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Kältemittel Propan 24.10.2022, 11:51 Uhr

Wärmepumpen: Fraunhofer-Projekt mit Effizienzrekord

Geringer Kältemittel-Einsatz, hohe Heizleistung: Im Rahmen des Projekts „LC150“ sucht das Fraunhofer ISE gemeinsam mit Industriepartner nach Möglichkeiten, die Effizienz von Wärmepumpen weiter zu verbessern. Nun erreichten die Forschenden eine neue Bestmarke.

Immer häufiger setzen Eigenheimbesitzer auf den Einsatz von Wärmepumpen. Forschende des Fraunhofer ISE haben unter Nutzung des Kältemittels Propan einen neuen Effizienzrekord erzielt. Foto: panthermedia.net/kange

Immer häufiger setzen Eigenheimbesitzer auf den Einsatz von Wärmepumpen. Forschende des Fraunhofer ISE haben unter Nutzung des Kältemittels Propan einen neuen Effizienzrekord erzielt.

Foto: panthermedia.net/kange

Mit wachsender Unsicherheit, ob der Energieträger Gas in den bevorstehenden kalten Monaten ausreichend zur Verfügung steht, wächst das Interesse an der Wärmepumpentechnik. Die über Jahre stiefmütterlich behandelte Elektrifizierung des Wärmemarktes hat in der Wahrnehmung des Kunden in den vergangenen Monaten massiv an Bedeutung gewonnen. Neben der Frage welche Wärmepumpentechnik für welche Anwendung die am besten geeignete ist, gilt es aber noch einen weiteren Aspekt zu beachten: Welches Kältemittel kommt zum Einsatz. Unlängst hat die EU-Kommision eine Novellierung der sogenannten F-Gase-Verordnung (EU Verordnung Nr. 517/2014) auf den Weg gebracht. Sie reguliert vor dem Hintergrund der bis 2030 beziehungsweise 2045 gesetzten Klimaschutzziele den Einsatz von Kältemitteln – auch den in Wärmepumpen. Der geplante schrittweise Ausstieg aus der Verwendung fluorierter, treibhauswirksamer (HFKW-)Kältemittel wird durch die Novellierung der Verordnung nochmals deutlich beschleunigt. Die Industrie arbeitet – angetrieben vom wachsenden Marktinteresse – derweil an Alternativen: Während viele Unternehmen bereits in den vergangenen Jahren umgestellt haben (häufig auf R32 als Kältemittel), konnten die Besucher jüngster Fachmessen an vielen Ständen nun auch Wärmepumpenmodelle in Augenschein nehmen, die mit dem natürlichen Kältemittel Propan betrieben werden. Diesem widmet man auch in Freiburg seit einiger Zeit besondere Aufmerksamkeit: Im Projekt LC150 („low charge 150 g“) entwickeln das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) und ein Konsortium aus Wärmepumpenherstellern einen standardisierten und kältemittelreduzierten Propan-Kältekreis. Jetzt gelang dem Team ein Effizienzrekord: mit nur 124 Gramm Propan wurde eine Heizleistung von 12,8 Kilowatt erreicht. Daraus ergibt sich eine spezifische Kältemittelfüllmenge von etwa 10 g/kW.

Kältemitteleinsatz und Heizleistung in außergewöhnlichem Verhältnis

Seit Oktober 2021 baut das Projektteam Prototypen für Sole-Wärmepumpen, wobei die einzelnen Komponenten (Verdampfer, Verdichter, Kondensator, Wärmeübertrager und Expansionsventil) in verschiedenen Konstellationen zusammengesetzt werden. Diese werden an Testständen für jeweils zwei Wochen 24 Stunden am Tag vermessen, wobei pro Prototyp zwischen 30 und 150 Betriebspunkte angefahren und die Messwerte von 26 Sensoren aufgezeichnet werden. Auf der Suche nach der idealen Wärmepumpe wurden bisher 26 Prototypen aufgebaut, von denen 14 bereits die komplette Messmatrix durchlaufen haben.

