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Vorbeugender Brandschutz 03.03.2022, 11:00 Uhr

Großbrand in Essen: Was war die Ursache?

Ein Wohnkomplex in der Essener Innenstadt stand lichterloh in Flammen. 39 Wohnungen sind komplett zerstört. Die Bewohner konnten sich retten. Wie konnte es zu dem verheerenden Feuer kommen? Hätte es verhindert werden können?

Beim Brand bei einem Essener Wohnhauskomplex griffen die Flammen vermutlich über die Balkonfassaden auf benachbarte Wohnungen über. Foto: PantherMedia / gemenacom

Beim Brand bei einem Essener Wohnhauskomplex griffen die Flammen vermutlich über die Balkonfassaden auf benachbarte Wohnungen über.

Foto: PantherMedia / gemenacom

Im Essener Westviertel ist in der Nacht zum 21. Februar ein Feuer ausgebrochen und ein ganzer Wohnkomplex abgebrannt. Wie es zu dem Feuer kommen konnte, müssen Ermittler noch herausfinden. Aber klar ist bereits: der Brand, der laut Feuerwehr vermutlich auf einem Balkon begonnen hatte, verbreitete sich rasend schnell. Zeitweise stand das ganze Gebäude lichterloh in Flammen. 39 Wohnungen auf vier Etagen sind komplett ausgebrannt, weitere durch Rauch oder Löschwasser zerstört. Nach Angaben des Wohnkonzerns Vivawest haben rund 100 Menschen ihr Hab und Gut verloren. Die Feuerwehr spricht von einem „noch nie da gewesenen Brand“. Was war die Brandursache?

Dämmstoff als Beschleuniger?

Neben dem starken Wind könnten Fassadenteile wie Sichtschutz aus Plexiglas ein Grund für die schnelle Ausbreitung gewesen sein. Aber auch die Wärmedämmung in der Fassade kann als Brandbeschleuniger gewirkt haben, so NRW-Innenminister Herbert Reul. Auch Donato Muro, Brandschutzingenieur bestätigt: „Auf der einen Seite möchten wir dämmen wegen der Heizkosten. Auf der anderen Seite kann es aber auch einen Kamineffekt geben, wenn es genau zwischen der Dämmung und der Wand brennt.“

Brandvorbeugung durch unbrennbare Dämmstoffe

Unbrennbare Dämmstoffe, wie beispielsweise Mineralwolle, können die Brandgefahr bei Altbauten mit Holzkonstruktionen deutlich reduzieren. Bei Neubauten steht hingegen die Brennbarkeit von Dämmstoffen immer häufiger im Fokus der Betrachtung. Vor allem bei synthetischen Materialien wie Polyurethan oder Polystyrol Hartschaum kritisieren Experten die erhöhte Brandgefahr im Zusammenhang mit Wärmedämmverbundsystemen (WDVS). Die Dachdecker-Innung gibt auf ihrer Webseite eine Norm an, die Baustoffe in Feuerwiderstandsklassen einteilt. In dieser Norm DIN 4102 und DIN EN 13501-2 werden die Anforderungen an das Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen beschrieben, die bei der Gebäudedämmung in jedem Fall zu berücksichtigen sind. Entscheidend für das Brandverhalten von Dämmstoffen sind vor allem die Schichtdicke, der Anteil der organischen Bestandteile in der Putzschicht sowie die konstruktive Ausbildung von Öffnungen oder Einbauten. Unter dem Begriff Mineralwolle fallen zwei Dämmstoffe: Steinwolle und Glaswolle wobei erstere hitzebeständiger ist. Doch auch Polystyrol EPS Hartschaum oder Polyurethan sind nur sehr schwer entflammbar und erfüllen die gesetzlichen Ansprüche, wenn sie fachgerecht angebracht werden. Nach Musterbauordnung § 26 Allgemeine Anforderungen an das Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen dürfen leicht entflammbare Baustoffe grundsätzlich nicht verbaut werden. Es besteht also eine Anforderung an mindestens normal entflammbare Materialien. Neben der Dämmstoffe kann es jedoch auch andere Auslöser des Brandes gegeben haben.

Ursachensuche via „Roboterhund“?

Da Statiker das Gebäude als einsturzgefährdet beurteilten, wurde zur Erkundung der Brandursache ein Roboterhund eingesetzt. Der Roboterhund „Herbie“ mit blau, gelb und silberfarben angemalten Beinen arbeitete sich durch das Erdgeschoss des am Vortag durch einen Großbrand zerstörten Gebäudes in Essen. „Herbie“ machte dort vergleichbar mit einer Drohne Bildaufnahmen, anhand derer die Ermittler herausfinden wollen, was den Großbrand verursachte. Der Roboter war erst vor wenigen Wochen bei einem Termin mit Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, in Duisburg vorgestellt worden und schon folgte die Ernstfall-Premiere. Gesteuert wird der rund 60.000 Euro teure und 35 Kilogramm schwere Roboter mit einem Akku für etwa 90 Minuten von einem Beamten mittels einer Steuereinheit. Sie ähnelt der Bedienung einer Spielekonsole mit Joystick. Die Daten seiner zwölf Kameras werden per Funk in Echtzeit auf Computer übertragen, wo sich die Ermittler „live“ ein genaueres Bild von der Unglücksstelle machen können. Dominic Reese, Stellvertretender Projektleiter des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste erklärt: „Auch wenn da eine Menge Technik drinsteckt, die Steuerung des Roboters selbst ist sehr einfach“ Der Roboter kann problemlos Treppen steigen und Hindernisse überwinden. Sollte er einmal ausrutschen oder hinfallen, kann er sich selbst wieder aufrappeln. Aus den Bauunterlagen des Gebäudes gehen keine Ursachen für den Brand hervor, dazu müssen die Gutachten abgewartet werden. Und vielleicht hilft „Herbie“ die Sache aufzuklären.

Annika Hilse