreize und einfachere Befristungsregeln, um Arbeiten im Rentenalter attraktiver zu machen. (Wir haben ausführlich darüber berichtet.) Die Forschenden warnen jedoch, dass diese Regelungen missbraucht werden könnten – etwa, um Löhne zu drücken oder ältere Beschäftigte auszunutzen.
Wer arbeitet im Rentenalter – Zahlen und Fakten
Die WSI-Befragung ist repräsentativ für Betriebe und Dienststellen mit mehr als 20 Beschäftigten und einem Betriebs- oder Personalrat. Die Daten von 2023 zeigen: Rund 55 % der mitbestimmenden Betriebe beschäftigen Menschen, die bereits eine Altersrente oder Pension beziehen. Dabei gibt es kaum Unterschiede zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst. Insgesamt machen Beschäftigte im Rentenalter in diesen Betrieben nur etwa 1,4 % der Belegschaft aus – überdurchschnittlich häufig sind sie jedoch in kleineren Betrieben und in Dienstleistungsbranchen zu finden.
Nach den Gründen für die Weiterbeschäftigung gefragt, gaben 86 % der Befragten an, dass das Wissen und die Erfahrung der Älteren weiterhin im Betrieb gebraucht werde. Knapp 57 % nannten fehlende andere Arbeitskräfte, fast ebenso viele hoben hervor, dass Rentnerinnen und Pensionärinnen flexibel einsetzbar seien. Andere Gründe wie Einarbeitung jüngerer Kolleg*innen oder Kostenersparnis spielten nur eine untergeordnete Rolle.
Außerdem sagten 89 %, dass die Weiterbeschäftigung den Interessen der Rentnerinnen entspreche. Ruheständlerinnen arbeiten dabei am häufigsten in Form von Minijobs – vor allem in der privaten Wirtschaft.
Weiterarbeiten im alten Job – Aufgaben, Rechte und Arbeitszeiten
Ruheständlerinnen, die in ihrem bisherigen Betrieb weiterarbeiten, übernehmen in der Regel auch weiterhin ihre bisherigen Aufgaben. Dabei erhalten sie normalerweise keine Vergünstigungen in Form von weniger belastenden Tätigkeiten oder geringerer Verantwortung. Die Studienautoren weisen darauf hin, dass sie wie jüngere Beschäftigte eingesetzt und behandelt werden.
Im Vergleich zu jüngeren Kolleginnen haben sie allerdings meist eine geringere Wochenarbeitszeit, können ihre Arbeitszeiten flexibler gestalten und müssen keine Nacht- oder Schichtarbeit leisten. Ob die geplante „Aktivrente“ und erleichterte sachgrundlose Befristungen tatsächlich zu einer stärkeren Beschäftigung im Rentenalter führen könnten, lässt sich schwer sagen. Viele Beschäftigte ziehen es vor, frühzeitig in den Ruhestand zu gehen, und zahlreiche Unternehmen bieten ohnehin Möglichkeiten für einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Arbeitsleben an, betonen die Forschenden.
Risiken durch neue Gesetzespläne
Die Forschenden warnen, dass die geplanten Gesetzesänderungen möglicherweise einen „zweiklassigen Arbeitnehmerinnenstatus“ schaffen könnten, bei dem ältere Beschäftigte weniger arbeitsrechtlichen Schutz genießen als ihre jüngeren Kolleginnen. Im schlimmsten Fall könnte die Kombination aus Rente bzw. Pension und Steuererleichterung wie ein Kombilohn wirken.
Damit bestünde die Gefahr, dass Unternehmen quasi subventioniert würden, indem sie ältere Beschäftigte – die durch ihre Rente weniger auf ihr Gehalt angewiesen sind – mit niedrigeren Löhnen abspeisen. Gleichzeitig könnte das den Druck auf die Einkommen der regulär Beschäftigten erhöhen.
Fokus auf gute Arbeit statt auf Subventionen
„Anstelle der geplanten Änderungen, deren Wirkungen völlig unklar sind und die für den Staatshaushalt eine deutliche Belastung darstellen können, sollte der Fokus auf gute Arbeit, auf die Gesundheit der Beschäftigten und auf Anerkennung ihrer Leistungen gelegt werden“, kommentiert Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, die wissenschaftliche Direktorin des WSI. Davon würden alle Beschäftigten profitieren – sowohl jüngere als auch ältere – und gleichzeitig würden Fähigkeit und Bereitschaft steigen, länger zu arbeiten.
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