Die beste Komponenten-Konstellation erreichte mit nur 124 Gramm Propan eine maximale Heizleistung von 12,8 Kilowatt und eine Effizienz von 4,7 (Verhältnis der erzeugten Wärme zum eingesetzten Strom). Das heißt, die notwendige Kältemittelmenge pro Kilowatt Heizleistung lag bei nur 9,7 Gramm Propan. „Das entspricht etwa der Propan-Menge in fünf Feuerzeugen“, erläutert Projektmanager Clemens Dankwerth vom Fraunhofer ISE. Das Ziel des Projekts, die spezifische Kältemittelmenge auf 15 bis 30 Gramm/Kilowatt zu reduzieren, ist damit deutlich übertroffen. Handelsübliche Wärmepumpen liegen bei etwa 60 Gramm Propan pro Kilowatt. Propan zeichnet sich durch sehr gute thermodynamische Eigenschaften und ein geringes Treibhausgaspotenzial aus. Da es aber brennbar ist, wird der Einsatz einer möglichst geringen Propanmenge angestrebt.

Fehlende Marktreife: Verdichter müssen angepasst werden

Der Rekord-Kältekreis ist in der aktuellen Form allerdings nicht für eine Markteinführung geeignet, da ein halbhermetischer Automobil-Verdichter eingesetzt wurde. Dieser benötigt dank seiner hohen Drehgeschwindigkeit und der geringen Ölmenge weniger Kältemittel bei höherer Leistung. Die Verdichter aus der Automobilbranche sind bisher nicht auf die hohen Betriebsstunden einer 20 Jahre laufenden Wärmepumpe ausgelegt. „Der Hersteller arbeitet aber bereits an vollhermetischen Verdichtern mit längerer Lebenszeit“, so Dankwerth. Die finale Ausführung des Rekordkältekreises würde mit etwas mehr Kältemittel und einem etwas größeren Wärmeübertrager umgesetzt, um ein ausgewogeneres System zu erreichen. Das Ziel des Projekts LC 150 – ein Kältekreis mit acht bis zehn Kilowatt Leistung bei einer maximalen Füllmenge von 150 Gramm Kältemittel – sei damit auch unter realen Einsatzbedingungen erreichbar, so das Forschungsteam. Auch der bisher zweitbeste Kältekreis im Testprogramm erfülle mit einer Füllmenge von 164 Gramm Propan bei einer Effizienz von 4,8 und einer Heizleistung von 8,1 Kilowatt die Zielvorgaben des Projekts. Hier kam ein herkömmlicher vollhermetischer Verdichter zum Einsatz.

Optimierungspotenzial im Detail

Neben dem Verdichter arbeiten die Forschenden an weiteren Stellschrauben, um die Kältemittelmenge zu senken: das innere Volumen der Wärmeübertrager und die benötige Ölmenge wurden reduziert, auch Zusatzbauteile wie Sensoren wurden auf das Nötigste beschränkt. Die Rohrleitungen wurden so kurz wie möglich gehalten, um die inneren Volumina zu reduzieren. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte Projekt läuft noch bis März 2023. Aus der in den Kreuztests gewonnenen Datenbasis sollen methodische Zusammenhänge abgeleitet werden, damit kältemittelreduzierte Wärmepumpen zukünftig mit weniger Aufwand ausgelegt werden können. Die Polytechnische Universität von Valencia entwickelt dafür mit ihrer Software IMST-Art ein Werkzeug für simulative Voraussagen. Während der Messkampagne werden die Simulationsergebnisse mit den tatsächlichen Messwerten abgeglichen und die Software so laufend verbessert. Auch die Industriepartner des Projektkonsortiums können auf Ergebnisse der Messkampagne zugreifen, um diese nach ihren eigenen Vorgaben auszuwerten.

 

 

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Von Fraunhofer ISE / Marc Daniel Schmelzer